- Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager - Buchenberg, 10.10.2006, 07:31
- Re: Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager - wal - nereus, 10.10.2006, 11:10
- Re: Bild stammt aus den Dokumenten des Nürnberger Prozesses. (o.Text) - Buchenberg, 10.10.2006, 13:02
- Re: IMT sagt von sich selbst, daß es an Beweisregeln nicht gebunden war (o.Text) - Tempranillo, 10.10.2006, 13:59
- Re: Bild stammt aus den Dokumenten des Nürnberger Prozesses. - Wal - nereus, 10.10.2006, 14:41
- Re: Bilder - nereus - Baldur der Ketzer, 10.10.2006, 14:56
- Re: Bildfaelschung - Tassie Devil, 10.10.2006, 17:03
- Re: Bilder - nereus - apoll, 10.10.2006, 23:55
- Re: Tragödie des Krieges - Holmes, 11.10.2006, 10:04
- Re: Auch 'Dokumente' haben so ihre Tücken - dottore, 11.10.2006, 14:17
- Re: Auch 'Dokumente' haben so ihre Tücken - dottore - nereus, 11.10.2006, 15:51
- Ich finde es erstaunlich - XERXES, 11.10.2006, 15:55
- Re: Ich finde es erstaunlich - dottore, 11.10.2006, 16:53
- Re: Auch 'Dokumente' haben so ihre Tücken - dottore - Holmes, 11.10.2006, 18:51
- Re: Bilder - nereus - Baldur der Ketzer, 10.10.2006, 14:56
- Re: Bild stammt aus den Dokumenten des Nürnberger Prozesses. (o.Text) - apoll, 10.10.2006, 23:50
- Re: Bergen-Belsen (o.Text) - dottore, 10.10.2006, 17:43
- Re: Bergen-Belsen (o.Text) - dottore - nereus, 10.10.2006, 22:12
- Re: Bergen-Belsen (o.Text) - dottore - apoll, 10.10.2006, 23:48
- Re: Bergen-Belsen (o.Text) - apoll - nereus, 11.10.2006, 07:49
- Re: Bergen-Belsen (o.Text) - dottore - apoll, 10.10.2006, 23:48
- Re: Bergen-Belsen (o.Text) - dottore - nereus, 10.10.2006, 22:12
- Re: Bild stammt aus den Dokumenten des Nürnberger Prozesses. (o.Text) - Buchenberg, 10.10.2006, 13:02
- Re: @Wal: Findest du die Quelle nicht etwas einseitig? (o.Text) - - Elli -, 10.10.2006, 12:37
- Re: @Elli: Was kommt dir an der Quelle einseitig vor? (o.Text) - Buchenberg, 10.10.2006, 12:59
- Re: @Wal: Was erwartest du von vom Staat bezahlten Gutachtern? (o.Text) - - Elli -, 10.10.2006, 14:04
- @Elli. Bezahlte Gutachten. Das ergibt vielleicht einen Verdacht, keinen Beleg (o.Text) - Buchenberg, 10.10.2006, 14:14
- Re: @Wal: Eben! (o.Text) - - Elli -, 10.10.2006, 14:51
- Re: @Elli: Eben? - Buchenberg, 10.10.2006, 15:28
- Re: @Wal: Eben? - Tassie Devil, 10.10.2006, 17:27
- Re: @Elli: Eben? - apoll, 10.10.2006, 23:34
- Re: @Elli: Eben? - Buchenberg, 10.10.2006, 15:28
- Re: @Wal - 1 Beleg - Tassie Devil, 10.10.2006, 15:13
- Re:"ethische Beziehung zwischen Staatsführung und Volksgenossen" - kosh, 10.10.2006, 16:49
- Re: @Wal: Eben! (o.Text) - - Elli -, 10.10.2006, 14:51
- @Elli. Bezahlte Gutachten. Das ergibt vielleicht einen Verdacht, keinen Beleg (o.Text) - Buchenberg, 10.10.2006, 14:14
- Re: @Wal: Was erwartest du von vom Staat bezahlten Gutachtern? (o.Text) - - Elli -, 10.10.2006, 14:04
- Re: Und vor allem, er hat ja Redefreiheit! (o.Text) - Theo Stuss, 10.10.2006, 14:04
- Re: @Elli: Was kommt dir an der Quelle einseitig vor? (o.Text) - Buchenberg, 10.10.2006, 12:59
- Re: Der Führergedanke - Tarantoga, 10.10.2006, 16:52
- Re: Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager - wal - nereus, 10.10.2006, 11:10
Re: Auch 'Dokumente' haben so ihre Tücken
-->Hi Baldur,
mit Beweisen ist das häufig kompliziert. Das bezieht sich nicht nur auf"Bilder".
