- Die Menschheit lebt in der Erwartung von etwas Unangenehmem. Lesenswerte Analyse - André, 28.09.2006, 17:52
- Interessant! - kosh, 29.09.2006, 10:02
Die Menschheit lebt in der Erwartung von etwas Unangenehmem. Lesenswerte Analyse
-->wenn auch durch eine russische Brille.
Auf der Suche nach einem Hoffnungspol
Russland und die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit als ein möglicher Gegenpol zur amerikanischen Dominanz.
MOSKAU, 27. September (von Leonid Iwaschow - für RIA Novosti).
Die Menschheit lebt in der Erwartung von etwas global Unangenehmem.
Unsere Akademie für geopolitische Probleme beobachtet aufmerksam die heutigen Prozesse in der Welt, analysiert diese und zieht bestimmte Schlüsse daraus. Man kann sagen, dass sich die menschliche Zivilisation im Zustand einer Systemkrise befindet. Diese Krise ist in erster Linie vom Verlust der moralischen Stützen verursacht. Philosophische Ideen über die Zukunft - genauer, über die neue Weltordnung - bleiben aus.
Bedauerlicherweise muss festgestellt werden, dass heute nicht gerade Ideen dominieren, die der Entwicklung gelten. Die reichsten Menschen der Welt und die reichsten transnationalen Gesellschaften bestimmten heute den Verlauf der globalen Entwicklung. Als Gott gilt für sie der Gewinn. Instrumenten für dessen Erlangung sind nicht nur Dollars, sondern auch militärische Stärke, Provokationen, Geheimoperationen usw.
Eine gewisse menschenfeindliche Moral, die Papst Johannes II. als die Kultur des Todes bezeichnet hat, wird zu einer Tendenz. Extremer Individualismus und Streben nach eigenem Nutzen und Erfolg - selbst auf dem unmoralischsten Wege, wenn es sein muss - zerstören das menschliche Wesen.
Auch eine Zerstörung der völkerrechtlichen Normen, insbesondere in den zwischenstaatlichen Beziehungen, muss konstatiert werden. Diese sind bekanntlich nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Zeit der Parität entstanden, als die Welt eine ernsthafte Alternative in der Gestalt des sozialistischen Systems bekommen hat. Die Epoche des politischen und des militärischen Gleichgewichts hatte ihre Existenz eben dem"sozialistischen Lager" zu verdanken. Dies waren ohne Übertreibung"marktwirtschaftliche Beziehungen" in der Politik: Man konnte nach Belieben den liberalkapitalistischen oder den sozialistischen Entwicklungsweg wählen. Heute besteht diese Wahl praktisch nicht mehr.
Das ist eine weitere überaus gefährliche Tendenz, weil das Völkerrechtssystem einen jeden Staat geschützt hat. Indessen ist die USA-Politik in vieler Hinsicht auf die Entstehung einer Atmosphäre des Chaos und später auf eine Steuerung dieses Chaos in eigenem Interesse gerichtet. Auf der heutigen Landkarte ist ein großes Netz potentieller Konflikte leicht zu sehen. Die meisten dieser Konflikte, die mitunter per Knopfdruck entstehen, sind lenkbar.
Die amerikanische Spionagegemeinschaft hat sich im Grunde genommen auf neue Doktrinen umgestellt. Dank diesen haben die Geheimdienste das Recht, einen präventiven Krieg bis hin zum Sturz von Staatschefs, bis hin zur Änderung der politischen Regimes in allen Staaten der Welt zu führen, die eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen bzw. in Zukunft darstellen können. Das heißt, dass ein Geheimkrieg gegen einen jeden Staat offiziell sanktioniert ist. Nach diesen Szenarien entwickeln sich mitunter dramatische Ereignisse, die Millionen von Einwohnern in Angstzustand versetzen und das Leben ganzer Metropolen lahm legen. In solchen Situationen werden Menschen zu Geiseln von einem anonymen bösen Willen und müssen ein für sie unverständliches Spiel mitspielen.
Das Gefährlichste dabei ist, dass die Welt keine Stabilität erlangen kann. Nicht nur aus der Physik, sondern auch aus der Geschichte der Menschheit ist aber bekannt, dass für eine Stabilität auf dem Planeten Erde zumindest zwei Stützen erforderlich sind. Sobald eine Parität entsteht, ist eine Vereinbarung möglich. Es ist viel schlimmer, wenn nur ein Pol dominiert, insbesondere ein solcher wie die USA.
Natürlich muss man sich dabei nicht einbilden, dass ein amerikanischer Farmer nur an eine Welteroberung denkt. Natürlich kümmert sich eine Mehrheit der Bevölkerung wie auch überall um völlig andere Dinge. Das Kapital aber, in erster Linie das Ã-l- und das Militärindustriekapital, das von der Bush-Administration vertreten ist, schläft natürlich nicht. Saudi-Arabien, Kuweit und die Ã-lfelder des Irak und die iranische Hochebene werden bereits jetzt von den USA weitgehend kontrolliert. Sollten zwei Drittel des globalen Ã-lmeridians unter den USA-Einfluss geraten, werden die anderen Länder bei bestem Wunsch nichts entgegensetzen können.
Nicht zufällig steht es in der (US-) nationalen Sicherheitsstrategie - und das ist bereits zu einem Tenor der Politik, in erster Linie gegenüber Russland und China, geworden: Keine Entstehung eines Staates zuzulassen, der fähig wäre, die USA in welcher Sphäre auch immer herauszufordern. Dabei haben die Amerikaner praktisch in allen Regionen Eindämmungsstrukturen aufgebaut und beobachten alle und jeden, die die USA-Interessen auf welche Weise auch immer gefährden könnten.
