- nereus - bezüglich Gas - Turon, 04.01.2006, 08:02
- Re: bezüglich Gas - Turon - nereus, 04.01.2006, 11:41
Re: bezüglich Gas - Turon
-->Hallo Turon!
Du schreibst: ich muß Dir nicht erklären das bei dem Übergang von UdSSR zu Rußland und neuen Staaten, es zu organisatorischen Problemen gekommen ist, da die Haushalte der ex-russischer Republiken nicht dafür ausreichen, um ein Pipelinenetzt ordentlich zu warten.
Das klingt durchaus plausibel.
Schlechte Zahlungsmoral betrifft nicht bloß die Ukraine, genauso wenig betrifft es auch den frommen Diebstählen, die noch sehr lange unkontrollierbar bleiben werden.
Was willst Du mit diesem Argument begründen?
Weil Moskau anderen Ex-Republiken bessere Konditionen einräumt und immer noch bei diversen Merkwürdigkeiten die Augen zudrückt?
Ja und?
Natürlich ist das ein politisches Pokerspiel - aber es wird von beiden Seiten gespielt und Kiew machte dabei den ersten Zug, weil gewisse Kreise im Westen mal wieder eine Sollbruchstelle entdeckt hatten.
Als Beispiel: in Georgien zum Beispiel ist der Gasverbrauch seit der Spitze um 80% nach unten gegangen.
Ja, aber der Artikel (der recht informativ ist) gibt Moskau nur bedingt Schuld, aufgrund der sowjetischen Planwirtschaft.
Darauf folgt aber gleich der Hinweis: wenngleich man in der Kaukasusrepublik die internationalen Handelsgesetze nicht außer Acht lassen darf, dass normalerweise niemand von seinem Lieferanten mit einer Liefersperre belegt wird, der seine Rechnungen anstandslos und einigermaßen pünktlich bezahlt.
Aha, das relativiert schon wieder ein wenig die Problematik.
Man muß davon ausgehen, daß es sich in allen übrigen Fällen, um genau die selben Verluste handelt.
Nein, das muß man nicht, denn wir können weiter in Deinem Link lesen: Der Leitungsverlust innerhalb Georgiens liegt heute schon bei 7 bis 8 %, im internationalen Vergleich rechnet man mit höchstens 3 %. Dabei sind, so ein TACIS-Experte, alle offiziell erhältlichen Zahlen aus dem System mit großer Vorsicht zu genießen, da die Insider des Systems"smart" genug seien, mit offensichtlich fingierten Messdaten all das zu verschleiern, was man unter dem Begriff"real existierende georgische Privatwirtschaft im öffentlichen Sektor" einigermaßen zutreffend umschreiben kann.
Man legt sehr deutlich den Finger in die Wunde, auch wenn es mehr als offensichtlich ist, daß die georgischen Pipelines repariert bzw. komplett erneuert werden müssen.
Georgien wurde übrigens 1991 unabhängig. Eine russische Bevormundung hinsichtlich wirtschaftlicher Investitionen (die vor 1991 als Argument noch gerechtfertigt war) scheidet damit auch aus.
Also ist es nach meiner Auffassung UNSINN mit WTO zu argumentieren, oder mit ehemaligen Freundschaftspreisen, oder sonst welchen Argumenten dieser Art, die für uns selbstverständlich sind.
Moment mal!
Wenn der Sohnemann seinem Vater lauthals verkündet, er sei ab sofort unabhängig, stehe auf eigenen Füßen, er lasse sich vom Papa nichts mehr sagen und brüskiert diesen sogar in der Ã-ffentlichkeit, dann entfällt notwendigerweise auch die Unterhaltspflicht für den Erzeuger.
Die Freundschaftspreise ergeben doch nur in gegenseitigen Einvernehmen Sinn oder willst Du das bestreiten?
Wie sagte doch ein russischer Parlamentarierer treffend: Wenn die Ukraine politisch und ökonomisch in die euroatlantische Richtung geht, wären Subventionen für die ukrainische Wirtschaft durch niedrigere Preise für russisches Gas absolut nicht logisch
Zu anderem kommt noch ein Punkt hinzu der erwähnt werden muß; da die Wartungsverträge gegenüber den Republiken mangelhaft ausgearbeitet wurden, sind die Erdgaspipelines ziemlich marode und sprichwörtlich kommt nicht so viel Gas an, wieviel geliefert wurde. Der Transportverlust kann also deutlich höher sein, als angenommen, und das nicht erst seit gestern und nicht erst in einem Lande.