Als jemand, der sich mit der Diplomatik (Urkundenlehre) auskennt, weiß ich bestens, dass"Dokumente" oft noch größere Schwierigkeiten bereiten.
Das „discrimen veri ac falsi“ (Unterscheidung von Echtem und Unechten bzw. Wahrem und Falschem) allein sagt dabei nichts aus. Denn nicht jedes „unechte“ Dokument muss auch einen gefälschten Tatbestand wiedergeben. Der Tatbestand ist oft genau so wie in dem Dokument dargestellt. Gerichte erkennen in der Regel nicht Tatbestände an, auch nicht, wenn sie durch Zeugenaussagen (oder Geständnisse) untermauert sind, sondern wollen auch entsprechende „Dokumente“ sehen, zumal, wenn auf solche Dokumente Bezug genommen wird.
Dies sei anhand einiger Dokumente aus der Nazi-Zeit dargestellt, die unstreitige Tatbestände wiedergeben, die aber bei kritischer Prüfung doch Mängel aufweisen bzw. Fragen aufwerfen. Die Dokumente sind sämtlich im Web frei zugänglich abrufbar, so dass ich mir die Wiederholung sparen kann.
Als Ausgangspunkt sei Hitler Euthanasie-Befehl (auf sog. Privatem Briefpapier, das den Adler mit Hakenkreuz und den Namen zeigt, Akten- oder sonstige Nummerierungs-Zeichen fehlen) genommen.
- Das Datum („1. Sept. 1939.“) passt nicht zum handschriftlichen Übergabe-Vermerk des damaligen Justizministers (Dr. Gürtner), der auf den 27. 8. 40 datiert ist (auf einer Web-Seite falsch mit 27. 9. bezeichnet). Das Dokument gilt in der Forschung allgemein als „rückdatiert“ (Kriegsbeginn). Wann Hitler den Befehl gegeben bzw. mit Blanko-Datum unterschrieben hat, lässt sich nicht ermitteln.
- Im Text steht ein „dass“. In einem Schreiben Hitlers („Adolf Hitler Privatkanzlei“; Tagebuch-Nr. AZD/378) an Hugo Eckener nach der Hindenburg-Katastrophe (Lakehurst, 6. Mai 1937) vom 9. Mai 1937 unterzeichnet, finden wir noch ein „daß“, wie dort überhaupt stark mit „ß“ geschrieben wird [„Geschehniße“, „anlaßlich“; allerdings unterschreibt der Herr auch einen Tippfehler („eingelitet“), was auf gewisse Schlamperei seines Sekretariats schließen lässt].
- In dem „Besprechungsprotokoll“ (Niederschrift: Adolf Eichmann) der Wannseekonferenz (20. Januar 1942) wiederum erscheint das übliche „daß“.
- In Hitlers „Politischem Testament“ (Bunker, 29. April 1945) ist wieder das „dass“ (zum „daß“ siehe gleich) zu sehen, ebenfalls ein „ausschliesslich“, was nicht rechtschreibkonform gewesen sein kann (vgl. Duden durchgehend bis heute).
- Das „Politische Testament“ ist in zwei Teilen überliefert, wobei in Teil II auf der letzten Seite, also über der Unterschrift des Diktators, rätselhafterweise doch ein „daß“ zu sehen ist. Wieso in einem solchen, sozusagen für die Geschichte und als Rechtfertigung gedachten Dokument ein „dass“ und ein „daß“ erscheinen, in Teil II sogar durch nur 7 Zeilen, allerdings auch einer neuen Seite getrennt, ist kaum zu erklären. Auch erscheint rätselhaft, warum in Teil I wiederum ein „massgebenden“ zu sehen ist, dazu ein „grossen“ und ein „äussersten“.
- Die Schreibmaschine(n) im Bunker hatte(n) möglicherweise auch kein SS in Form der bekannten Nazi-Runen, jedenfalls wurde die entsprechende Taste nicht genutzt. An zwei Stellen in Teil II erscheint „Reichsführer-SS“ (also mit doppeltem versalen „S“). Im Wannsee-Protokoll dagegen erscheint das Runen-SS und da der teilnehmende SS[Runen]-Oberführer Klopfer aus der „Partei-Kanzlei“ kam und Hitler Partei-Chef war und selbstverständlich von der Existenz der SS-Runen wusste, ist auch dieses Phänomen nicht befriedigend zu erklären.