Dennoch gibt es immer noch Staaten, die außerhalb der Kontrolle liegen. In einem in China gebilligten Entwicklungsprogramm bis zum Jahr 2019 ist ein eindeutiges Ziel gesetzt worden - die Supermacht Nummer eins zu werden, die den Amerikanern in nichts nachsteht. Dabei deklarieren die Chinesen die Erlangung einer militärischen Überlegenheit oder einer dominanten Stellung in der Wirtschaft als ihre Ziele nicht. Sie gehen einen anderen Weg, indem sie beispielsweise die Wirtschaft Südostasiens schrittweise unter ihre Kontrolle nehmen.
In Malaysia, Indonesien und anderen Ländern der Region machen die Chinesen bereits mindestens zehn bis elf Prozent der Bevölkerung aus. Sie kontrollieren dort nicht nur den Handel, sondern entwickeln auch die Produktion und kontrollieren inzwischen bis zu 80 Prozent der Wirtschaften dieser Staaten. Die latente wirtschaftliche und ethnische Expansion ist für sie ein Weg zur Welteroberung. Soll man davor Angst haben? Zweifellos wird China in wirtschaftlicher Hinsicht immer stärker und baut seine Verteidigung aktiv auf. Es kann wirklich gefährlich werden - oder auch nicht, wenn in der Welt eine gewisse wirtschaftliche Harmonie und ein Kräftegleichgewicht entstehen. Welche Variante ist wahrscheinlicher? Vieles hängt hier von anderen geopolitischen Akteuren ab. Sollte es den US-Amerikanern gelingen, alle Ã-lressourcen unter ihre Kontrolle zu stellen, indem sie Iran attackieren, so wird das indirekt auch ein Schlag gegen China. Dieses wird ohne Ã-lprodukte einfach ersticken. In einer solchen Situation werden die USA selbst China zu bestimmten aktiven Handlungen provozieren.
Für Russland wird das Thema China ebenfalls aktuell. Es ist offensichtlich, dass Kontakte mit China in allen Bereichen unterstützt werden müssen. Man muss China stets im Auge behalten. Die beim Zusammenwirken entstehenden Probleme sollen natürlich nicht auf militärischem, sondern auf wirtschaftlichem Wege gelöst werden. So sollte der russische Ã-lexport nicht in vollem Umfang nach Westen gehen, ein Teil davon könnte an China geliefert werden. Das Gleiche gilt auch für Gaslieferungen. In der Forstwirtschaft sollten Gemeinschaftsunternehmen gegründet werden. Es gibt, mit einem Wort, genügend Möglichkeiten für eine produktive Kooperation. Jedenfalls darf China nicht in eine Isolation geraten.
Die rechtzeitig entstandene Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) bietet die Möglichkeit, gemeinsam mit China ein starkes geopolitisches Bündnis zu bilden. Das SOZ-Projekt bekommt heutzutage eine reale Gestalt. Es ist nicht auszuschließen, dass auf diese Weise ein alternativer Pol entsteht. Dieser ist äußert notwendig, damit die Welt auf zwei Beinen steht, und damit eine solche Kraft entsteht, die fähig wäre, mit den amerikanischen Cowboys auf gleicher Ebene zu sprechen.
Faktisch entsteht eine Chance, ein Block von vier Kulturen zu bilden, deren Traditionswerte uns nah sind. Dies sind die eurasische und die orthodox-slawische Kulturwelt, zu denen sich der Islam (Kasachstan, Kirgisien usw.) sowie die chinesische Kultur gesellen werden. Hier ist eine Zusammenarbeit sowohl auf geistiger Ebene als auch im strategischen Kontext möglich. Dies soll überhaupt nicht dazu dienen, um den Westen in Schach zu halten. Der Welt muss eine Entwicklungsalternative angeboten werden. Ich schließe nicht aus, dass wir in der SOZ eine Art Schutzwall bekommen, hinter der ein eigener Wirtschaftsmarkt und ein eigener Bankensektor entstehen werden. In diesem System würden sowohl die UNO-Charta als auch ein eigenes System der kollektiven Sicherheit gelten.
Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit dient in bedeutendem Maße einer Verringerung der internationalen Spannungen. Dabei haben wir die SOZ nie als eine Alternative zur Nato betrachtet. Niemand hat vor, einen Militärblock zu bilden - allein schon weil es unmöglich ist, das fundamentalistische Iran und Indien, das gewissermaßen ein Gegenpol zu China und Russland darstellt, in ein und derselben Militärorganisation zu haben. Im Osten muss ein kollektives Sicherheitssystem mit einer besonderen, orientalischen Spezifik aufgebaut werden.
Russland gehört in der heutigen Welt eine besondere Rolle. Bekanntlich hat ein jeder größerer Staat der Welt eine geopolitische Idee und eine Mission. Russlands Mission war und bleibt unverändert - Gerechtigkeit und Frieden zu verbreiten sowie ein Kräftegleichgewicht aufrechtzuerhalten.
Heute ist Russlands Mission noch klarer zu sehen: Zu versuchen, die Beziehungen zwischen einzelnen Kulturen zu harmonisieren und keinen Zivilisations-Clash zuzulassen. Die Welt wartet darauf, wer ihr eine neue Lebensphilosophie anbieten würde. Russland ist in der Lage, das zu tun.
Unser Autor Generaloberst Leonid Iwaschow ist Vizepräsident der Akademie für geopolitische Probleme.
<ul> ~ http://de.rian.ru/analysis/20060927/54319508.html</ul>

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