- DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik - Frage - moneymind, 30.11.2005, 20:02
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik - Frage - Holmes, 30.11.2005, 20:59
- Re: China+Stein/Hardenberg - moneymind, 30.11.2005, 22:07
- Re: Grameen-Bank - Holmes, 30.11.2005, 23:40
- Re: Grameen-Bank + wozu debitistische Entwi-Politik? - moneymind, 01.12.2005, 00:57
- Re: Grameen-Bank + wozu debitistische Entwi-Politik? - Holmes, 01.12.2005, 02:20
- Re: Debitistische Entwi-Politik etc. - Holmes - moneymind, 02.12.2005, 21:23
- Re: Grameen-Bank + wozu debitistische Entwi-Politik? - Holmes, 01.12.2005, 02:20
- Re: Grameen-Bank + wozu debitistische Entwi-Politik? - moneymind, 01.12.2005, 00:57
- Re: Grameen-Bank - Holmes, 30.11.2005, 23:40
- Re: China+Stein/Hardenberg - moneymind, 30.11.2005, 22:07
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik - Frage - Diogenes, 01.12.2005, 08:03
- Re: DeSoto und Start geldwirtschaftlicher Dynamik - Diogenes - moneymind, 02.12.2005, 20:33
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik / Für wen? - bernor, 03.12.2005, 01:17
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik / Für wen? - Fürst Luschi, 03.12.2005, 03:56
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik / Für wen? - moneymind, 03.12.2005, 14:15
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik / Für wen? - Holmes, 03.12.2005, 04:47
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik / Für wen? - moneymind, 03.12.2005, 14:01
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik / Für wen? - moneymind, 03.12.2005, 13:46
- Re: Nachtrag - moneymind, 03.12.2005, 14:19
- Re: Nachtrag - bernor, 03.12.2005, 20:12
- Nachtrag Zwo - Grameen-Projekt als Ausweg? - bernor, 04.12.2005, 20:14
- Re: Grameen+Bangladesh - bernor - moneymind, 10.12.2005, 18:04
- Re: Grameen+Bangladesh - moneymind - bernor, 11.12.2005, 14:28
- Re: Grameen+Bangladesh - bernor - moneymind, 10.12.2005, 18:04
- Re: Nachtrag - moneymind, 03.12.2005, 14:19
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik / Für wen? - Fürst Luschi, 03.12.2005, 03:56
- Re: DeSoto, Geldursprung und Start geldwirtschaftlicher Dynamik - Frage - Holmes, 30.11.2005, 20:59
Nachtrag Zwo - Grameen-Projekt als Ausweg?
-->Hi moneymind,
hier sollten wir auch noch einmal auf das gelegentlich als Alternative zur herkömmlichen Entwicklungshilfe gepriesene Grameen-Projekt eingehen:
Auf den ersten Blick gibt es einen Widerspruch zur debitistischen bzw. machttheoretischen Auffassung, wonach Kredite nur gegen Verpfändung (Besicherung durch Hypothek auf Eigentum oder Klausel bezügl. Abtretung von Einkünften) und bei Vorhandensein bzw. Inspanspruchnahme von Vollstreckungsinstanzen (staatlich oder mafiös) vergeben werden können.
Da muß man jetzt unterscheiden:
A) Der klassische Kreditnehmer ist seit jeher jemand, der nicht (mehr) „arm“ ist, also von der Hand in den Mund lebt, sondern Kredite begehrt, weil er entweder
- Abgaben zu leisten hat(te, antike Variante) oder
- „investieren“ will (moderne Variante).
Ausnahmen waren stets jene, die Kredite (auch) zum Lebensunterhalt bekamen - aber eben zu Wucherzinsen, in denen, wie in „normalen“ Zinsen auch, die zu erwartenden Kreditausfälle schon einkalkuliert sind.
B) Bei Grameen dagegen werden Kredite zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgenommen - als notwendiger „Leistungsdruck“ fungiert hier die Aussicht, bei Nichtbedienung des Kredits wieder ins Elend zurückzufallen, weil es keine neuen Kredite mehr gibt (Der Initiator von Grameen, Muhammad Yunus, betont denn auch, daß sowohl Mitarbeiter wie Kreditnehmer/innen permanent zur „Disziplin“ anzuhalten sind).
