- Buchtip (@dottore) - Zandow, 25.05.2006, 14:10
- Re: Dank! - moneymind, 25.05.2006, 16:07
- Re: danke fĂŒr den Link! (o.Text) - - Elli -, 25.05.2006, 16:18
- Re: Goetzmann: Origins of Value - Link (o.Text) - moneymind, 25.05.2006, 21:35
- Re: Link zu Will Goetzmanns Hompage, mit... - moneymind, 25.05.2006, 21:50
- Re: Kontrakte mit dem Tempel, soso... - Holmes, 26.05.2006, 16:00
- Re: Das Klima als Joker? - dottore, 28.05.2006, 17:51
- Re: Oman! - dottore, 28.05.2006, 18:19
- Sehr schön. GroĂen Dank! (o.Text) - Zandow, 29.05.2006, 16:44
- Re: Dank! - moneymind, 25.05.2006, 16:07
Re: Das Klima als Joker?
-->Hi,
zunĂ€chst den bisherigen Disputanten herzlichen Dank fĂŒr Ihre Hinweise, Anregungen, Links, usw. Bevor dazu einiges angemerkt sein soll, ein Hinweis auf einen soeben erschienenen Aufsatz von Kennett/Kennett in der neuen Zeitschrift Journal of Island & Coastal Archaeology, 1:67-99, 2006:
Early State Formation in Southern Mesopotamia: Sea Levels, Shorelines, and Climate Change
Douglas J. Kennett*1 and James P. Kennett2
1Department of Anthropology, University of Oregon, Eugene, Oregon, USA.
2Department of Earth Science and Marine Science Institute, University of California, Santa Barbara, California, USA.
Received: July 01, 2005; Accepted: December 01, 2005
*Correspondence: Douglas J. Kennett, Department of Anthropology, University of Oregon, Eugene, OR, 97403, USA; E-mail: dkennett@uoregon.edu
Der Aufsatz ist ein Eye-Opener, zumal er just jene Phase behandelt, die vor dem ausgebildeten Mesopot-System mit seinen bekannten und hier x-fach diskutierten Beiwerken liegt.
ABSTRACT
âThe evolution of the earliest complex state-level societies and cities from small sedentary communities took place in southern Mesopotamia between 8000 and 5000 cal yrs BP during the âUbaid and Uruk periods.â
[Anm.: Ob es sich um eine âEvolutionâ aus âkleinenâ quasi versprengten Siedlungen aus handelt, ist fraglich. Wir finden die kleinen âGemeinschaftenâ (Dörfer, vgl. Bernbeck) nach wie vor und dies völlig getrennt von den urbanen Zentren, die sich grundsĂ€tzlich - vgl. Uruk (10.000 Ew.) als Proto- und Standard-Beispiel - mit dem bekannten Ensemble âPalast & Tempelâ darstellen, vgl.:
Dass dort Interaktionen von âFreienâ dargestellt wĂ€ren, erledigt die Darstellung selbst].
Nun zu dem schönen Hinweis auf dieses:
>William N. Goetzmann und K. Geert Rouwenhorst (Hrsg.)"The Origins of Value"
Oxford University Press, Oxford 2005
>In der FAZ-Rezension (22.5.06) heiĂt es:
>"Die Herausgeber - beide sind Finanzprofessoren an der Yale School of Management - beschrĂ€nken sich darauf, die historische Entwicklung moderner Finanzinstrumente aufzuzeigen. Unter dieser Klammer haben Ă-konomen, Historiker und Praktiker in 20 BeitrĂ€gen ein weites Netz ausgeworfen: Der Verfasser des ersten Beitrags beschreibt die frĂŒhesten, auf Tontafeln bis heute erhaltenen DarlehensvertrĂ€ge bei den Sumerern im Zweistromland rund 2000 vor Christus."Zins" und"Lamm" waren damals ein und dasselbe Wort, was den Ursprung des Zinses als einer Naturalrente belegt."
