- Ahmadinejad:"Erfüllen Sie hier eine Mission oder sind Sie Journalist?" (o.Text) - kosh, 03.10.2006, 18:49
- Re: Net schlecht, aber auch ein"Aber" - MI, 04.10.2006, 13:50
- Da hat er mal einen ebenbürtigen Gesprächspartner gehabt - Vanitas, 04.10.2006, 16:25
- Re: Net schlecht, aber auch ein"Aber" - kosh, 05.10.2006, 09:28
- Re: Wer ist der Terrorist - MI, 05.10.2006, 09:47
- Re: Net schlecht, aber auch ein"Aber" - MI, 04.10.2006, 13:50
Da hat er mal einen ebenbürtigen Gesprächspartner gehabt
-->Eines muss man der WELT lassen: Die Interviewer haben sich nicht so blamabel von Ahmedinedschad vorführen lassen wie jüngst die Spiegel-Troika um Stefan Aust in Teheran, sondern den Spieß umgedreht und auf der Kernfrage... wie hältst du's mit Israel... insistiert und sie, nachdem er dauernd auswich, selbst beantwortet, worauf A. nur larmoyante Allgemeinplätze zum Besten gab. Auch das Thema 'Holocaust' hat die WELT geschickt eingebunden.
Das war für mich jetzt auch eine echte rhetorische Enttäuschung, da hätte ich mir DEN Klartext versprochen, den er doch zuvor vertreten hat: zionistisches Israel als exklusive Staatsmacht in Palästina nein, aber jüdische Bevölkerung selbstredend ja (jedoch nicht als Dominator).
Stattdessen gab's das:
Ahmadinedschad: Die Politiker in den Vereinigten Staaten sollten es den Palästinensern gestatten zu wählen, und danach respektieren wir alle die Ergebnisse. Sie würden nicht einmal einen kleinen palästinensischen Staat akzeptieren. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass man das Problem an der Wurzel packen muss. Juden werden, wie andere Individuen, respektiert werden müssen. Es ist nicht nötig, das Land anderer zu besetzen, sie zu vertreiben, ihre jungen Leute zu inhaftieren und ihre Wohnungen und Felder zu zerstören und benachbarte Staaten anzugreifen.
Ziemlich verwaschen das alles und ob sich der letzte Satz auf die Palästinenser oder Juden oder beide bezieht, ist auch nicht klar.
Alles in allem, reichlich viel kryptische Umschreibungen, die in mir den Verdacht aufkommen lassen, dass da jüngst bei seinem (inoffiziellen) Besuch des CFR im Anschluss an seine UNO-Rede einiges dramaturgisch festgeklopft worden ist.
Möglicherweise soll die harte Variante"Alle Juden ins Meer" damit ventiliert werden um seine Buhmann-Qualitäten neu aufzupolieren.
Bei so viel Undurchsichtigkeit lobe ich mir doch die klaren Aussagen vom Nestor der amerikanischen Außenpolitik Henry Kissinger in seinem Buch 'Die Herausforderung Amerikas - Weltpolitik im 21. Jahrhundert' von 2003, Ullstein-Verlag.
Kleine Kostproben zum Thema Iran daraus:
Es gibt nur wenige Staaten auf der Welt, mit denen die Vereinigten Staaten weniger Anlass zum Streit oder mehr kompatible Interessen haben. (S. 235)
Die Vereinigten Staaten haben gar kein Interesse daran, den Iran zu dominieren, wie die jetzt regierenden Ayatollas immer behaupten. (S. 236)
Es gibt keine geopolitische Motivation seitens Amerikas für eine Feindschaft zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten. (S. 236)
Eine kluge amerikanische Regierung wird daher selbst wissen, dass eine Verbesserung der Beziehungen zum Iran nur von Vorteil sein kann. (S. 237)
Er schließt dann fast prophetisch *g*:
Und wenn es am Golf zum Äußersten kommt, werden die Europäer die ersten sein, die um Zugang zu amerikanischen Energievorräten bitten, um eine Wirtschaftskatastrophe zu vermeiden
Wo denn bitte, sollen diese amerikanischen Energievorräte liegen? In Mittelasien??
Aber weiter:
Eine effektive, gegen Terrorismus und Weiterverbreitung von Atomwaffen gerichtete Politik des Westens erfordert die Bereitschaft, um eines größeren, langfristigen Zieles willen Opfer zu bringen.
Welches Ziel bitteschön? Sicherheit vor einer aggressiven Atommacht Iran??
Und welche Opfer??
Kissinger beendet dieses sehr aufschlussreiche Kapitel mit den Worten:
Nur durch eine feste, konsistente und versönliche Politik kann der Tag beschleunigt herbeigeführt werden, an dem der Iran bereit sein wird, die konkreten politischen Maßnahmen zu ergreifen, welche die einzige verlässliche Grundlage für eine langfristige kooperative Beziehung bilden.
Abschließende provokative Frage: Spielt der Ahmedinedschad jetzt sein eigenes Spiel oder ist er nur ein Einwechselspieler?
Gruß Vanitas

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