- Warengesellschaft02 - Natürliche Bedingungen im frühen Griechenland - Buchenberg, 28.11.2006, 18:10
Warengesellschaft02 - Natürliche Bedingungen im frühen Griechenland
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<em>"Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben."</em> (K. Marx, Ã-konomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, 516.) Die Menschheit findet die äußere Natur vor, so wie ein Individuum seinen/ihren Leib vorfindet. Tiere leben ganz von der Natur und ganz in der Natur, sie bleiben mit der Natur eins. Sobald die Menschen anfingen während der landwirtschaftlichen Revolution ihre Lebensmittel zu produzieren, begannen sie sich von den Tieren und damit von der Natur zu entfernen und zu unterscheiden.
Zu Anfang hing alles Wohl und Wehe ab von den Gaben der Natur. Mit Viehzucht und Ackerbau trat menschliche Arbeit zur Produktivität der Natur hinzu, steigerte und stabilisierte die Produktivität der Natur, konnte sie aber auch zerstören.
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"Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigene Natur." </em>(K. Marx, Kapital I, MEW 23, 192.)
Was die Natur von sich aus hergibt, lässt sich ökonomisch in zwei große Klassen teilen: in Reichtum an Lebensmitteln (feuchtwarmes Klima, Bodenfruchtarkeit, Tier- und Fischreichtum etc.) und in Reichtum an Arbeitsmitteln (unterschiedliche Steinarten, Hölzer, Metalle, schiffbare Gewässer etc.)
Das alte Griechenland gehörte eher in die zweite Kategorie. <em>"Es ist nicht die absolute Fruchtbarkeit des Bodens, sondern seine Differenzierung, die Mannigfaltigkeit seiner natürlichen Produkte, welche die Naturgrundlage der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit bildet, und den Menschen durch den Wechsel der Naturumstände, innerhalb deren er haust, zur Vervielfältigung seiner eigenen Bedürfnisse, Fähigkeiten, Arbeitsmittel und Arbeitsweisen spornt."</em> K. Marx, Kapital I, MEW 23, 535ff.
An Bodenfruchtbarkeit konnte sich Griechenland mit den großen Flußtälern in Ägypten, Mesopotamien, Indien oder China nicht messen<em>."Kein Land der Erde, das wir kennen, eignet sich so gut zum Getreideanbau wie Babylonien"</em>, schreibt Herodot. <em>"Fruchtbäume wachsen dagegen nicht im Lande, nicht die Feige, nicht der Wein, nicht die Olive. Aber das Getreide gedeiht so vorzüglich, dass es 200fältige Frucht trägt und im günstigsten Falle sogar 300fältige."</em> (Herodot:1,193) Die Bibel erwähnt für Palästina einen 60fachen Ertrag auf steinigem Boden und 100fachen Ertrag auf gutem Boden. (Matthäus: 13, 23). Diese Größenordnungen können wir auch für Griechenland annehmen.
Die klimatischen und natürlichen Bedingungen in Griechenland haben sich seit der Antike nicht grundlegend geändert. In der Antike konnten höchstens auf zwanzig Prozent des gebirgigen Landes mit relativ kargem Boden als Acker genutzt werden. Im modernen Griechenland sind rund 27 Prozent des Bodens angebaut. Homer berichtet im 8. Jh. v. Chr. von einer gemischten Landwirtschaft seiner Helden mit Ackerbau und Viehzucht. Die Zweifelderwirtschaft, wobei jährlich im Wechsel ein Teil des Felds brach lag und der andere Teil mit Gerste oder Weizen bebaut wurde, blieb bis in hellenistische Zeit üblich. Eine wachsende Rolle spielte der Gartenbau mit Gemüse, Wein und Oliven. Die umliegenden Berghänge boten Weideland für Rinder, Schafe und Ziegen, Schweine, Esel, Pferde und Maultiere.
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Die antiken Landwirte passten sich dem Klima an, indem sie das Getreide im Herbst säten, so dass sie noch vor der sommerlichen Dürrezeit ernten konnten. Wein und Oliven vertrugen die Sommertrockenheit gut und waren eher anfällig für zu kalte Winter.
Gerste braucht mindestens 200 Millimeter Niederschlag pro Jahr, Weizen 300 Millimeter. Dieses Minimum wurde aber nicht jedes Jahr überall erreicht. Aristoteles berichtet: <em>"Bisweilen kommt es in einer ganzen Region zu einer Dürre oder zu anhaltendem Regen, bisweilen nur in einem kleinen Gebiet;... Andererseits ist zu einem anderen Zeitpunkt die Niederschlagsmenge in einer Region insgesamt eher gering, und es besteht eine Tendenz zu einer Dürre, während in einem Teilgebiet der Niederschlag überaus reichlich ist."</em> (Aristoteles, Meteoroligika: 360b)
Dürrejahre mit katastrophalen Missernten waren häufig. Aus dem 4. Jahrhundert haben wir davon schriftliche Aufzeichnungen. Man muss annehmen, dass sie auch in den Jahrhunderten zuvor nicht selten waren. Im modernen Athen wird der langjährige Regendurchschnitt von rund 380 Millimeter in vielen Jahren nur zu 60 Prozent erreicht. Mit zunehmender"Verstädterung" fehlte schon den alten Griechen an vielen Orten das Wasser, weil der Boden wenig Grundwasser hält und die Wasserversorgung hauptsächlich auf Oberflächenwasser angewiesen war. Regen wurde da nicht nur von dem Tragödiendichter Aischylos herbeigesehnt, der schrieb: <em>"Und Regen, der vom Himmel strömt, umarmt und schwängert die Erde; und sie gebiert dem Menschenvolk Frucht fürs Brot, den Herden Weide."</em> (Frg. 125 Mette.)