Auf die zeitliche PrioritĂ€t der Naturalrente (Abgabe, âZinnĂâ) vor einem âZinsâ, der sich auf das Leihen nicht erwirtschafteter bzw. nicht erwirtschaftbarer Naturalrenten ist ausfĂŒhrlich bereits eingegangen worden. Zum mas-, tokos- bzw. foenus-PhĂ€nomen und den sich bei Nichtleistungen daraus ergebenden Konsequenzen bis hin zum Zinseszins hatte Hudson ausfĂŒhrlich im Journal of the Economic and Social History of the Orient (2000, 132-161) Stellung bezogen.
Die Naturalrente (Abgabe) ist zweifellos die Voraussetzung fĂŒr einen âZinsâ, allerdings galt dies nur in Mesopot. In anderen Gesellschaften mit derlei Naturalabgaben (plus anschlieĂender Redistribution an die âRenteâ physisch erwirtschaftenden) sind solche ĂbergĂ€nge nicht zu beobachten. Der âSchuldnerâ (= Nichtlieferant) wird in anderer Form sanktioniert (hier diverse Male besprochen).
Nun zu dem Goetzmann-Text selbst:
Die Fragestellung (âWhere did the idea of borrowing and lending come from? How did the idea of interest payments evolve? Who first realized that"time is money?"â) schrĂ€nkt bereits ein. Der Yale-Professor bleibt in der Jetzt-Zeit verhaftet (von der er wirklich viel versteht). Er kann sich leider nicht vorstellen, dass das PhĂ€nomen âSchuldâ auch anders in die Welt kommen kann (und gekommen ist) als durch âborrowing and lendingâ.
Weiter:
âDenise Schmandt-Besserat may have discovered the origins of writing on the surfaces of the clay bullae, but the mystery remains -- why did the ancient accountants of Uruk use a cumbersome bullae system for their records? Indeed bullae remained in use even after the full development of written script. The answer lies in the fact that they were more than accounting tools -- they were actual contracts.â
[Was ist unter âancient accountantsâ zu verstehen? Warum schrĂ€nkt er dies auf Buchhalter ein, die wie ein Sparkassen-Rendant darauf zu achten haben, dass private Kontrakte abgewickelt werden. Als ob die Finanzverwaltung (und die gibt es in Mesopot nicht nur seit den âbullaeâ und den frĂŒhen Piktogrammen, sondern in Form der - ebenfalls von Schmandt-Besserat entdeckten token schon Jahrtausende frĂŒher) keinen Sinn fĂŒrs âaccountingâ hĂ€tte!]
âEverything we think of as a financial instrument today is, in fact, a contract.â
[Ja, heute - nur bleibt der Begriff âfinancial instrumentâ höchst vage. Ist die out of the blue sky eingefĂŒhrte Maut (usw., usw.) ein âfinancial instrumentâ oder wird sie es erst, nachdem sie beliehen wird oder dazu dient, dem StraĂennetz einen âPreisâ, der sich dann am Kapitalmarkt erlösen lieĂe, aufzupappen?]
âWe cannot really call the bullae the first financial instruments, because we do not know who the contracting parties were. We do not know whether the obligation is a return of a loan, or simply a tax or tribute to the temple.â
[Auf diesen Lapsus mit dem doppelten (!) âwe donât knowâ - doch vielleicht eine Abgabe/ein Tribut? - hatte @Holmes schon hingewiesen; gab es wirklich âcontracting partiesâ und wir kennen sie nur leider nicht? Oder sind diese Kontrahierenden nichts als ein Transport heutiger Gegegenheiten an heutigen KapitalmĂ€rkten in ferne Zeit? Mit dem Thema âbullaâ wird eher fahrlĂ€ssig umgegangen; denn: die ersten âbullaeâ siegelten nicht (âGoldene Bulleâ usw.), sie versiegelten, und zwar groĂe Keramik-GefĂ€Ăe mit zentral gelagerten GĂŒtern, besitze selber solche, woraus hervorgeht: Der Inhalt (des GefĂ€Ăes!) wird bestĂ€tigt und dies doppelt: einmal durch die Aufschrift (plus Siegel), zum zweiten durch den Inhalt (kleine token); auĂerdem war die Bulla mit Hilfe einer durchgezogenen Schnur am Rand der Abdeckung des GefĂ€Ăes befestigt, dies nur am Rande, das Gebiet ist sehr speziell...].
