- Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - Zandow, 03.10.2006, 12:24
- Sehr interessant - beni, 03.10.2006, 13:36
- Re: Der Henker als solches - RetterderMatrix, 03.10.2006, 13:46
- Re: Viel zu humanistisch... - Zardoz, 03.10.2006, 14:11
- Re: Viel zu humanistisch... - RetterderMatrix, 03.10.2006, 15:35
- Re: Viel zu humanistisch... - Zardoz, 03.10.2006, 14:11
- Re: Der Henker als solches - RetterderMatrix, 03.10.2006, 13:46
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - Zandow - nereus, 03.10.2006, 16:24
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - Zandow - dottore, 03.10.2006, 18:42
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - dottore - nereus, 03.10.2006, 20:07
- 'So gebt dem Kaiser,...' - Zardoz, 04.10.2006, 01:24
- Re: 'So gebt dem Kaiser,...' - Zardoz - nereus, 04.10.2006, 08:15
- 'So gebt dem Kaiser,...' - Zardoz, 04.10.2006, 01:24
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - dottore - nereus, 03.10.2006, 20:07
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - Zandow - dottore, 03.10.2006, 18:42
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - dottore, 03.10.2006, 16:36
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer / Posting 350977.... - - Elli -, 03.10.2006, 18:38
- Re: Arbeitshypothesen zum Menschenopfer - Uwe, 03.10.2006, 20:55
- Haupt- und Nebensatz - Zandow, 05.10.2006, 12:34
- "Schlechtes Herz" (kurze Sammelantwort) - Zandow, 10.10.2006, 17:34
- Bisherige US-Trefferquote: 100 Prozent - Helmut, 10.10.2006, 20:11
- "Die ideale Volkswirtschaft..." - Zandow, 11.10.2006, 12:41
- Re:"Schlechtes Herz" - bernor, 11.10.2006, 00:41
- Vom Kerker direkt zum Altar - Zandow, 11.10.2006, 12:50
- Re: Vom Kerker direkt zum Altar - bernor, 11.10.2006, 13:40
- Re: Vom Kerker direkt zum Altar - dottore, 11.10.2006, 15:33
- Bilder und Jade - Zandow, 11.10.2006, 16:05
- Jetzt sind die ersten beiden Bilder zu sehen. (o.Text) - Zandow, 11.10.2006, 16:09
- Re: Vom Kerker direkt zum Altar - bernor, 11.10.2006, 16:55
- Bilder und Jade - Zandow, 11.10.2006, 16:05
- Re: Vom Kerker direkt zum Altar - dottore, 11.10.2006, 15:33
- Re: Vom Kerker direkt zum Altar - bernor, 11.10.2006, 13:40
- Vom Kerker direkt zum Altar - Zandow, 11.10.2006, 12:50
- Re:"Schlechtes Herz" (kurze Sammelantwort) - Zandow - nereus, 11.10.2006, 10:24
- Re: Religionen auf die Müllhalde? - Holmes, 11.10.2006, 10:46
- Re: Religionen auf die Müllhalde? - Holmes - nereus, 11.10.2006, 16:16
- Re: Religionen auf die Müllhalde? - Nereus - Holmes, 13.10.2006, 11:00
- Re: Religionen auf die Müllhalde? - Holmes - nereus, 11.10.2006, 16:16
- Zweck und Mittel - Zandow, 11.10.2006, 13:07
- Re: Religionen auf die Müllhalde? - Holmes, 11.10.2006, 10:46
- Bisherige US-Trefferquote: 100 Prozent - Helmut, 10.10.2006, 20:11
- "Schlechtes Herz" (kurze Sammelantwort) - Zandow, 10.10.2006, 17:34
- Sehr interessant - beni, 03.10.2006, 13:36
"Schlechtes Herz" (kurze Sammelantwort)
-->Hallo beni, nereus, dottore, Uwe und RetterderMatrix,
ganz fix eine kurze Sammelantwort der Reihenfolge nach:
____________
beni:
> Eine Frage sehe ich: Warum der Umweg von die einfache Todesstrafe über
> ritualisiertes Menschenopfer zur Todesstrafe zurück?
