- @moneymind: Habe ich Dich richtig verstanden zum Thema Islam? - albert, 12.02.2006, 10:30
- Die Sichtweise eines Insiders - Dieter, 12.02.2006, 12:49
- Re: Deine Fragen - albert - moneymind, 12.02.2006, 21:20
Re: Deine Fragen - albert
-->Hallo Albert,
schönen Dank erstmal für Deine Antwort. Ich komme gleich zu Deinen Fragen.
Vorab vielleicht schon soviel: ich habe mit Absicht etwas provokant formuliert, um eine Diskussion zum Thema Demographie und Youth Bulge anzustoßen. Ich habe aber keine"fertigen Wahrheiten" zu bieten, Gewißheiten oder Prophezeihungen schon gar nicht. Nur begründete Ansichten.
Worum es mir erstmal geht, ist, überhaupt erstmal einen demographischen Blickwinkel zu eröffnen und zu erkunden, weil sich da doch einige wichtige neue Aspekte und ggf. Bedeutungsverschiebungen ergeben könnten.
Warum ich die seit 9/11 so populären Verschwörungstheorien für wenig nützlich halte, erläutere ich gern.
Zunächst mal fand ich Deine Frage berechtigt und überfällig: welche Agenda verfolgt der Iran?
Ich würde sie allerdings aus meiner Perspektive etwas anders stellen, in etwa so:
Welche Führer in der islamischen Welt nehmen sich der perspektivlosen, wütenden jungen Männer an, und welche Ziele propagieren sie? (dazu poste ich vielleicht demnächst noch einige Links mit Infos zur Muslimbrüderschaft und zur Hamas als Beispiel für Organisationen, die offensichtlich als Sammelbecken für solche jungen Heißsporne dienen).
Ein Youth Bulge kann verschiedene Verlaufsformen annehmen, die von Bürgerkriegen über Revolutionen (Bsp. frz. Revolution) bis hin zu Völkermorden (Bsp. Ruanda - analysiert in Dießenbacher: Kriege der Zukunft) reichen kann. Eroberungen, Kolonisierungen und Reichsgründungen liegen auch im Bereich des Möglichen.
Kernfrage ist vermutlich: wie organisieren sich die jungen Männer (erst das bündelt ihre Schlagkraft), und welchen Zielen unterstellen sie sich. Diese Zielvorstellungen und die ihnen zugrundeliegenden Werte müssen wir uns anschauen, um sie mit"unseren" Zielen und Wertvorstellungen vergleichen zu können. Um dann entscheiden zu können, wie wir uns zu deren Zielen und Werten stellen wollen.
Ich bin selber erst am Anfang dieses Prozesses.
Jetzt zu Deinen Fragen:
Nach einer Nacht Abstand möchte ich zusammenfassen, ob ich Dich richtig verstanden habe:
1. Gestützt auf die Thesen von Heinsohn siehst Du die Gefahr eher einseitig vom Islam ausgehen, da diese unter Bevölkerungsdruck stehen und nicht die wirtschaftliche Kapazität haben, diese zu integrieren. Nach bisherigen Erfahrungen führt dies früher oder später zu Krieg.
Nein, die Gefahr geht nicht einseitig vom Irak aus. Zu einem Konflikt gehören zwei Mächte. Bisher haben"wir" (Westler) zu den Mächtigeren gezählt. Diese Machtposition bröckelt. Selbstverständlich hat die arabische Welt unter dem euro-amerikanischen Imperialismus auch leiden müssen. Jetzt, wo sie ihre Stärke wachsen sieht und fühlt, gewinnt sie an Selbstbewußtsein und möchte u.a. erlittenes Unrecht heimzahlen und ihren Wertvorstellungen Geltung verschaffen.
Ich werfe nur die Frage auf, ob nicht Sympathien mit dem Iran auf der Illusion beruhen, die Macht der eigenen Kultur sei nach wie vor ungebrochen. Wie lange können wir uns eine solche Sympathie noch leisten? Ich bin unbedingt für friedliche Lösungen, aber die Gefahren müssen wir schon sehen.
Eine für friedliche Lösungen entscheidende Frage wäre wohl: wie beschäftigen wir die überzähligen jungen Männer?
2. Einen Dominanzwillen getrieben durch wirtschaftliche und religiöse Motive siehst Du weder bei Kreisen der USA noch Israel?