âAll people, urban as well as rural, tend to lend each other things. They do this even when the benefits to such helpful behavior are not immediately apparent. In small communities, people lend their tools and their time to each other. While they may expect reciprocity in the future, they do not explicitly write a contract to formalize it. Such co-operation is a form of insurance. You help out when you can afford to do so, and you call upon your neighbors when you find yourself in need.â
[Auch nicht sehr befriedigend, wie alles durcheinander geht: die âsolidarischeâ Leihe (âsmall communitiesâ, ReziprozitĂ€t, âyour neighboursâ) und der formelle Kontrakt, der - wie ausgefĂŒhrt - eine viel spĂ€tere Entwicklung darstellt].
âCambridge University's Paul Millett traced this developmental relationship between urbanization and interest loans in ancient Athens in the first century B.C. In Greece, the pattern is clear -- urbanism necessitated explicit contracts, and gave rise to interest charges. Interest is a"sweetener" to induce someone to lend you what you need.â
[Da sind wir dann - 1. Jh. BC - schon mehrere Jahrtausende vom Beginn der Entwicklung entfernt; der Zinssatz als ein âsweetenerâ ist Unsinn, worauf schon hingewiesen wurde, zumal, wenn wir die frĂŒhe Entwicklung anschauen, wo sich Schulden ex nihilo ergeben. FĂŒr Palast und Tempel waren solche EingĂ€nge sicher âsweetâ, zumal, wie Johannes Renger noch in Ur III âland and workshops were administered by palace officialsâ, aber den Verschuldungstatbestand, der Hunderttausende bittere Schicksale nach sich zog, konnte kein noch so freundlicher Herrscher âversĂŒĂenâ - womit auch? Oder ist es âsĂŒĂâ, endlich im Zustand des Abgaben/Steuer-Schuldners abgeglitten zu sein?]
âThe invention of interest lending, in the very shadow of the gates of Eden -- may have been humankind's original fall from grace.â
[Der âfall from graceâ hat schon was. Nur beginnt - jenseits von Eden - nicht das kontraktliche, sondern das obrigkeitliche Setzen von Schulden in die Welt. Oder was trieb Kain dazu, StĂ€dtebauer zu werden? Um die Leute in seinen Mauern freundlich-frei aufzunehmen: âLeute, kommt her! Bei mir gibtâs âfree shelterâ und âfree lunchingâ obendrein!â]
âIf you lend someone a herd of thirty cattle for one year, you expect to be repaid with more than thirty cattle.â
[Diese âLeiheâ hatte es - s.o. - nicht gegeben, also entfĂ€llt die entsprechende Deduktion, wobei dieses: âThe idea of interest seems to be a natural one for a pastoral society, but not so for other types of economiesâ ganz und gar daneben ist. Gewiss wurde Hirten diverse Herden anvertraut, aber das hat mit verleihen nichts zu tun].
âIn Babylonian times, short-term debt was a tool used to extract taxes from the population, and to increase the productivity of temple lands. It is almost as though the government had found a way to extract the residual"goodwill" from the economy, by allowing individuals to shift financial obligations into the future. Lending in ancient Ur was mostly for emergency purposes -- where the government created the emergency!â
[Diesem wiederum ist gĂ€nzlich zuzustimmen: âThe government created the emergencyâ - indem es die Abgabe (Landrente usw.) in die Welt setzte; die âfinancial obligationsâ basieren auf der Abgabe und dass und wie man sie - via privaten Kontrakten - in die Zukunft vortragen konnte, ist als die klassische Mesopot-Variante, die stracks ĂŒber das Mittelmeer bis nach Wall Street vordrang, oft genug dargestellt worden].
Mit nochmaligem Dank an die bisherigen Partizipanten und der Bitte um Nachsicht fĂŒr die LĂ€nge der AusfĂŒhrungen plus
herzlichen GruĂ!

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