- Schmiert der Dollar ab? Plus: de Villepin vs. EZB - dottore, 15.11.2006, 15:04
- Re: Schmiert der Dollar ab? Plus: de Villepin vs. EZB - Kleinanleger, 15.11.2006, 15:37
Schmiert der Dollar ab? Plus: de Villepin vs. EZB
-->Hi,
zur Einstimmung den USD-Index:
Wg. der geringen Vola an den globalen Märkten boten sich die bekannten"Carry Trades" als Geldvermehrungs-Alternative an. Diese dürften dem USD eine Stütze gewesen sein. Da es immer unwahrscheinlicher wird, dass die Fed die"Zinsschraube" weiter anzieht (was bei der EZB und der BoJ nicht auszuschließen ist), könnten diese Trades möglicherweise auslaufen.
Für eine friedlichere Haltung der Fed könnte nicht nur die bekannte Verlangsamung des US-Wachstums sprechen, sondern auch die aktuellen Infla-Zahlen (ob getürkt oder nicht): Im Oktober sind die wholesale prices (core) um einen Rekordsatz (bezogen auf die letzten 13 Jahre) gefallen, nämlich um 0,9 %. Der PPI um 1,6 % (in der Form, wie heute berechnet, also seit 2002) und damit ebenfalls so stark wie seit 2002 nicht.
Hinzu kommt die allmähliche Erosion des Dollars als sog."Reservewährung", auf die schon vor kurzem hingewiesen wurde (BIZ-Zahlen):
Die Aufblähung dieser Reserven hat im wesentlichen realwirtschaftliche Gründe: Die Emerger, China und Japan betrieben auf diesem Wege Wachstums- und Beschäftigungspolitik, die Oiler kamen daran durch den Verkauf des kräftig verteuerten Rohstoffs.
Die Emerger und China dürften dies fortsetzen, vor allem China mit seiner Renmimbi-Unterbewertung. Japan hat sich inzwischen stärker nach China orientiert und ist mit dem US-Geschäft grosso modo so zufrieden wie es ist. Die Oiler werden bei sackenden Crude-Preisen eventuell wieder abschmelzen und nicht mehr so stark in USD als"Anlage" gehen wie bisher und möglicherweise in Euro switchen, sofern die Konjunkturaussichten im Euroraum sich halten oder gar verbessern, was allerdings nicht ausgemacht ist.
Bleibt also das Wanderkapital, das ohnehin die WKe erheblich stärker beeinflusst als realwirtschaftliche Vorgänge. Von einem Verhältnis der Kapital- zu den Waren-"Strömen" von 30 bis 40: 1 ist immer wieder die Rede.
Ginge also der USD in die Knie, könnte sich dieser Prozess aus sich heraus verstärken: die USD-Anleger hassen es, ihre relativ guten Returns (vor allem bei Kurzfrist-Anlagen!) dadurch aufgezehrt zu sehen, dass die Währung, in der sie stecken, abwärts geht.
PIMCO-Analysten kommen zu dem Schluss:"In summary, fundamentals suggest that the U.S. dollar will soon resume the downdraft that began in 2001." Und dies sowohl gegen Emerger- als auch Developed-Währungen.
Letzteres, konkret der Euro als sich gegen USD verstärkend, wird in der Eurozone bereits gerochen. Denn ein stärkerer Euro ist für die europäische Industrie kein Zuckerschlecken. Frankreichs Premier de Villepin hat sich bei einem Auftritt in Toulouse (mit Airbus-Zulieferern) mit kantigen Sätzen gemeldet, die wir in dieser Form seit den WK-Mätzchen der 1970er Jahre nicht mehr gehört haben (es stünden"strategische Interessen" Europas auf dem Spiel, es ginge darum"unfaire Praktiken" zu verhindern, usw.). Kern-Aussage on top:
"Wir können [!] die EZB bei den Wechselkursen [gemeint logischerweise USD/Euro] nicht allein [!] handeln lassen!"
De Villepin ist damit der erste führende EU-Politiker, der das Problem angesprochen hat.