Das kann schon sein, aber warum zieht Kiew dies nicht als Argument heran?
Die Schuldzuweisungen, daß Ukraine Gas gestohlen hat, erscheint so in völlig anderem Blickwinkel und kann wohl kaum erst jetzt aufgebauscht werden.
Ich hatte ja zuvor geschrieben, daß Gazprom Kiew schon seit Juni 2005 auf die „verschwundenen“ Gasmengen hinweist und von den 40 Anfragen nicht eine beantwortet wurde.
Rußland tut aber der Ukraine gegenüber so, als gäbe es dieses Problem erst seit gestern.
Nein Turon, das stimmt einfach nicht.
Die 50 Dollar pro 1000 m³ gelten seit dem Jahr 2000 und Kiew verrechnete diese Liefermengen mit dem Gastransfer nach Westeuropa.
Das Internationale Konsortium zur Verwaltung und Entwicklung des Gastransportsystems der Ukraine sollte aufgrund einer Vereinbarung der Präsidenten beider Länder im Juni 2002 geschaffen werden. Drei Jahre später gaben sich die Russen frustriert und Tschernomyrdin beklagte sich entsprechend.
Warum zögerte Kiew denn diese Verhandlung so lange hinaus?
Als der Freund von Putin sein Wunschkandidat für den Thron Ukraine gesponsert wurde, weil er pro russisch gewesen ist, war Gasstehlen OK, und jetzt wo Ukraine sich von Rußland entfernte, ist es nicht OK, Gas zu stehlen?
Turon, Du bist doch weder von gestern noch schrecklich naiv.
Also stelle Dich jetzt bitte nicht dümmer als Du bist.
Natürlich rächt sich Moskau jetzt an Kiew mit den neuen Preisen, aber das Problem liegt bei der orangenen Regierung, die keine Gelegenheit versäumten die Russen vorzuführen.
Hattest Du erwartet, daß Moskau eine mitleidsvolle Erklärung abgibt und zuschaut wie die Ostküste den russischen Bären einkreist?
Glaubst Du wirklich, daß die Stiftungen eines Herrn Soros aus rein humanitären Erwägungen gegründet werden und das es dem feinen Zwirn wirklich nur um die viel besagte Demokratie geht?
Schau doch in den Irak, wenn Du wissen willst wie man mit Leuten umspringt, die keine ernsthafte Gegenwehr leisten können.
Wie geht es jetzt denn weiter? Glaubt ihr im Ernst - das das was sich gegenwärtig in der Ukraine abspielt - Zufall ist?
Nein, das ist ganz sicher kein Zufall und dieser Plan wurde jenseits des Atlantiks bzw. in den diversen „Weltverbesserungsclubs“ ausgeheckt. So weit wird Dein politischer Sachverstand ja hoffentlich noch reichen.
Dass die Ukrainer auf die Art und Weise Rußland erpressen lassen wollen, in dem sie einfach mal so mir nichts dir nichts - Gas stehlen?
Die wollen die Russen einfach aus der Hütte locken, um bei der ukrainischen Bevölkerung gutbekannte Großmachtängste zu wecken, weil sie wissen das die Geduld des Kremls auch mal ein Ende haben wird.
Wie gut das funktioniert, zelebrierst Du uns ja gerade seit wenigen Tagen.
Meinst Du im Westen sieht man nicht wie Juschtschenko schwächelt?
Also zieht man einen neuen Joker aus der Tasche.
Wenn die Rechnung aufgeht, schart sich im Frühjahr wieder alles um den amtierenden Machthaber.
Die Oligarchen schafften es sogar einen 4 % Jelzin in den Amtssessel zu hieven.
Die Schlacht ist für Putin also keineswegs schon gewonnen.
Wenn in Deutschland Brot um 400% im Preis steigt, wird Empörung als wünschenswert angesehen.
Was hat denn das jetzt mit dem Gasstreit zu tun?
Ich gebe Dir mal einen besseren Vergleich.
Ostdeutschland erhält aus dem Bundeshaushalt gewaltige Subventionen für den Aufbau seiner Infrastruktur. Bislang verhielt sich der Osten politisch korrekt.