Die Rückkehr vom Menschenopfer zur Todesstrafe hat mit der Säkularisierung der Gesellschaft zu tun. Zunächst sehen wir eine Gewaltenteilung: Verurteilung durch den Klerus und Ausführung der Strafe durch die weltliche Macht. Desweiteren stehen atheistischen Ideologien sakrale Riten nicht mehr zur Verfügung.
____________
RetterderMatrix:
> Die Antwort sehe ich in der Verteilung der persönlichen Schuld des Henkers auf
> einen größteren Personenkreis.
Zunächst wird die Schuld/Verantwortung für das Töten vom Priester auf die Götter übertragen.
> Es gibt eine natürliche Hemmschwelle zur Tötung eines Artgenossen.
Ja, weswegen es auch immer wieder zu Aufständen und dem schier unerklärlichen Verschwinden von Kulturen gekommen ist.
> Gemeinsame Schuld schweißt zusammen und stärkt so den Zusammenhalt der Truppe,
> bzw. durch ausgeklügelte Hinrichtungsmethoden konnte sich jeder Beteiligte von
> der persönlichen Schuld freisprechen.
Die Beteiligung der Untergebenen/Gläubigen am Tötungsritual macht sie mitverantwortlich daran. Diese Mitschuld hat die Vermeidung der Erkenntnis der wirklichen Verantwortlichen (der Priester nämlich) an der sakralen Schlachtung zum Ziel.
___________
nereus:
> Du schreibst: ein für mich schon"alter Hut", alldieweil seit Monaten
> Gegenstand meiner Studien, verdichtet sich nun zu Arbeitshypothesen.
> Sind das private Studien nur für Dich zur Erweiterung Deines geistigen
> Horizontes oder arbeitest Du im Auftrag eines „Brötchengebers“?
Reines Privatvergnügen.
Aber wenn Du möchtest,....
>> 1. Das, was wir in der Literatur als Menschenopfer sehen, ist zunächst kein
>> Opfer, sondern profaner Mord als Strafe (Sanktion) für die Nichtablieferung
>> von Tributen. Religiöse Vorstellungen existierten anfangs noch nicht.
> Dann müßtest Du aber einen direkten Zusammenhang zwischen Opfer und dem Tribut
> herstellen können.
> Kannst Du das denn irgendwie belegen? Wurde also der Schuldner „verheizt“?
Der direkte Zusammenhang ist nur in Einzelfällen zu belegen (siehe den von dottore gezeigten Verwalter) und auch hier sind anderslautende Interpretationen möglich.
Es ist ja gerade Sinn der Religion, genau diesen direkten Zusammenhang zu verschleiern.
>> 2. Religionen wurden zur Legitimierung (Billigung) dieser oekonomisch
>> motivierten Morde erschaffen.
> Dann mal Butter bei die Fische.
> Ich teile diese Ansicht nun überhaupt nicht, bin aber auf Deine Argumente
> gespannt, denn von den Erkenntnissen anderer wird man nicht unbedingt dümmer.
Der profane Mord als Strafe läßt sofort den Mörder als Verantwortlichen erkennen. Erst eine Religion, die auch als Glauben im Volk fest verwurzelt ist (Brainwash), läßt die Gläubigen die Verantwortung für den Mord an anderer Stelle, nämlich bei den Göttern, verorten. Da beim Opfer für die Götter auch eine Gegenleistung bzw. eine Vermeidung von diesen erwartet wurde (dies fester Bestandteil der Religion), konnte das Opfer, welches meist den eigenen Reihen entstammte, eher gebilligt, ja sogar als notwendig erachtet werden.
> Das Priestertum jedoch selbst als Derivat von einzufordernden Tributen zu
> betrachten, halte ich gelinde gesagt für mehr als gewagt.
Das Wagnis liegt in der nunmehr stattfindenden oekonomischen Betrachtung des Ganzen.
