- Grundsicherung - Golden Boy, 18.10.2006, 18:25
Grundsicherung
-->Es waren einmal ein Lokomotivführer, ein Polier, eine Lehrerin, ein Bankfilialleiter, eine Polizistin, ein Monteur und eine Geschäftsfrau. Sie arbeiteten Tag für Tag brav und treu, schleppten sich auch mit Schnupfen und Fieber in die Bude, erbrachten ihre Leistungen und bezahlten ihre Steuern.
Alles war gut - bis das Unheil kam und sich unsere braven Leute als Täuscher entpuppten. Einen Tag nach der Einführung einer Grundsicherung von 800 Euro in Ã-sterreich, schmissen sie die ungeliebte Plackerei hin. Seither lassen sie sich vom Staat aushalten, räkeln sich faul in ihren Hängematten, lassen mit einer täglichen Flasche Sekt den Sozialstaat hochleben und lachen sich eins auf Kosten der Allgemeinheit.
Absurd? Natürlich! Kein Mensch mit einem halbwegs erfüllten Berufsleben und halbwegs anständigem Gehalt wird sich wegen einer Grundsicherung von 800 Euro so verhalten. Im Übrigen würde er diese gar nicht bekommen. Die so genannte „bedarfsorientierte Grundsicherung“, wie sie von der SPÃ- in die Diskussion um ein Regierungsprogramm gebracht wurde, ist weiterhin an die Annahme „zumutbarer Arbeit“ geknüpft. Und nicht einmal das weitergehende Modell eines bedingungslos gewährten „Grundeinkommens“, wie es etwa die Armutskonferenz, die katholische Sozialakademie oder die Grünen fordern, wäre eine realistische Verlockung für unseren Lokomotivführer oder unsere Geschäftsfrau.
Armut als Peitsche
Warum ist die Aufregung und Ablehnung trotzdem so groß? Hier gilt es zu unterscheiden. Der „normale“ Ã-sterreicher weiß, dass eine Gesellschaft nur durch Arbeit bestehen kann und dass diese nicht immer ein Vergnügen ist. Er fürchtet, dass jede Aufweichung des Prinzips „gutes Leben und Wohlstand nur durch harte Arbeit“ eine Verlockung wäre, der zu viele Mitbürger erliegen könnten. Allerdings gilt dieser Verdacht immer nur für die anderen. Persönlich ist jedem eine vernünftige Arbeit lieber.
Auf der anderen Seite stehen kalte Berechnung und Strategie. Die ökonomisch Mächtigen haben in den letzten Jahren viel für sich erreicht. Steuerliche Entlastungen und Quantensprünge bei Gewinnen, Renditen und Managergehältern stehen auf ihrer Habenseite. Im Gegensatz dazu sind Scheinselbstständigkeit, Änderungskündigungen, ungewollte Teilzeit, geringfügige Beschäftigung, usw. Massenphänomene am Arbeitsmarkt geworden. Insgesamt wurden die unteren Einkommensschichten vom steigenden Reichtum der Gesellschaft abgehängt. Die Spitze des Eisbergs stellen rund 250.000 arbeitende (!) Menschen in Ã-sterreich dar, die laut „Statistik Austria“ unter der Grenze zur Armutsgefährdung leben müssen. Acht Prozent der Erwerbstätigen zwischen 20 und 64 Jahren gelten als so genannte „working poor“.
Um die unteren Einkommensschichten geht es. Man befürchtet, dass Menschen, die mit harter und unsicherer Arbeit um die tausend Euro oder weniger verdienen, ein geringfügig niedrigeres Grundeinkommen vorziehen könnten. Ein bisschen Pfusch noch und man lebt nicht schlechter. Diese Befürchtung ist realistisch. Das würden sich bestimmt manche so richten.
Nun gibt es zwei Alternativen. Erstens, man hält sich die Armut warm und verwendet sie als Peitsche und Drohung, damit auch weiterhin die letzten miesen und schlecht bezahlten Jobs angenommen werden müssen. Zweitens, man bekämpft die Armut und sorgt trotzdem dafür, dass ein vernünftiger Abstand zwischen Arbeit und Nichtarbeit bestehen bleibt. In der Folge müsste allerdings zwangsläufig wieder einmal etwas für die unteren Einkommensschichten getan werden. Das will man sich ersparen. Deshalb die Aufregung.
<ul> ~ http://www.salzburger-fenster.at/rubrik/meinung/3406/grundsicherung-warum-die-au</ul>

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