- Neue Einsichten des Strategen Brzezinski - nocht nicht vorgedrungen zu Bush &Co - André, 05.08.2006, 19:02
- So neu sind die nicht - Marco Feiten, 06.08.2006, 22:12
- www.new-sense.net - Marco Feiten, 06.08.2006, 22:15
- Re: So neu sind die nicht - weissgarnix, 07.08.2006, 10:39
- So neu sind die nicht - Marco Feiten, 06.08.2006, 22:12
Re: So neu sind die nicht
-->Im Prinzip unterliegt er aber genau demselben Denkfehler, wie Bush, Rice, Wolfowitz und Konsorten: diesem naiven Glauben an die"Demokratie", die sich da irgendwie ihren Weg bahnen müßte, bis sie schließlich eines schönen Tages in voller Pracht erstrahlt... er ventiliert dasselbe Grundthema wie Bush, nur in einer anderen Aufmachung: die Jugend Teherans, zunehmend süchtig nach iPod, Red Bull und Levis-Jeans, würde schon dafür sorgen, dass die Mullahs von ihren Hardliner-Positionen abrücken und schließlich irgendwann mal unsere westlichen Errungenschaften propagieren, von Meinungs- und Pressefreiheit angefangen bis zur Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Mit Bush und Rice mache ich mir da mittlerweile fast schon keinen Stress mehr bzw. habe es aufgegeben. Neben alledem, was man ihnen sonst so vorwerfen kann, glauben die offensichtlich wirklich daran, der"Demokratie" im Nahen Osten immer wieder auf die Sprünge helfen zu müssen. In der Hinsicht sind sie tatsächlich nichts anderes als neuzeitliche Missionare. Und wie die Missionare früherer Zeiten sind sie blind zu erkennen, dass ihre Aktivitäten weder von den"beglückten" Völkern gewollt noch langfristig von Erfolg gekrönt sind. Und dennoch kommt dieses Motiv immer wieder zum Vorschein, und gehen mal im Irak 60% zur Wahl, dann schreien die in Washington"Hurra" und gehen die in Beirut gegen Syrien auf die Straße (Zedernrevolution), dann flippen die grad völlig aus.
Deutschland ist, indirekt natürlich nur, am Gewinnen dieser Überzeugung nicht ganz unbeteiligt gewesen: weil sich Hitler-Deutschland nach WWII dermaßen schnell und geräuschlos in eine"Musterdemokratie" entwickelt hat, denken die jetzt, daß müßte überall auf der Welt klappen. Meine These ist: das konnte nur in Deutschland funktionieren und ist auf kein anderes Land projizierbar, welches nicht auch eine derart heftige nationale Zäsur durchlaufen hat. Gescheiterte Beispiele all over the world seither leider legion.
Man kann Bush natürlich alles hinterträchtige und und geopolitisch machtgeile unterstellen, das man will, das sind aber meines Erachtens alles nur Nebenmotive: in Wahrheit glaubt der Mann tatsächlich an seine"Vorsehung". Problem ist: das macht ihn leider nur umso gefährlicher. Zumal seine engere Entourage von dieser Vorsehung vermutlich frei ist, und tatsächlich nur ihren geopolitischen Machthunger stillt. Ich habe einiges über Bush gelesen, aber mir ist nach wie vor schleierhaft, wo genau dieses"Sendungsbewußtsein" seinen Ursprung hat (überstandener Alkoholismus, Vater-Sohn-Konflikt,...). Fakt ist aber, dass es unglaublich stark ausgeprägt sein muß, denn so eklige und für"nichtbeseelte" inakzeptable Dinge wie die Doktrin der"pre-emptive strikes" oder Guantanamo, die ja auch sein Image und das der USA nachhaltig beschädigen, scheinen darin rückstandsfrei zu sublimieren. In diesem einen Punkt des"Sendungsbewußtseins", meiner festen Überzeugung nach aber nur in diesem einen, sind Parallelen zu anderen schicksalshaften Staatsmännern des 20. Jahrhunderts leider nicht ganz von der Hand zu weisen.