Ein freiwillig oder religiös motiviert dargebrachtes Opfer senkt die Kosten für den Machterhalt der Priester. Gäbe es die Freiwilligkeit oder zumindest Billigung der Opferung durch die Gläubigen nicht, bliebe nur der profane Zwang, welcher wesentlich höhere Kosten verursachen würde.
> Mal ganz ehrlich Zandow, hast Du schon mal das Alte oder Neue Testament zur
> Hand genommen und gelesen,...
Die Bibel steht bei mir auf dem Schreibtisch (derzeit flankiert von Aristoteles und einem Buch über die Jenseitsmythen). Ansonsten finden sich in meinen Bücherschränken noch mehrere Exemplare des AT/NT.
> Hier liegt für mich der Ursprung unserer abendländischen Ethik und es
> erscheint mir unbegreiflich wie man z.B. die Texte des Evangeliums als
> Brainwash bezeichnen kann.
Der Zusammenhang zwischen Macht und Kultur/Ethik wurde hier im Forum schon ausführlichst besprochen.
Zum Brainwash werden die weiteren Untersuchungen demnächst konkreteres bringen.
>> 4. Nach erstmaliger Abschaffung des Menschenopfers durch das Judentum (dies
>> Ursprung des Antisemitismus)
> Diese Behauptung, das dies der Ursprung des Antisemitismus sei, ist ziemlich
> abenteuerlich.
Die die Abschaffung des Menschenopfers durch die Juden (Rückfälle in Krisen- und Kriegszeiten wahrscheinlich bis ins 2.Jhh.AD?) nahm den Herrschern das Mittel zur Sanktion. Das sichere Am-Leben-bleiben stellte für nichtjüdische Machtsysteme eine potentielle Gefahr dar.
> Damit soll dem Rest der Welt mal wieder tierisches Verhalten unterstellt
> werden und demnach wurden die Auserwählten aufgrund ihrer revolutionären
> Sanftmut gehaßt.
Den Vorwurf, das Menschenopfer zu praktizieren, haben sich wohl alle Religionen untereinander nicht nehmen lassen. In erster Linie diente dies der kulturellen Abgrenzung. Eine"Sanftmut" wurde jedoch durch ander Herrscher als Bedrohung empfunden, wenn noch keine anderen Mechanismen zur Sanktionsvollstreckung gefunden waren.
> Solche Begründungen schreien ja geradezu nach weiser Führung durch gewisse
> Kreise.
Die weise Führung zeigte sich in erster Linie in der Erschaffung jener anderen Mechanismen bei der Sanktionsvollstreckung. Besonders die Eigentumsentstehung bot hierzu eine Reihe von Möglichkeiten; z.B. der Eigentumsentzug als Sanktion. Der Eigentumslose lebte zwar nachher noch, allerdings in bitterer Armut oder gar Knechtschaft.
> Nach dieser Logik hätte man das Menschenopfer doch auch beibehalten können.
Das Menschenopfer bedarf eines rituellen Ritus. Ist eine Religion nicht mehr gegeben, innerhalb atheistischer Ideologien (Kommunismus z.B.) bleibt nur die profane Todesstrafe als höchste Körperstrafe übrig.
Die Abschaffung des Menschenopfer konnte nur unter der Voraussetzung der Schaffung neuer Sanktionsmöglichkeiten, welche das Töten ersetzte, geschehen.
> Das Menschenopfer definiert ursprünglich den Wert eines Sack Getreides, einer
> Kuh, eines Stück Landes usw.
> Das ist doch nicht Dein Ernst, oder?
Das Menschenopfer ist die Sanktion bei Nichtablieferung des Tributs; egal, ob dies nun Getreide (Gerste z.B., siehe den Shekel) oder eine Kuh (siehe den Laum) war.
Die Vermeidung dieser Sanktion schafft die oekonomische Kategorie des Wertes.
Das ist sehrwohl mein Ernst.
________________
dottore:
> Nehmen wir, so gestattet, das Schicksal Jesu selbst. Alles Mögliche wird als
>"wahrer Grund" für seine Tötung ausgebreitet, gerade eben das neue Buch von
> James Tabor über die"Jesus-Dynastie", Kernthese: Der wollte König werden und
> dagegen hatten die Römer was.