Natürlich gibt es diesen Dominanzwillen. Den dürfte es wohl bei jeder Kultur oder Macht geben. Ich mache mir darüber keine Illusionen, daß zwischen Staaten und Kulturen Gesetze der Macht gelten, nicht Gesetze des Rechts. Was mir allerdings recht schwer nachvollziehbar erscheint, ist, daß ein solcher Dominanzwillen hier nur"Usrael" unterstellt wird. Die restliche Welt ganz friedlich, nur geknechtet unter der Knute"Usraels"? Leute, ist das wirklich Euer Ernst? Bitte doch mal einen Blick ins"Lexikon der Völkermorde" werfen, und sich zu Gemüte führen, wie die gesamte Geschichte voll ist von solchem"Dominanzwillen" samt den dazugehörigen Feldzügen.
Nein Leute, das neue an unseren modernen kapitalistischen Demokratien ist doch gerade, daß es dort INTERN - und nur intern, innerhalb des Staatsgebiets, nicht zwischenstaatlich - etwas gibt, das dieses"Machtprinzip" kontrolliert und in einigermaßen zivile Bahnen lenkt, den Rechtsstaat. Man mag zu dem stehen wie man will, perfekt ist er sicherlich nicht. Aber wenn man den im Namen hoher Ideale kritisiert, sollte man doch den Standpunkt und den Boden kennen, von dem aus man argumentiert. Es sind doch gerade diese Ideale, die hierzu ins Feld geführt werden; und nirgendwo sonst auf der Welt (Feudalsysteme!) wäre so etwas auch nur in Ansätzen möglich!
Wer rechtsstatliche Prinzipien auf zwischenstaatliche Beziehungen anwenden will, hat zwar hehre und erstrebenswerte Ziele, ist aber wohl doch noch etwas unrealistisch.
Wer nun aber gleichzeitig Gutmenschen ob deren Naivität kritisiert und verspottet, selbst aber ähnliche Werte für sich in Anspruch nimmt, bei dem darf man wohl fragen, ob neben den hehren Werten vielleicht nicht doch noch eine andere Agenda wirkt.
Ich bin zu jung, um bei WK II persönlich dabeigewesen zu sein (meine Großeltern waren dabei - meine Eltern haben Geschwister verloren). Aber gehe ich falsch in der Annahme, daß manche hier der Meinung sind, mit den"Usrael" noch ein Hähnchen zu rupfen zu haben.
Ich gehöre einer Generation an, die das nicht mehr nachvollziehen kann. Sicherlich werden jetzt einige hier sagen: Ergebnis von"brainwashing" usw. Möglicherweise teilweise richtig. Ich weiß, bei jedem Geschichtsbild muß man mitbedenken, wer es konstruiert hat und einem vermittelt - und welche Interessen er damit verfolgt, aufgrund welcher historischen Erfahrungen.
Ich weiß natürlich auch, daß das für das offizielle Geschichtsbild ebenso gilt wie für ein verschwörungstheoretisches.
Wir sind hier in einem sehr heiklen Thema drin, das ich - gebe ich zu - bisher für mich nicht in gebotener Ausführlichkeit durchdacht habe. Das steht noch an. Ich werde mich dabei aber - wie bei meinen anderen Erkundungen auch - von meinem eigenen Verstand leiten lassen, nicht von irgendwelchen Vorgaben, egal von welcher Seite.
Zu meiner Einschätzung von Verschwörungstheorien siehe weiter unten. Die Diskussionen, die hier dazu gelaufen sind und laufen, haben leider mein Interesse daran überhaupt nicht geweckt. Ich werde das Thema wohl auf meine eigene Weise angehen.
Du siehst also die bisherigen Aktionen mehr als rechtzeitige Notwehr, ehe es zu spät ist.
Ich denke,"Prävention" gehört zu den Motiven. Daß diese Strategie effektiv wäre, sehe ich nicht. Deswegen unterstütze ich sie auch nicht. Wir müssen nach alternativen Lösungen für das Youth Bulge Problem suchen. Wie den jungen Männern eine nicht-kriegerische Lebensperpektiven verschaffen?
3. Du siehst keinerlei Unterdrückung Deutschlands durch Usrael einschließlich Großbritannien?
Nein. Bitte klär mich auf.