Somit stellt Grameen keinen Widerspruch, sondern eine wichtige Ergänzung zum Debitismus dar.
Und machttheoretisch betrachtet funktioniert Grameen nur solange, wie der Staat nicht „querschießt“, etwa durch
- Konkurrenz-Programme bei Kleinkrediten,
- höhere/erstmalige Besteuerung auch der Armen
- oder durch Verschlechterung der allgemeinen Sicherheit mittels „härterer Gangart“ gegenüber (meist jungen) Kleinkriminellen und Aufständischen (diese konnten in Bangladesch z. T. als neue Mitarbeiter in das Grameen-Projekt integriert werden, da sie ihre Lage dort - festes Gehalt & hierarchische Position - verbessern konnten).
Wird nun staatlicherseits dem Grameen-Projekt der notwendige Freiraum belassen, kann dieses auch eine sehr kurzfristige Änderung bisheriger „Mentalitäten“ bewirken, wie dies die „Emanzipation“, also die Herauslösung der Frauen aus der bisherigen Unterdrückungskultur, mittels des im Regelfall zuverlässig bedienten Kleinkredits beweist (daher vergibt Grameen vergibt Kredite fast nur an Frauen, die mit der Kreditaufnahme zugleich Mitglied werden) - vorausgesetzt allerdings, die Frauen sind bereits gesetzlich „gleichgestellt“, so daß die Anhänger der Tradition (Ehemänner, Verwandte, Imane etc.) sich nicht auf das Gesetz berufen können, um die Frauen wieder in die Unmündigkeit zurückstoßen zu können.
Wir haben also bis hierhin schon gesehen, daß auch Grameen kein Beispiel für ein rein „privates“ Wirtschaften ist, weil auch hier nicht ignoriert werden kann, wie der jeweilige Staat verfaßt ist bzw. agiert.
Das wird auch deutlich, wenn uns dem zuwenden, was auch Grameen immer wieder braucht: dem Geld:
Für die weitere Betrachtung teilen wir die Wirtschaft eines Landes (z.B. Bangladesch) wie folgt auf:
- den A-Sektor: hier läuft das herkömmliche Kreditgeschäft - wenn auch mehr schlecht als recht,
- den B-Sektor: hier, bei den „Armen“, läuft zunächst gar nix - bis Grameen auftritt.
Grameen hat es sich zum Ziel gesetzt, die „Armut zu beseitigen“, das heißt, alle Betroffenen im B-Sektor mit Kleinkrediten zu versehen, damit sie ihre Lebensumstände - Ernährung, Behausung, Gesundheit, Bildung usw. - soweit verbessern können, daß sie nicht mehr „arm“ sind, sondern in den A-Sektor umsteigen, sprich: per Belastung ihres Eigentum bzw. ihrer Einkünfte Kredite erlangen können (und damit aus dem Grameen-Kreditsystem ausscheiden - es sei denn, Grameen bildet irgendwann auch „kommerzielle“ Ableger im A-Sektor, nicht zuletzt, um ihre Mitarbeiter, sobald der B-Sektor ausgereizt ist, weiterbeschäftigen zu können. Das dürfte aber Probleme mit den anderen Banken geben - und damit vermutlich auch mit dem Staat).
Woher kommt nun das Geld, das auch Grameen benötigt?
Zunächst ausschließlich aus dem A-Sektor: zuerst Geld der Grameen-Initiatoren, dann Spendengelder, danach Kreditgelder von kommerziellen Banken - schließlich Geld aus Anleihen, die u.a. auch von der ZB gekauft werden, da Grameen bei einer Rückzahlungsquote der Kleinkredite 98-99% praktisch genauso ein sicherer Schuldner wie der Staat ist und somit wie dieser ohne anderweitige Besicherung an ZB-Geld herankommt (und damit in diesem speziellen Fall auch Geld- per Kreditschöpfung im B-Sektor ermöglicht).
Es bleibt da folgendes Problem:
Beim Normalkredit müssen für 100 verliehene Taka im Laufe eines Jahres 110 zurückgezahlt werden - wo kommen die zusätzlichen 10 Taka her?
In der Anfangsphase kamen als Abnehmer der Waren & Dienstleistungen der Grameen-Mitglieder praktisch nur „Außenstehende“, also Leute aus dem A-Sektor in Frage.