- Im Euthanasie-Befehl erscheint zudem eine besondere Form des Trennungsstrichs, nämlich mit einer Leertaste davor, also spationiert. Dieses Schriftbild (z.B.
„er -
weitern“
und nicht
„er-
weitern“)
findet sich auch in dem Schreiben Hermann Görings, zunächst datiert „[fehlt] 7.1941“ an Heydrich (also Leertaste vor dem Trennungsstrich). In diesem Schreiben findet sich die SS-Rune, allerdings bereitet dieses Dokument dem Diplomatiker weiteres Kopfzerbrechen. Die Titulatur des prominenten Absenders ist nämlich getippt und nicht, was bei Göring mit seiner Prunk- und Prahlsucht zu erwarten wäre, gedruckt.
- Die Titulatur beginnt mit „Der Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches“. Das erstaunt, da zwar 1941 durchaus von „großdeutsch“ die Rede war (z.B. „großdeutsche Lösung“, auch das Huber'che"Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches" lag bereits vor, allerdings in sozusagen petitiver Form"zur Errichtung des Großdeutschen Reiches"). Die offizielle Umbenennung des Deutschen Reiches in „Großdeutsches Reich“ wurde aber erst durch Erlass vom 26. Juni 1943 (RK 7669 E) verfügt und auch die Briefmarken tragen diese Staatsbezeichnung erst ab 1943.
- Das Wort „Reichsverteidigung“ in Görings Titulatur ist ohne Leertaste getrennt („Reichsvertei-digung“), im folgenden Text finden sich jedoch die schon erwähnten Spationierungen („betei -liegen").
- Vollends verwirrt ist der Urkundenfachmann beim Göring-Schreiben allerdings durch die Tatsache, dass im Text kein „I“, sondern stattdessen stets ein „J“ vorkommt: „Jn Ergänzung der Jhnen bereits mit Erlaß [sic, also „ß“] vom 24.I.39 [sic und nicht etwa 24.1.39, wiewohl die schon erwähnte inkomplette Datierung darüber ein „1941“ zeigt, also die Eins als „1“ und nicht etwa als „I“] übertragenen Aufgabe,die [sic, keine Leertaste] Judenfrage einer [...] Lösung zuzu -führen.“ Oder auch: „Jch beauftrage Sie weiter...“ und „... Endlösung der Judenfrage vorzulegen“.
- Auf Mängel der Schriftbilder mit über die Zeile gerutschten Versalien bzw. unter die Zeile gerutschten Kleinbuchstaben sei auch hingewiesen sowie auf die unterschiedlichen Behandlungen der Datierung: abgekürzte, spationierte oder nicht spationierte Datumsangaben. Die Einrückungen bei Absätzen sind auch nicht einheitlich.
Bei Würdigung dieser offenkundigen und zahlreichen Defizienzen dieser Dokumente wäre - sofern Fälschungen oder Verfälschungen ausgeschlossen werden - zu folgern: Es gab in der NS- und Staatsspitze weder einheitliche Schreibweisen oder Schriftformen noch so etwas wie eine auch nur ansatzweise verbindliche deutsche Rechtschreibung. Oder die betreffenden Top-Sekretariate des Regimes waren mit völlig unfähigen Mitarbeitern besetzt.
Diese historisch-kritische Dokumentenschelte, und das sei nochmals ausdrücklich betont, sagt nichts über die zugrundeliegenden Tatbestände bzw. Sachverhalte aus. Aber doch über die Gerichte, die diese Schriftstücke ungeprüft zu den Akten nahmen und über die Historiker der NS-Geschichte, welche die betreffenden Texte in ihre Monographien und Aufsätze übernommen haben, ebenfalls ohne sie mit der erforderlichen wissenschaftlichen, d.h. quellenkritischen Sorgfalt untersucht zu haben.
Die Diplomatik ist bekanntlich eine „Historische Hilfswissenschaft“. Das sollte aber bei besonders heiklen, schwierigen und wichtigen Thematiken nicht dazu führen, dass ihre Hilfe von vorneherein ausgeschlagen oder ausgeschlossen wird.
Ad fontes (falls sich jemand damit beschäftigen möchte) + Gruß!
P.S.: Ob die im Web zugänglichen Dokumente den Originalen entsprechen, wurde nicht überprüft.

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