Und keine Manipulationsversuche durch Geschichtsfälschung.
Nun,"Geschichtsfälschung" setzt voraus, daß es eine"wahre" Geschichtsschreibung gibt. Das ist eine Illusion. Selbstverständlich schreiben Sieger und Verlierer Geschichte anders, in ihrem jeweiligen Interesse. Und genauso selbstverständlich ist es doch, daß sowohl Sieger als auch Verlierer ihre Version von Geschichte für"wahr" ausgeben wollen/müssen (bzw. möglicherweise sogar selber an die"Wahrheit" ihrer Version glauben). So funktioniert Wahrnehmung nun mal. Es sei denn, man kapiert das.
Selbstverständlich gibt es diese"Geschichtsfälschung" - auf allen Seiten gleichermaßen. Das sollte doch nachvollziehbar sein. Wer das einmal erkannt hat, der sollte vielleicht auch in der Lage sein, zu erkennen, daß die eigene Version von Geschichte für den, der - aus seiner historischen Lage und Position heraus - Geschichte anders schreibt, ebenso eine"Fälschung" darstellt wie umgekehrt.
Das Problem liegt schon im Begriff"Fälschung". Es unterstellt"Wahrheiten", die es so nicht gibt. Geschichte ist immer auch eine (selektive) Konstruktion.
Was soll der ewige Streit um Geschichte - wann blicken wir denn mal konstruktiv nach vorn und richten unsere Gedanken auf etwas anderes als Rache und Heimzahlen? Gibt es beim Nachdenken über Zukunft die Frage der"Wahrheit" oder"Fälschung"? Nein, nur die Frage danach: was wollen wir, wie erreichen wir das am besten, was tun wir. Was funktioniert. Völlig andere Perspektive.
DAS wäre revolutionär. Was passiert hier in diesem Forum größtenteils: es wird gejammert, gemeckert, es werden Schuldzuweisungen gemacht etc. etc.
Wozu führt das im Endeffekt? Zu nichts.
Aber möglicherweise können wir diesen Gedanken (Rache hinter sich lassen) nur denken, weil er in unserer Kultur verankert ist; und vielleicht auch nur deshalb, weil wir eine alternde Kultur sind. Alte Menschen werden weiser und friedlicher, alternde Kulturen vielleicht auch. Was sagen die jungen Heißsporne aus dem Islamgürtel dazu?
Außerdem weiß ich aus meinem persönlichen Leben nur zu gut, daß Verzeihen und Vergeben sehr, sehr schwer sein kann, und selbst, daß es nicht immer gut ist. Aber es befreit manchmal auch. Täter UND Opfer. Wenn Opfer und Täter sich in die Augen sehen und ihre Taten anerkennen können, wird es vielleicht möglich(er), Lasten der Vergangenheit abzuwerfen.
Dies alles gehört für Dich in den Bereich der Verschwöhrung, den Du als Vernebelung des klaren Blicks ansiehst.
Nein, ganz so einfach ist es nicht. Ich sehe nur nicht, was die Verschwörungstheorie denn bringen soll. Völlig unabhängig von ihrem Inhalt ist sie der Struktur nach eine Drahtziehertheorie, die nicht nur keinerlei Raum für Tragik läßt (auch sowas gibt es), sondern auch die Struktur einer Sündenbocktheorie hat. Die einzige Folge, die sich - soweit ich sehe - daraus ziehen läßt, ist doch: die vermeintlichen"Verschwörer" beseitigen.
So. Und dann?
Was dann anders machen?
Da ist bei der V-Theorie Funkstille.
Was für eine bequeme Theorie. Die Marxisten hatten eine Theorie derselben Struktur, mit demselben allzu durchsichtigen Plot."Die Kapitalisten" spielten in diesem Plot die Rolle der Schweine. Nach deren Beseitigung sollte alles gut werden. Was ist daraus geworden? Die nächste Runde im Schweinezyklus.
Ich hätte bitteschön mal ganz gern gewußt, was denn nach der Beseitigung der Verschwörer genau alles anders gemacht werden soll.
Ich habe für solches anklagende Blamer- und Sündenbockgerede leider nur sehr wenig Respekt. Respekt gehört denen, die erfolgreich etwas aufbauen. Zerstören ist easy, das kann jeder. Rache nehmen auch. Es ist bequem und gibt vielleicht kurzfristige Genugtuung. Und dann? Nächster Schweinezyklus?