In einem Aufsatz (grad nicht zur Hand; von @popeye erhalten) wird mit dem Kreuztod Jesu ein für alle mal ein Riegel vor einen eventuellen Rückfall zum Menschenopfer geschoben. Dadurch, daß Jesus für ALLE Sünden (der vergangenen und zukünftigen) ALLER Menschen (der lebenden und zukünftigen) den Opfertod stirbt, ist das Menschenopfer nicht mehr nötig. Mit dem Opfer Jesu sind ALLE Sünden gesühnt.
Das apokryphe Judas-Evangelium deutet in diese Richtung.
>> > 4. Nach erstmaliger Abschaffung des Menschenopfers durch das Judentum (dies
>> > Ursprung des Antisemitismus)
>> Diese Behauptung, das dies der Ursprung des Antisemitismus sei, ist ziemlich
>> abenteuerlich.
> Mag sein, das ist auch eine These von Gunnar Heinsohn, auch wenn er es nicht
> straight ökonomisch versteht.
Ja. Die von mir gesehene den oekonomischen Wert schaffende Funktion des Menschenopfers leitet sich aus der Debitismustheorie in Verbindung mit Heinsohns Sicht ab. Dabei steht meine Sicht derzeit nicht in Widerspruch zu wesentlichen Aussagen Heinsohns. Eher deutet sich hier eine Abrundung oder Synthese an.
> [....
>....
> Este mal corazón
> Lo voy a sacrificar.
>...]
(Kann leider kein Spanisch, aber aus dem Portugiesischen sehe ich dies:
mal corazón - schlechtes Herz
este - ist, von sein oder Artikel das
voy - könnte Himmelsrichtung Osten heißen oder von port. ir als Future, also wird
somit ungefähr: das schlecht Herz wird geopfert)
Hier sehen wir wunderbar den direkten Zusammenhang zwischen Abgabe und Opfer.
Wobei der Verwalter sich selbst auch noch zu Recht bestraft sieht: 'schlechtes Herz'.
Gibt's davon noch mehr?
_________
Uwe:
> Wenn du allerdings das"Menschenopfer" als"ökonomische Bestrafung" erkennen
> willst, dann scheinst Du m.E. Deine Betrachtung in einer Zeit zu beginnen, in
> der die"Macht" bereits Riten der Naturvölker übernommen haben,...
Das ist ganz schwieriges Gebiet.
Riten ohne Macht sehe ich bisher nicht.
Oder anders:
Nach Bernbeck sehen wir die machtfrei häusliche Produktionsweise und die tributäre Produktionsweise (eindeutig machtinduziert!). Religiöse Riten erscheinen erst NACH Entstehung der tributären Produktionsweise.
Anderes kann ich derzeit nirgens entdecken.
Eine Übernahme von alten Riten scheint somit NICHT stattgefunden zu haben.
>... wie"Fremdreligionen" Riten der Bekehrten umwandeln.
Ja, häufiges Phänomen. Spielt bei der hiesigen Betrachtung aber zunächst keine Rolle.
> Dennoch kann natürlich das Menschenopfer ökonomisch begründet entstanden sein,
> nämlich dann, wenn es aus dem Verständnis der betrachteten Kultur darum ging,
> das Überleben der Gruppe/Sippe zu sichern.
Sicherlich mußten Mechanismen geschaffen werden, um in Krisenzeiten das Überleben der Gruppe/Sippe zu sichern. Diese Mechanismen sind für die häusliche Produktionsweise von Bernbeck beschrieben worden. Von Religiösität oder gar Menschenopfern dabei keine Spur! Nichtmal die Verbrennungen von Massen an Lebensmitteln lassen auf sakrale Riten schließen.
Die tributäre Produktionsweise hat dann das Überleben der Gruppe/Sippe in Krisenzeiten durch Redistribution (siehe die Getreidespeichergruben) gesichtert.
Erst jetzt erscheinen Riten.
Dank und Gruß, <font color=#008000>Zandow</font>
(Wer hat eigentlich den Wirtschaftsnobelpreis bekommen und für was?)

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