Eine wichtige Bedingung für den Erfolg der griechischen Expansion im 8. und 7. Jh. war der Umstand, dass sich die geologischen und klimatischen Bedingungen im ganzen Mittelmeerraum wenig unterscheiden. Die landwirtschaftlichen und handwerklichen Techniken, die die frühen Griechen in ihrer Heimat erlernt hatten, konnten umstandslos in der kolonialen Fremde von der Schwarzmeerküste bis nach Spanien erfolgreich angewandt werden.
Die Gebirge waren bis hinauf zur Baumgrenze ursprünglich dicht bewaldet. In der Nähe von Städten verursachte der ständige Holzeinschlag für Brennholz, Bau- und Schiffsholz schon bald ein Verschwinden der Wälder. An der Wende zum 3. Jh. schrieb Platon über den Holzmangel in Attika: <em>"Früher, als das Land noch unversehrt war, erschienen seine Berge als Erdhügel, die Täler, die jetzt steinig sind, waren von fetter Erde bedeckt, und auf den Bergen gab es viel Wald, von dem jetzt noch deutliche Spuren sich zeigen. Denn jetzt bieten einige der Berge nur den Bienen Nahrung, es ist jedoch nicht lange her, als von den Bäumen, die hier als Dachbalken für die gewaltigsten Bauten geschnitten wurden, die Dächer noch erhalten waren. Es gab viele hohe Fruchtbäume unter denen die Viehherden reichlich Futter fanden."</em> (Platon, Kritias: 111c.)
Heutzutage gilt der Mittelmeerraum als arm an Bodenschätzen. Für die Antike traf das keineswegs zu. Plinius meinte in seiner"Naturalis historia", dass fast überall im Mittelmeerraum Eisen zu finden sei. Allerdings wurden viele Erzlagerstätten von Gold, Silber und Eisen in geologisch alten Kristallin-Gebirgen schon in der Antike bis zur Neige abgebaut.
Viele Gebirge und das Fehlen großer Flüsse standen dem Landtransport im Wege und verwiesen auf den Transport zur See. Den Seetransport begünstigte die zerklüftete Küstenlinie und die vielen Inseln. Aber Seefahrt war den alten Griechen nur im Sommer möglich. Hesiod gab um 700 v. Chr. seinen Landsleuten den Rat, sich nur in den fünfzig Tagen nach der Sommersonnenwende aufs Meer zu wagen bevor die unberechenbaren Herbststürme einsetzen. Mit verbesserter Segeltechnik wurde der 50-Tage-Zeitraum allmählich ausgedehnt. Im Römischen Reich galt der Zeitraum zwischen dem 27. Mai und dem 14. September für die Schifffahrt als sicher. In spätrömischer Zeit wurde der 13. April und der 15. Oktober als Beginn und Ende des ägyptischen Getreidetransports nach Rom behördlich festgelegt.
Während der Sommermonate weht der Mittelmeerwind meist aus Nordwesten. Die griechischen Seefahrer der Frühzeit konnten noch nicht gegen den Wind kreuzen. Das wird zum Anlass für die sagenhafte Irrfahrt des Odysseus durchs westliche Mittelmeer.
Die natürlichen Bedingungen machten den alten Griechen ihr Leben nicht leicht. Dass das nicht nur ein Nachteil ist, erkannte schon Hippokrates im 5. Jh. v. Chr.: <em>"Wo das Land aber kahl, wasserarm und rauh ist und vom Winter mitgenommen und von der Sonne versengt wird, da wird man finden, dass die Menschen rank und schlank, gut gebaut, straff und dicht behaart sind, und dass sie die Aktivität lieben. Ihr Charakter und ihr Temperament ist selbstbewusst und eigenwillig. Sie neigen eher zu Wildheit als zu Sanftmut und sie sind in Handwerk und Kunst scharfsinnig und verständig und für den Krieg bestens geeignet."</em> (Hippokrates, Von der Umwelt, 24). Das lässt sich durchaus als Beschreibung der frühen Griechen lesen.
Letzter Text dieser Folge: Anfang der Warengesellschaft im alten Griechenland - Vorwort
Text von Wal Buchenberg, Illustration von frosch.

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