>Ist der ganze Bereich des Revisionismus für Dich unseriös?
Nein. Revisionismus ist alltäglich und allgegenwärtig. Siehst Du in jedem Krimi: jeder Verdächtige hat seine Version des Tathergangs.
Was die Holo-Zahlen angeht, die hier öfter angesprochen werden: Leute, ist es nicht völlig klar, daß die Opfer ein Interesse an höheren und die Täter ein Interesse an niedrigeren Opferzahlen haben und daß diese Zahlen, da eben nicht objektiv feststellbar, deshalb so lange umstritten bleiben MÜSSEN, wie man es nicht schafft, die Vergangenheit hinter sich zu lassen?
Was mir hier naiv erscheint, ist die Überzeugung, der eigene Standpunkt sei richtig und der des Gegenüber falsch (egal von welcher Seite aus gedacht). Der Gegenüber denkt natürlich ebenso und muß das gemäß der Logik der Situation auch. Das ganze dreht sich wie ein Kreisel weiter, wobei beide an der Vergangenheit kleben und Energien verschwenden, die bei der Gestaltung ihrer Zukunft besser verausgabt wären.
Man muß heraus aus der STRUKTUR dieser Perspektivenverschränkung. Notfalls indem man sich an den eigenen Haaren rauszieht.
Findest Du die Einschränkungen der Meinungsfreiheit für vertretbar?
Nur, insoweit sie die Sicherstellung der Grundlagen dieser Meinungsfreiheit gefährden. Ansonsten nicht. Ich weiß aber auch, daß die Meinungsfreiheit´, die wir hier bei uns genießen, historisch und kulturell die absolute Ausnahme ist."Einschränkungen" dieser M-Freiheit sind die Regel. Daß dieses Forum überhaupt möglich ist, ist ein absolutes Ausnahmephänomen. Der Normalfall wäre, es wäre längst geschlossen.
4. Gehe ich falsch in der Annahme, das Du die These ablehnst, eine usrael dominierte Lobby strebt den Ausbau der Weltherrschaft an?
Ja. Vielleicht nicht der Weltherrschaft, aber der kulturellen Dominanz sicherlich. Aber das liegt aber doch in der Logik jeder"Macht" und Religion -lies mal die Verlautbarungen der Muslimbruderschaft, ist im Islam auch nicht anders. Es ist historisch"normal", wie jeder Blick in die Geschichte zeigt. Was soll daran besonders sein? Deutschland hat das auch mal getan - müßte nicht jemand, der die US-Dominanzversuche verurteilt, zu D´s Vergangenheit ähnliches sagen?
Wieso also gerade die Aufregung über diesen speziellen Fall (das pöhse Usrael) im Namen allgemeiner Prinzipien, während man sich die vielen anderen Fälle egal sein läßt? Vermutlich, weil es nicht um diese Prinzipien als solche geht, sondern um eine persönliches Hühnchenrupfen.
Und im Fall Israel könnten Gründe der Antipathien noch ein paar historische Schichten tiefer liegen und auf archaische Wurzeln zurückgehen (das wird mir aber erst so nach und nach deutlicher).
Mein Eindruck ist, mit der Verschwörungstheorie sollen alte (bis sehr, sehr alte)"Hühnchen gerupft" werden - und dieser Blick in die Vergangenheit hat nicht nur den konstruktiven Blick in die Zukunft vernagelt, sondern auch den Blick auf die Gegenwart dermaßen gelähmt, daß sie an den V-Theoretikern schlicht vorbeigegangen ist. Hier ist aufwachen angesagt.
Dominanzstreben durch Macht ist historisch doch der Normalfall. Die Ausnahme ist der Rechtsstaat, der dieses Machtprinzip - mehr schlecht als recht aber immerhin etwas - gebändigt, eingeschränkt und in neue Bahnen gelenkt hat. Wieviel ist der uns wert? Oder verwenden wir ihn nur, um unseren eigenen Interessen Geltung zu verschaffen und pfeifen bei der erstbesten Gelegenheit, bei der wir was für ihn tun müssen, auf ihn?
Frage an Dich: welchen Werten würdest Du denn gern Weltgeltung verschaffen --- und mit welchen Methoden?
Gruß
mm

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