- Gesundheitsreform, Hartz IV, Freizügigkeit - dottore, 08.06.2006, 15:18
- Herr Eichelburg - Elmarion, 08.06.2006, 16:48
- Re: die sterbende Krake schlägt um sich ;-( (o.Text) - - Elli -, 08.06.2006, 18:37
Gesundheitsreform, Hartz IV, Freizügigkeit
-->Hi,
nachdem die hochmögende Politik zu dämlich war, vorauszusehen, wie sich Hartz IV zwangsläufig entwickeln würde (Maximierung von sog. „Bedarfsgemeinschaften“ mit entsprechendem, völlig legalem, Inkasso, vgl. Sozialgesetzbuch II, § 7 zunächst in Verbindung mit Art. 11 GG - dazu im PS mehr), will man sich jetzt an der „Gesundheitsreform“ versuchen. 16 Köpfe rauchen, bis zur Sommerpause des Bundestags (7. 7 - 4. 9.) sollen die „Eckpunkte“ stehen.
Das Finanzproblem der Kassen stellt sich derzeit so dar: Geschieht nichts, würden die Beiträge der gesetzliche Versicherten im nächsten Jahr um 0,6 bis 0,8 Prozent angehoben. In den entsprechend damit zu deckenden Ausgaben stecken allerdings nicht nur die „üblichen“ Steigerungen der Gesundheitskosten (Medikamente, Krankenhäuser, Älterwerden).
Das Staats-typische Loch, das bei allen seinen Aktivitäten immer wieder zu bestaunen ist, resultiert auch aus dem Wegfall der Zuschüsse aus der Tabaksteuer (aah, wurde sie nicht gerade zur Zahlung dieser Zuschüsse erhöht?!) in Höhe von 2,5 Mrd sowie der dann erhöhten MWSt., die bei Arzneimitteln mit einer weiteren Mrd zu Buche schlägt. Summa: 3,5 Mrd, die allerdings 2008 auf 5 Mrd steigen werden (Quelle: Ulla Schmidt).
Jetzt soll die Staatsmacht das nächste Monster kreißen: Nennt sich Gesundheitsfonds und hört sich schon deshalb gut an, weil alle denken, ein „Fonds“ sei doch etwas, in dem sich a priori etwas befindet. Narren!
Der „Gesundheitsfonds“ (GF) wird nämlich nichts anderes sein, als ein Durchlaufposten, wie er sich bei der „Rentenversicherung“ (Versicherung klingt auch gut) aufs Allerfeinste dargestellt hat (allein das sog. „Vermögen“ dieser Staatsveranstaltung hat sich seit 1993 von damals 20 auf inzwischen 2 Mrd Euro verflüchtigt, ein satter Abgang von 90 Perzenten).
Den GF wollen die Hochmögenden jetzt in einem Kombi aus wirren ursprünglichen Vorstellungen der Koalitionsparteien so gestalten:
Die Arbeitgeber zahlen einheitlich 6 % ihrer Lohnsummen ein. Die Arbeitnehmer haben eine (Höhe offen) Beitrag zu leisten, der sich nicht mehr allein (wie bisher) aus den Arbeitsentgelten zusammensetzt, sondern auch sämtliche sonstigen Einkommen in die Berechnung einbezieht.
Dass damit de facto eine weitere Steuer geschaffen wird, bedarf keiner weiteren Erklärungen, zumal damit zu rechnen ist, dass auch Nicht-Arbeitnehmer mit ihren Einkünften herangezogen werden. Dies umso mehr, als sich sonst der Trend „weg vom festen Beschäftigungsverhältnis“ (Dienstvertrag) und hin zu selbständigen Beschäftigungen (Werkverträge usw.) verstärken dürfte. Die Ich AG und Ähnliches lassen grüßen.
Die Summen, die dabei anbranden, sind beachtlich: Laut VGR machen die 6 % bei den Arbeitnehmerentgelten knapp 70 Mrd aus. Sollten sich die 6 % auch beim anderen Teil der an den GF zu leistenden Zwangsbeiträge wieder finden, sind wir bei 140 Mrd und unter Einbezug des bekannten VGR-Restpostens „Unternehmens- und Vermögenseinkommen“ bei ca. 170 bis 180 Mrd.
Die letzten verfügbaren (2003) Zahlen über Gesundheitskostenkosten (BRD gesamt) beliefen sich auf 240 Mrd und bezahlt haben das (gerundet):
- GKV 136
- Private Haushalte und Organisationen 30
- Private KVs 21
- Ã-ff. Haushalte 19
- Pflegeversicherung 17
- Arbeitgeber 10
- Gesetzl. Renten- sowie Unfallversicherung 8
Inzwischen gibt es Praxisgebühr und weitere Zuzahlungen, usw.
Was von den obigen „Ausgabenträgern“ im GF verschwinden wird und wie, ist - wie gesagt - noch offen. Inzwischen dürften die Gesundheitskosten jenseits der 250er-Marke liegen, womit - unter Zuziehung des bisher bekannten Modelltorsos (170/180) - 70 bis 80 fehlende Mrd „irgendwie untergebracht“ werden müssen. Man wird sehen.
Was passiert, nachdem der GF etabliert wäre, ist unschwer auszumalen: Lohnsummenminimierung seitens der Arbeitgeber. Einen solchen Quasi-Fixkostenblock abzuschmelzen, wird zur geschäftlichen Notwendigkeit. Und Ausgabenmaximierung seitens der Betroffenen (Arbeitnehmer und „weitere“ Einkommensbezieher), um sich sein gutes Geld „wiederzuholen“ - was bekanntlich die Achillesferse jeglicher „Krankenversicherung“ ist. Schon deshalb, weil sich „Gesundheit“ nicht definieren läßt und das, was als „Definition“ angeboten wird aus einem Stück von Ionescu stammen könnte:
“Zustand des vollkommenen (!) körperlichen, seelischen und sozialen (!) Wohlbefindens“ (kurzum, wie es auch die WHO gern als eine Art Menschenrecht sähe:"well-being" ="Wohl-sein").
Wohl bekomm’s!
PS: Zum 11 GG - man muss doch immer wieder nachschauen, was da Schönes steht - ist nachzutragen, zunächst der Text:
(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
[Klingt fein, aber dann kömmt’s:]
(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden...
[Das hat was! Wir sehen wieder mal diesen unsäglichen Topos „Allgemeinheit“ und deren „Lasten“. Aber wenn sie denn schon entstehen (Klarext: Sozialtransfer), dann entstehen sie logischerweise mangels „ausreichender Lebensgrundlage“ (Klartext: Dort, wo sich ein eigenes Einkommen oder eine eigene Subsistenz nicht erwirtschaften lassen). Das öffnet der Staatsmacht allerlei liebliche Möglichkeiten, die geographische Verteilung ihrer Untertanen endlich selbst in die Hand zu nehmen, was - siehe nochmals Hartz IV - gut damit beginnen könnte, dass jeder, der von A nach B umziehen möchte oder auch nur innerhalb einer Location von A, etwa von und aus einer Einliegerwohnung, sich dies von den „Behörden“ genehmigen lassen muss.]
Tja, so ist das mit den „Grundrechten“. Falls noch jemand der festen Überzeugung ist, dass die „Demokratie“ nicht zu etwas ganz anderem mutieren könnte, findet auch im aktuellen historischen Durchlauf viele Anregungen, diese Überzeugung zu überprüfen.
Gruß!

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