- Zwecks Bodenhaftugn: Jeden Tag 25 000 Tote durch Hunger - LenzHannover, 18.07.2006, 01:13
- Re: Wie sagte der UN-Beauftragte für Ernährung doch so schön? - Loki, 18.07.2006, 05:35
- OT: Buchtipp: We feed the World - Toby0909, 18.07.2006, 09:25
- Re: Wir sind es naemlich, die nicht"normal" lebten.....die Mehheit darbe - certina, 18.07.2006, 10:39
- OT: Buchtipp: We feed the World - Toby0909, 18.07.2006, 09:25
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- Re: Wie sagte der UN-Beauftragte für Ernährung doch so schön? - Loki, 18.07.2006, 05:35
Re: Wir sind es naemlich, die nicht"normal" lebten.....die Mehheit darbe
--><font size="5">Wir sind es, die nicht normal leben </font>/ <font size="3">ein paar Zahlen </font>
von Moisés NaÃm***
Wenn man diese Zeilen lese, gehöre man zu jener Minderheit der Weltbevölkerung, die von mehr als zwei US-Dollar am Tag lebt, Arbeit habe, kranken- und rentenversichert sei und sich elementarer politischer Freiheiten erfreue.
Vor allem könne man aber - anders als 860 Millionen Mitmenschen - lesen. Der Anteil derjenigen, auf die all dies zutreffe, belaufe sich auf verschwindende 2,4 Prozent der Weltbevölkerung.
Der Weltbank zufolge muesse die Hälfte der Menschheit mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Die Internationale Arbeitsorganisation schätze, daß ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung beschäftigungslos oder unterbeschäftigt sei. Zudem verfüge die Hälfte aller Menschen über keinerlei Sozialversicherung."Freedom House" bezeichnet 103 der 192 Länder der Welt entweder als"unfrei" oder nur"teilweise frei". Mehr als 3,6 Milliarden Personen - 56 Prozent der Weltbevölkerung - lebten in solchen Staaten.
Statistisch gesehen sei ein"normaler" Mensch von heute arm und lebe in einem Land, das von sozialer und politischer Unterdrückung geprägt und von einer korrupten, autokratischen Führung regiert werde. Es gaebe einen enormen Unterschied zwischen dem, was der durchschnittliche Bürger fortschrittlicher westlicher Demokratien und die reiche Elite überall auf dem Globus für normal erachte, und der täglichen Lebenswirklichkeit einer übergroßen Mehrheit.
Wir hielen es für normal, drei oder mehr Mahlzeiten am Tag zu uns zu nehmen, ohne Furcht auf die Straße gehen zu können, Zugang zu Trinkwasser, Elektrizität, Telefonen und öffentlichen Verkehrsmitteln zu haben.
Traurigerweise sei es jedoch genau das nicht: normal.
Weltweit haetten 852 Millionen Menschen, darunter viele Kinder und Ältere, keine drei Mahlzeiten am Tag. Und wenn doch, versorgten diese Mahlzeiten sie nicht mit der täglichen Kalorienration, die ein normales menschliches Wesen benötige. Rund 1,6 Milliarden Menschen verfügten über keinen Stromanschluß, und 2,4 Milliarden müssten zum Kochen oder Heizen auf traditionelle Brennstoffe wie Holz oder Dung zurückgreifen.
Ein knappes Drittel der Weltbevölkerung habe noch nie telefoniert. Im größten Teil der Welt gehörten Straßenkriminalität und städtische Gewalt zum ganz normalen Alltag. In Lateinamerika und der Karibik kaemen im Schnitt 25 von 100 000 Einwohnern durch Mord ums Leben, in Schwarzafrika liege die Ziffer ungefähr bei 18.
