- Unser Globus schrumpft - weltweite Logistik - Buchenberg, 21.06.2006, 13:59
- Logistik - Fehlerkorrektur: 6.700 Transportkilometer für den Joghurt - Buchenberg, 22.06.2006, 07:36
Unser Globus schrumpft - weltweite Logistik
-->Bevor ein Joghurt seinen letzten Gang vom Kühlschrank zum Frühstückstisch geht, hat er schon 6.7000 km zurückgelegt - nicht der Joghurtbecher als Ganzes, aber alle seine Einzelteile zusammengerechnet. Die 6.7000 Transportkilometer des Joghurts hatte Stefanie Böge in ihrer Diplomarbeit für die Fruchtjoghurte der Südmilch AG Stuttgart analysiert und errechnet.
Bakterienkulturen werden über 917 km aus Schleswig-Holstein geliefert. Die Erdbeeren kommen über 800 km aus Polen nach Aachen zur Verarbeitung und von dort nach Stuttgart. Die Milch stammt aus dem Umland und wird durchschnittlich 36 km gefahren. Sonstige Rohstoffe wie Zucker, Glasbecher, Aludeckel, Etiketten, Etikettenleim, Transportstiege und Transportfolie legen insgesamt 4953 km von den Herstellern bis nach Stuttgart zurück. Hinzu kommen noch die Vertriebskilometer vom Hersteller zum Einzelhandel zum Beispiel in Hamburg mit 668 km.
Die Stiftung Warentest hat für Fruchtjoghurts eine Haltbarkeit von drei bis vier Wochen festgestellt. Da schadet dem fertigen Joghurt ein Transportweg von 700 km und eine Transportzeit von einem Tag nicht.
Da jedoch alle Vorprodukte und auch das Endprodukt in großen Mengen transportiert werden, entfallen rechnerisch auf jeden einzelnen Erdbeerjoghurt 14,2 Meter Weg. Knapp 13 Meter legen die Vorprodukte des Joghurts von allen Lieferanten zum Hersteller zurück, 1,28 Meter beträgt der Weg vom Hersteller zum Verbraucher. Wer mit Wirtschaft nur als Konsument zu tun hat, der sieht nur den kleineren Teil des Weges einer Ware.
<center>1. Zwei Warenwege
1.1. Warentransporte vom Produzent zum Konsument</center>
Metallischer Rohstoff (Zinn) wurde schon vor 7000 Jahren aus England in den Mittelmeerraum transportiert. Gewürze und Seide fanden ihren Weg aus Asien nach Europa. Heute werden auch frische Lebensmittel und Schnittblumen mit einer Haltbarkeit von wenigen Tagen rund um den Globus transportiert.
Die kurze Vertriebszeit und die Transportwege von Frischobst hat die Firma Dell für ihre Computer übernommen. Sie verkauft ihre Rechner über Internet und Callcenter direkt an private Konsumenten. Produziert wird in den Dell-Fabriken in USA, Irland, Malaysia, China und Brasilien nur, was bestellt ist. Zwischen Bestellung und Lieferung liegen nur wenige Tage.
Durchschnittlich dauert aber die Reise jeder fertigen Ware vom Produktionsort bis zum Endverbraucher (Lagerzeiten eingerechnet) 41 Tage (Financial Times, 13.04.2001). Je kürzer die Lebenszeit eines Produkts, desto schneller und häufiger muss es zum Endkunden ausgeliefert werden. Desto höher ist aber auch seine Profitrate.
<center>1.2. Warentransporte von Produzent zu Produzent</center>
Die längste Zeit und die längsten Wege (90 Prozent) legten die Vorprodukte und Rohstoffe des Joghurts von Unternehmen zu Unternehmen zurück, bevor sie zu einem konsumierbaren Endprodukt verarbeitet wurden. Ein Stuttgarter Joghurt besteht aus 10 Teilen. Eine Boeing 747 ist aus über 6 Millionen Teilen zusammengesetzt. Alle diese Einzelteile werden bei Tausenden Lieferanten bestellt und zu den Boeing-Werken geliefert.
Ein Mittelklassewagen besteht aus rund 10.000 Einzelteilen. Mit 10.000 Einzelteilen baut Toyota mehr als 600.000 Wagen pro Jahr in Europa und hat feste Lieferverträge mit 200 strategischen Zulieferern, die in 400 Fabriken in aller Welt produzieren. Jedes einzelne Autowerk von Toyota"schluckt" fast 1000 LKW-Ladungen pro Tag.
Die weltweite Ausdehnung dieser Warenlieferungen zwischen den Unternehmen ist Grundlage der"Globalisierung". Tatsächlich handelt es sich dabei um einen alten kapitalistischen Trend, der mit den Entdeckungsfahrten des 16. Jahrhundert begonnen hatte.
<center>Grafik 1) Weltweiter Warenverkehr</center>
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Die Bedeutung des Außenhandels in Europa stieg zwar in den letzten fünfzig Jahren an, tatsächlich wurde aber damit nur der Rückweg in Richtung"Nationalwirtschaft" nach dem 1. Weltkrieg umgekehrt. Der Weltkapitalismus ist nach dem zweiten Weltkrieg zu dem globalen Entwicklungspfad zurückgekehrt, der bis zum 1. Weltkrieg vorherrschend und typisch war.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts dominierten Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte den internationalen Warenverkehr. Im Jahr 1900 machten industrielle und landwirtschaftliche Rohstoffe 41% des US-Exports und 45% des US-Imports aus. England importierte im gleichen Jahr Rohstoffe für 75 % seines Importwertes.
Auch wenn mengenmäßig die weltweit umgeschlagenen Rohstoffe gewachsen sind, ihr Wertanteil am globalen Warenverkehr ist seither gesunken, weil Anzahl und Menge der Fertigwaren im Welthandel rascher expandierten.
<center>Vergleiche Grafik 3) Warenarten im Welthandel</center>
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1956 ließ McLean, ein amerikanischer LKW-Transportunternehmer, einen ausrangierten Ã-ltanker zum ersten Containerschiff umbauen. Damals kostete die Beladung eines Schiffes 5,83 Dollar pro Tonne. McLean kalkulierte, dass diese Beladungskosten durch Container um 97 Prozent auf 16 Cent pro Tonne sinken würden. Ein modernes Containerschiff kann 9.000 Container transportieren. Das macht eine Ersparnis von 50.000 Dollar pro Ladung.
<center>Grafik 5) Containerumschlag</center>
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Aktueller Nachtrag aus dem Jahr 2006: Indy-Bericht über den politischen Streik der europäischen Hafenarbeiter
Gruß Wal Buchenberg

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