Allen wäre vermutlich am besten geholfen, wenn sich keiner mehr da unten einmischt und auch alle aufhörten, von irgendwelchen"Visionen" zu labern, von Demokratie oder was auch immer. Die in Nahost sollen sich entwickeln, wohin sie wollen. Fantastisch wäre es, wenn sie sich zuvor alle nochmal schnell mit Israel aussöhnen könnten, aber das bleibt vermutlich mein frommer Wunsch.
Brzezinski ist außerdem kolossal naiv, wenn er sagt"er würde einen moderaten Iran mit Atomwaffen, einem feindlichen Iran vorziehen". Ein"moderater Iran mit Atomwaffen" ist ein Oxymoron. Selbst wenn der Iran aus sich heraus gerne moderat bleiben würde (was allein schon fraglich ist), solange da unten ein Staat Israel besteht, würde er automatisch als"feindlich" eingestuft. Darin liegt u.a. der gordische Knoten, den es zu zerschlagen gilt. Statt dem Iran Atomwaffen zu erlauben, wäre es meines Erachtens wesentlich vernünftiger, Israel zur atomaren Abrüstung zu zwingen (eine gaaanz große Friedenslösung zwischen allen Beteiligten mal vorausgesetzt).
Außerdem vergisst er dabei wohl, was unter seiner und Jimmy Carters Ära zwischen Iran und USA so alles los war, und was da alles verbockt wurde."With the benefit of hindsight" kann auch ein Herr Brzezinski sehr schlau daher reden und seine 20min-Vorträge für 20.000 $ an den Mann bringen.
>Ein bemerkenswertes Interview mit Zbigniew Brzezinski, Sicherheitsberater unter Präsident Carter:
>Im Sog der Demagogen (04.03.2005)
>"Wer behauptet, dass unsere Erfahrung im Irak ganz und gar ein Erfolg war, ist doch offensichtlich dem Wahn nahe. [...]...bleibt dennoch die Tatsache, dass die"Operation Irak" die weltweite Glaubwürdigkeit Amerikas in erheblicher Weise unterminiert hat. Noch mehr hat sie uns moralisch kompromittiert. Sie hat uns die Grenzen der Fähigkeit gezeigt, mit politischen Konflikten militärisch umzugehen. [...] Unsere eigene Politik, besonders im Nahen Osten, hat dazu geführt, dass sich dieser Terrorismus auch direkt gegen die Vereinigten Staaten wendet. [...] Die Globalisierung darf nicht länger missbraucht werden, immer wieder ökonomische Vorteile aus den Menschen herauszupressen. Im Gegenteil: Globalisierung muss Teil einer weltweiten Sozialpolitik werden, die sich mit den Herausforderungen beschäftigt, denen ein wachsender Teil der Weltbevölkerung offensichtlich ausgesetzt ist. [...] Der Iran ist nicht - wie so viele andere Staaten der Region - eine künstlich geschaffene Nation. Das Land kann ein Faktor der Stabilität sein. Ich würde einen moderaten Iran mit Nuklearwaffen einem feindseligen Iran vorziehen, der permanent versucht, in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen, um einer militärischen Intervention der Vereinigten Staaten zu begegnen. Diese Variante wäre weitaus gefährlicher als ein moderates, atomar bewaffnetes Land."
>Dass diese Worte von Brzezinski tatsächlich ernst gemeint sind zeigt sich an einem schon im Juli 2004 u.a. von ihm publizierten Werk:
>Iran: Time for a New Approach (pdf-Dokument)
>"The current Iranian government appears to be durable and likely to persist in power for the short- and even medium-term. However, Iran's generational shift and prevailing popular frustration with the government portend the eventual transformation to a more democratic political order in the long term. That process is too deeply entrenched in Iran’s political history and social structure to be derailed or even long delayed."
>Beste Grüße,
>Marco Feiten

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