Nun kommen die fünf neuen Bundesländer plötzlich auf die Idee (nachdem alles saniert ist) ein eigenen Staat zu gründen, man pocht aber gleichzeitig in der neuen Hauptstadt Leipzig darauf noch für weitere 5 Jahre aus dem Bundeshaushalt Zuschüsse zu erhalten.
Der ostdeutsche Regierungschef Platzeck hat mehrfach die Politik der Bundeskanzlerin moniert und sich auf internationalem diplomatischen Parkett klar gegen Frau Merkel positioniert.
Als das Bundeskabinett schlagartig die Subventionen gen Osten versiegen läßt, beklagte sich Herr Platzeck bitter und schwadroniert von Rückfall in den kolonialen Imperialismus seitens der Bundesregierung.
So, und nun sage mir bitte, wer das Problem verursacht hat und ob der abtrünnige Osten noch für weitere Jahre vom Bundeshaushalt gesponsert werden soll?
Und erkäre auch, wie Du die fortdauernder Geldzufuhr dem westdeutschen Steuerzahler schmackhaft machen willst, wo doch aus"Neufünfland" ständig Querschüsse kommen?
Du führst auf, die Gasprom hat mehrmals versucht den Umstand zu klären. Welchen Umstand denn? Wenn der Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, drehe ich ihm Energiezufuhr ab und verlange sofort entsprechende Maßnahmen.
Nein, normalerweise erfolgen Mahnungen und man versucht zunächst zu verhandeln.
Erst wenn überhaupt nichts mehr gerissen werden oder man auf den Kunden verzichten kann, wird die harte Tour gefahren.
Hat der russische Geheimdienst versucht den Anwärter auf den Staatspräsidentenposten mittels"Agent Orange" zu beseitigen.
Nun, das wäre zunächst zu beweisen.
Dieser Anschlag hätte auch in der Absicht getätigt werden können einen sogenannten Mitleidseffekt heraufzubeschwören.
Warum hat der KGB denn Juschtschenko nicht sofort alle gemacht?
Ich gehe sogar davon aus, daß die Russen das viel effektiver hingekriegt hätten.
So aber schwebt der lebendige Beweis für die Boshaftigkeit Moskaus permanent vor den Augen des Betrachters.
Da kämen auch wieder die üblichen Verdächtigen in Betracht.
Ich wette, wenn Ukraine diese Orange Revolution nicht hinter sich hätte - hätte Putin diesen Spielzug gar nicht gespielt.
Wir stimmen absolut überein.
Bei allen euren Symphatien für Putin betone ich auch, daß man von Viktor Juschtschenko keinesfalls behaupten sollte, er wäre Diebstahlanführer, weil
Rußland es so darstellen will. Es zeigt nur, daß Putin Euch symphatisch erscheint, und dieser Glaube - er wäre bedingungslos im Recht - jedweden logischen Standpunkt missen läßt.
Also mit der Logik scheint es zunächst woanders zu klemmen.
Ich hatte mich nun wirklich ausgiebig erklärt.
Aber diese Aspekte werden hier politisch als Erpressung benutzt..
Siehe mein theoretisches Beispiel oben für die neuen Bundesländer.
Das kann man selbstverständlich als Erpressung bezeichnen - es ist sogar eine. [img][/img]
Aber ein anderes Verhalten würde für weltweites Gelächter sorgen.
Die Ukraine muß nur erklären, wo das fehlende Gas sich befindet - das ist schon alles.
Wenn es Transportverluste wären, würde man das doch sagen und auf das marode Rohrnetz verweisen.
Also! sperrt mal die Ohren auf. Das da ist wohl kaum ganz gewöhnlicher Wirtschaftsstreit um Verteilung von Gütern, die wir in Brüssel erleben.
Von welchen gewöhnlichen Wirtschaftsstreits in Brüssel sprichst Du denn?
Brüssel ist die politische Hauptstadt Europas und da geht es nur um Politik.
Subventionen für Landwirte oder neue EU-Mitglieder sind reinrassige Politik oder willst Du das bezweifeln?
Daß Putin der Friedensengel ist, das sollte man sich in jedem Falle abschminken.
Man sollte sich aber auch hin und wieder von Vorurteilen befreien.
Der jetzige Gasstreit zeigt, daß die deutsch-russische Ostsee-Pipeline ein strategisch gelungener Schachzug gewesen ist.
mfG
nereus

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