- ot...was das Lebens so für Stücke bereithält - certina, 12.07.2006, 13:24
- Re: ot...was das Lebens so für Stücke bereithält - Emerald, 12.07.2006, 13:38
- Re: ot...was das Lebens so für Stücke bereithält - XERXES, 12.07.2006, 15:13
- "Tach Fräulein, haben sie nicht gerade etwas verschluckt?... - Knight, 12.07.2006, 22:20
- Re: ot...was das Lebens so für Stücke bereithält - XERXES, 12.07.2006, 15:13
- wenn der Film stimmt, dann stimmt auch die Geschichte - Toby0909, 12.07.2006, 13:56
- Re: wenn der Film stimmt, dann stimmt auch die Geschichte - certina, 12.07.2006, 14:25
- Re: ot...was das Lebens so für Stücke bereithält - Emerald, 12.07.2006, 13:38
ot...was das Lebens so für Stücke bereithält
-->eine kleine, wahre Geschichte
<font size="4">Im Zweifel immer zu Gunsten des Angeklagten...</font>
Auch vor Gericht kann Kreativität der Schlüssel zum Erfolg sein,
wenn Richter sogar daran ihre Freude haben.
Ein Fall in Berlin beweist es.
Geldtransport-Unternehmen sind in letzter Zeit ins Gerede gekommen. Mal werden sie spektakulär überfallen und beraubt, mal unterschlagen sie gleich selbst ein paar Hundert Millionen Euro. Vor dem Berliner Kammergericht steht demnächst ein Fall zur Berufungsverhandlung an, der betroffenen Sicherheitsfirma bisher wenig Vergnügen bereitete, dafür alle diejenigen erfreuen dürfte, die David gerne gegen Goliath siegen sehen.
Es war schon spät am Abend, als die Mitarbeiter des Geld-Transportunternehmens die Vorhalle einer Berliner Sparkasse betraten, um die dort aufgestellten Bargeldautomaten mit frischem Bargeld zu bestücken. Als sie gingen, liessen sie auf dem gefliesten Boden eine abgewetzte Aktentasche zurück, in der sich Scheine im Wert von mehr als 87.000 Euro befunden haben sollen. Den Verlust bemerkten sie erst eineinhalb Stunden später, nach der Rückkehr in ihre Firmenzentrale. Da die Räume der Bargeldautomaten in den Banken mit Videokameras überwacht werden, ermittelte man den Ort des Geschehens recht schnell. Und damit auch den Mann, der die Tasche an sich genommen hatte.
Eine Erklärung, die alle überraschte
Albert M. so wollen wir den Finder mal nennen, betrat in Begleitung seines Hundes Die Sparkassen-Vorhalle eine halbe Stunde nach den Sicherheitsleuten. Er bediente sich am Geldautomaten, sah dann die Aktentasche, nahm sie ungeöffnet an sich, und verließ mit ihr und dem Hund an der Leine das Gebäude. Soweit ist der Sachverhalt unstrittig, weil durch den Videofilm auch dokumentiert.
Zur Rede gestellt, lieferte Herr M. eine überraschende Erklärung:"Ich dachte, dass die Leute jetzt schon so weit gehen, ihren Müll in der Sparkasse zu entsorgen. Weil ich ein ordentlicher Mensch bin, habe ich die angewetze Tasche an mich genommen, und im nächsten Abfalleimer entsorgt. Und da ich sie nicht geöffnet hatte, konnte ich auch nicht wissen, dass Geld darin war".
Eigentlich überflüssig zu erklären: Die Tasche ist nie wieder aufgetaucht.
Strafrechtlich hatte Albert M. ohnehin nichts zu befürchten. Denn weder Raub, noch Diebstahl, noch Betrug oder Unterschlagung kamen als Tatbestände in Betracht.
Weil die Transportfirma jedoch ihre 87.000 Euro zurück haben wollte, erhob sie beim Landgericht Zivilklage gegen Albert M. Und holte sich damit eine „blutige Nase“.
Zwar befanden die Richter, dass die Erklärung des Beklagten wenig wahrscheinlich klinge. Doch das Gegenteil sei ihm auch nicht zu beweisen. Und im Zweifelsfall bliebe der Justiz eben nichts anderes übrig, als zu Gunsten des Beschuldigten zu entscheiden.
Dass sich das Gericht die Entscheidung nicht leicht gemacht hatte, belege der ebenso ausführlich wie genüsslich geführte Disput im Gerichtssaal, mit dem Fall von allen Seiten beleuchtet wurde. Zunächst einmal, so schlossen die Richter messerscharf, sei ja gar nicht bewiesen, dass sich in der Tasche überhaupt Geld befunden habe. Denkbar wäre auch immerhin, dass einer der Sicherheitsleute die 87.000 Euro vorher an sich genommen haben. Spinnt man den Gedanken vom ungetreuen „Automaten-Bestücker“ weiter, kann man auch in Betracht ziehen, dass er die Tasche mit dem Geld für einen Komplizen stehen ließ, der dann „leider“ nicht rechtzeitig kam.
Alles ist denkbar - nichts ist zu beweisen
Auch eine harmlosere Erklärung hielten die Richter nicht für ausschliessbar: Dass nämlich ein „unehrlicher Finder“ während der halben Stunde, die zwischen dem Abgang der Männer vom Geldtransport und dem Eintreten von Herrn Albert M. in der Sparkassen-Vorhalle verstrichen war, das Geld aus der Tasche genommen habe. Und nur deshalb nicht gefilmt worden war, weil er den mit der Filmkamera gekoppelten Geldautomaten nicht bedient habe. Oder die Kamera schlicht während dieser Zeit versagt habe. Dieser „unehrliche Finder“ hätte auch spontan handeln und das Vorhandensein einer Filmkamera gar nicht erst ins Kalkül ziehen können.
Zweifel über Zweifel. Weil es nicht zielführend gewesen wäre, folgte das Gericht trotz seiner Akribie einer weiteren Theorie gar nicht erst bis in die Tiefe. Nämlich der, dass Albert M. mit einem der Automatenbestücker unter einer Decke gesteckt haben könnte. Dagegen hätte dann wohl auch wiederum der lange Zeitraum zwischen dem Stehenlassen der Tasche und deren Auffinden gesprochen. Auf dem Videofilm war ja alles sekundengenau dokumentiert.
Am Ende des Prozesses glaubte zwar kaum einer der Beteiligten an der Unschuld des Beklagten. Doch dennoch war das Schmunzeln in einigen Gesichtern unübersehbar: Wer so kreativ sei, wie Herr M., der habe auch die verschwundenen 87.000 Euro verdient, kommentierte ein Beobachter die Zurückweisung der Klage. Auch tröstlich vielleicht: Richter sind auch nur Menschen. Und wie am Anfang auch geschrieben: Es gibt eine Berufung, die die Geldtransportfirma sogleich eingereicht hatte...

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