In der Europäischen Union hingegen entfielen auf 100 000 Todesfälle nur drei Morde. Jedes sechste Kind weltweit muuesse arbeiten, um zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen, das seien 246 Millionen Kinder. 73 Millionen von ihnen seien jünger als zehn Jahre. Während die Geburt eines Kindes in den Hochlohnländern als Grund zur Freude betrachtet werde, sei sie anderswo oft die Ursache für Tod, Krankheit und Behinderung.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben in den Entwicklungsländern jedes Jahr mehr als eine halbe Million Frauen infolge von schwangerschaftsbedingten Komplikationen. Dort liege die Wahrscheinlichkeit, daß eine Mutter im Kindbett stirbt, bei eins zu 61, in den reichen Ländern bei eins zu 2800.
Die gestörte Wahrnehmung dessen, was normal ist, koenne auch subtilere Formen annehmen. Man denke etwa an unsere Ansprüche an die Medien. Wir gingen davon aus, daß die Nachrichten frei von Manipulation durch die Regierungen seien.
Bemerkung: Na, da unterstellt er aber
blauaeugig was....wovon hier wohl schon lange
nicht (mehr) ausgegangen wird.
Doch in den meisten Ländern sei das nicht der Fall. Eine Untersuchung der Weltbank über die Medieneigentumsverhältnisse in 97 Ländern habe ergeben, daß sich 72 Prozent der fünf größten Radio- und 60 Prozent der fünf größten Fernsehstationen in staatlicher Hand befaenden.
Die Autoren der Studie haetten auch starke statistische Indizien dafür gefunden, daß die Menschen in Ländern mit einer höheren Staatsquote bei den Medien weniger politische Rechte haetten, daß die Märkte unterentwickelt seien und daß es auffällige Mängel im Erziehungs- und Gesundheitswesen gaebe.
Die Annahmen der reichen Welt darüber, was die globalen Standards simd, seien kostspielige Illusionen. Milliarden Dollar wuerden dadurch verschwendet, daß man davon ausginge, Regierungen in ärmeren Ländern seien mehr oder weniger wie ihre Pendants in den reichen Staaten, nur ein bißchen weniger effizient.
Zwar wuerden wir immer wieder daran erinnert, daß die meisten Regierungen auf der Welt nicht einmal etwas so Selbstverständliches wie eine funktionierende Postzustellung oder Müllentsorgung sicherstellen können. Dennoch krankten die meisten Rezepte für Problemlösungen in diesen Staaten daran, daß sie Fähigkeiten voraussetzen, die zwar in reichen Ländern gegeben seien, aber eben nicht überall sonst.
Wir wollten, daß die Menschen ein besseres Leben haben. Und es ist nur allzu natürlich, daß unsere Vorstellungen des Normalen als ein Kompaß dienten, wenn wir anderen helfen. Die Kluft zwischen dem, was wir für normal hielten, und der Realität, mit der Milliarden Menschen Tag für Tag konfrontiert seien, entspringe weniger einer engstirnigen Neigung, unsere Erfahrung auf andere zu übertragen, als dem aufrichtigen Wunsch, unseren eigenen Werten auch gerecht zu werden.
Diese Werte sollen auch nicht verleugnet werden - sie seien unser Leitstern und wiesen uns den Weg zum Fortschritt. Ein Problem erwachse daraus erst dann, wenn wir stark empfundenen Idealen erlaubten, zur Grundlage unserer Politik zu werden. In einer Zeit, in der es im politischen Diskurs üblich geworden sei, sich auf Werte zu berufen, sei es um so wichtiger zu hinterfragen, ob unsere Ratschläge womöglich auf falschen Annahmen über das Normale fussen wuerden. Denn sollte dies der Fall sein, führe Wertorientierung zu unguten Entscheidungen und nicht zu mehr Klarheit.
Moisés NaÃm ist Autor des Standardwerks
"Schwarzbuch des globalisierten Verbrechens" (Piper-Verlag)
und Chefredakteur der US-Zeitschrift"Foreign Policy".
Aus dem Englischen von Daniel Eckert
Artikel erschienen am 16. Juli 2006

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