Je mehr und vor allem flächendeckender sich das Grameen-System ausdehnte, desto mehr handelten seine Mitglieder auch untereinander (z.B. die sog. Telefon-Ladies, die sich vom Kredit ein Telefon kauften, mit dem andere gegen Bezahlung ihre Bestellungen aufgeben konnten).
Und damit konnte das Geld für die Zinsen (die im obigen Beispiel in späteren Perioden real weniger als 10 Taka betrugen, weil die Kreditnehmer/innen als Mitglieder auch Dividenden kassieren) in immer größerem Ausmaß nur durch die Grameen-interne zusätzliche Neuverschuldung generiert werden.
So erklärt sich auch der überproportionale Anstieg der Kapitalkosten gerade in den 90er Jahren, als Grameen boomte - was nicht nur die Dividende drückt und somit die Realzins erhöht, sondern Grameens Abhängigkeit vom A-Sektor (z.B. von der ZB und damit der Politik!) unerbittlich erhöht.
Oder anders: Je erfolgreicher das Grameen-Projekt ist, desto mehr ist es zum Erfolg verdammt - und irgendwann sehr daran interessiert, daß auch der A-Sektor kreditmäßig endlich zu Potte kommt, damit dort die laufend erforderliche Neuverschuldung weitergeht.
Und damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage, wie dieses Zu-Potte-Kommen bewerkstelligt werden könnte.
Bangladesch war schon vor ca. 30 Jahren, als das Grameen-Projekt begann, ein dichtbevölkertes Land mit einem darniederliegenden A-Sektor, weil regelmäßig nach Parlamentswahlen (wenn nicht gerade ein Militärdiktator am Ruder war), Schuldenerlasse verfügt wurden, so daß lt. Yunus nur ca. 10% der jeweiligen Schulden tatsächlich bezahlt wurden.
Dies mag man jetzt als „Schlendrian!“ und „Korruption!“ bezeichnen - aber war’s nicht vielleicht auch ein bißchen weise, weil viel mehr als diese 10%-Tilgung gar nicht möglich waren?
Bis heute ist die Bevölkerungszahl Bangladeschs noch weiter auf etwa das Doppelte, nämlich 138 Mio Einwohner, gestiegen, das macht 936(!) von ihnen auf jeden Quadratkilometer - wo ist in diesem Land. das gerade noch in der Lage ist, seine Bewohner zu ernähren, noch Platz für große Industrieanlagen und andere Gewerbeflächen, die zudem vor Überschwemmungen sicher wären?
Auch die innenpolitische Lage hat sich in den letzten paar Jahren zugespitzt, mit Attentaten, Unruhen, Erstarken der islamischen Fundamentalisten usw. usf.
Dazu ein Auszug aus dem aktuellen Fischer-Weltalmanach (2006):
„Die Botschafter der EU-Mitgliedstaaten wurden im Januar 2005 in einer gemeinsamen Demarche bei der Regierung vorstellig, um ihrer Sorge vor dem Abrutschen des Landes in die Rechtslosigkeit Ausdruck zu verleihen. Neben den politisch motivierten Verbrechen war es seit mehreren Jahren auch zu einem rapiden[!] Anwachsen von kriminellen Vergehen wie Mord, Erpressung, Entführung und Vergewaltigung gekommen.“
Letztgenanntes könnte für sich vielleicht auch als Reaktion auf die neue Selbständigkeit vieler Frauen infolge des Grameen-Projekts gesehen werden (diese Frauen wäre dann, da nicht mehr durch traditionelle Vorschriften bzw. Verhaltensnormen „geschützt“, quasi Freiwild) - wahrscheinlicher ist aber, daß sich hier ein allgemeiner Kollaps des Landes ankündigt.
Bei allem Respekt vor dem menschlichen Kreativität und dem Weltenlauf, der immer für Überraschungen gut ist, und bei aller notwendigen Skepsis gegenüber „Crash“-Szenarien - man kann schon den Eindruck gewinnen, daß in der „Lebensgeschichte“ Bangladeschs und vieler anderer, vieleicht gar aller Staaten der Welt der Zenit ihrer „Entwicklung“längst überschritten worden ist, daß bestenfalls noch der „sozialverträgliche Abstieg“, wie auch immer, gestaltet werden könnte.
Gruß bernor

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