Damit ist der erste Schuss in der großen Entscheidungsschlacht zwischen Ecofin (den EU-Finanzministern) und der EZB gefallen, die - wie mehrfach ausgedrückt - sich auf das"Inflationsziel" kapriziert und keine speziellen WK-Ziele verfolgt. und auch nicht dazu gezwungen werden kann (der frühere Art. 111 EU-Verträge sah noch die Möglichkeit vor, WKe zu beeinflussen, gemeint waren aber jene zwischen den potenziellen Euro-Teilnehmern).
Geblieben ist allerdings der Art. 109, in dessen Absatz 2 es heißt:
"In the absence of an exchange rate system in relation to one or more non-Community currencies, the Council [konkret der Ecofin-Rat] acting by a qualified majority either on a recommendation from the Commission AND after consulting the ECB OR on a recommendation from the ECB, may formulate general orientations for exchange rate policy in relation to these currencies."
Soweit ist es also schon mal nicht so ganz einfach, der EZB WK-Manipulationen aufzuzwingen (qualifizierte Mehrheit, EZB muss angehört werden). Aber der entscheidende Sachverhalt kommt im nächsten Satz:
"These general orientations shall be without prejudice to the primary [!] objective of the ESCB to maintain price stability."
Solange sich die EZB auf"Infla-Gefahren" spitzt, und davon wird sie so schnell nicht abrücken, schon allein nicht, damit M. Trichet nicht sein Gesicht verliert, wird sie kaum den USD hochkaufen und vice versa den Euro zum Billigheimer machen, sie wird vielmehr einen"starken" Euro als Hilfstruppe für ihre Infla-"Bekämpfung" weiterhin willkommen heißen.
Als letzter Trumpf im Ärmel blieben (was de Villepin auch hat durchblicken lassen) sog."handelspolitische Massnahmen", wie sie mit Art. 113 möglich sind:
"1. The common commercial policy shall be based on uniform principles, particularly in regard to changes in tariff rates, the conclusion of tariff and trade agreements, the achievement of uniformity in measures of liberalization, export policy and measures to protect trade such as those to be taken in the event of dumping or subsidies." [Ob ein von der Fed unbeeinflusster USD-Kurs als Dumping oder Subvention bezeichnet werden kann, wage ich zu bezweifeln].
Somit scheint dieser Ablauf nicht unwahrscheinlich:
1. USD geht in die Knie (Gründe: siehe oben).
2. Dies hat nichts mit"Handelspolitik" seitens der USA zu tun.
3. Die US-Konjunktur geht ebenfalls in die Knie (was sich auch aus 1) ergibt).
4. Das schlägt nun auf die Euroraum-Realwirtschaft durch.
5. Dies allerdings nicht auf alle Euro-Staaten gleichermaßen.
6. Daher wird es dauern, bis die"qualifizierte Mehrheit" überhaupt beisammen ist.
7. Die EZB wird sich von ihrer"Infla-Kampffront" erst zurückziehen, nachdem die Euroraum-Preise deutlich unter dem 2 % Infla-Ziel (total, alle Staaten) gelandet sind, wenn nicht gar ins Minus rutschen (was freilich schnell gehen kann).
8. Dann freilich ist es zu spät, mit dem Abwertungswettlauf zu starten, da sowohl die US-Konjunktur als auch die im Euroraum in sauer liegen.
Das Ganze ist nur zu vermeiden, wenn business as usual forever (US-Verschuldung weiter, Carry Trades weiter, usw.). So oder so, die Chose wird immer mulmiger. Dass Brisanz in allem steckt, zeigten die Reaktionen auf die de Villepin-Rede: Schlagartig ging der Euro von 1,2840 auf unter 1,2800 herunter.
Der Airbus ist nicht die Welt, aber er könnte durchaus eine"Auslöser"-Rolle spielen, zumal es nicht nur ums Geschäft und Arbeitsplätze, sondern um nationales Prestige geht, zumal für Frankreich. Auf der großen Bühne wird alsbald alles Mögliche zu bestaunen sein: Dollar vs. Euro, ZBs vs. Dollar, Undwinding großer Carry Trades, Euroraum vs. USA, Ecofin vs. EZB, Ecofin vs. USA, usw., usw.
Wohl dem, der weiterhin gut schlafen kann + Gruß!

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