- Frühe Warengesellschaft03 - Gesellschaft ohne (Produktions)Sklaverei - Buchenberg, 30.11.2006, 09:31
Frühe Warengesellschaft03 - Gesellschaft ohne (Produktions)Sklaverei
--><strong>Es ist ein verbreitetes Vorurteil, dass es immer und überall in der Antike Sklaverei gegeben hätte. Es ist jedoch von der Sache her einsichtig wie von den Quellen ausreichend belegt, dass die frühen Griechen ohne Produktionssklaven wirtschafteten.
Dritter Teil meiner Serie über die Entwicklung der Warengesellschaft in Griechenland.</strong>
"Sklave" ist eine Bestimmung, die einen Menschen zur Sache erklärt, die einem anderen gehört. Sklaverei hat Gemeinsamkeiten mit der sozialen Stellung der Kinder in alten Gesellschaften, die wie Sklaven der väterlichen Gewalt der Vaters unterworfen waren.
Kinderverkauf, Kindsaussetzung und Kindstötung waren da keine Verbrechen, sondern gesellschaftlich geregelte Bräuche. Väter in Griechenland wie im frühen Rom konnten ihre Kinder verkaufen. Im frühen Rom reformierte Numa ein Gesetz <em>"welches den Vätern gestattete, ihre Söhne zu verkaufen, dass er nämlich die verheirateten Söhne ausnahm..."</em> (Plutarch, Numa). Von den Spartanern wird berichtet, dass jedes Neugeborene dem Ältestenrat zur Begutachtung gebracht werden musste: <em>"War es aber schwächlich und missgestaltet, so ließen sie es zu der sogenannten Ablage bringen, einem Felsabgrund am Taygetos. Denn sie meinen, für ein Wesen, das von Anfang nicht fähig sei, gesund und kräftig heranzuwachsen, sei es besser, nicht zu leben, sowohl um seiner selbst wie um der Gemeinschaft willen."</em> (Plutarch, Lykurgos).
Eigentum an anderen Menschen und Verfügung über ihre Arbeitskraft hat <em>"in der Familie, wo die Frau und Kinder die Sklaven des Mannes sind, schon im Keim seine erste Form.... Die freilich noch sehr rohe, latente Sklaverei in der Familie ist das erste Eigentum..."</em> (K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 32.)
Die den Kindern vergleichbare soziale Stellung von Sklaven zeigt sich auch daran, dass in späterer griechischer Zeit die Sklaven unabhängig von ihrem Alter"Bub" oder"Mädchen" gerufen wurden.
Wenn Sklaven als"sprechende Sache" bestimmt sind, die einem anderen gehört, so ist über die wirtschaftliche Verwendung und Funktion dieser Sache durch ihren Herrn noch nichts gesagt. Als Sache können Sklaven sowohl ein Spielzeug oder ein Werkzeug sein, ein Luxusgegenstand oder ein Produktionsmittel.
Spielzeug und Luxusgegenstand waren alle Sklavinnen und Sklaven, die für die private Lust und persönliche Bedienung ihres Herrn arbeiteten. Sie vermehrten nicht den Reichtum ihres Besitzers, sondern verzehrten ihn. Sie waren zusätzliche Mäuler, die gestopft, zusätzliche Körper, die bekleidet werden mussten, ohne dass sie zur Vermehrung des Lebensnotwendigen beitrugen. Sie schufen für ihren Herrn keinen Reichtum, sondern allenfalls Bequemlichkeit. Solche Luxus-Sklaverei entwickelte sich überall, wo sich Reichtum konzentrierte. Solche Luxus-Sklaverei entwickelte sich auch bald in Griechenland, vornehmlich in Korinth. Aber Luxussklaven waren Folge und Begleiterscheinung von Reichtum, nicht die Ursache von Reichtum. Luxussklaven waren geknechtet und unfrei, wurden aber nicht ausgebeutet. Hatten sie ihren Besitzer"bedient", dann lag ihre Arbeitskraft brach und wurde nicht gebraucht und nicht verwendet. <em>„Bloße Haussklaven, sei es dass sie zur Leistung notwendiger Dienste oder bloß zur Luxusparade dienen,... entsprechen unserer dienenden Klasse.“ </em>(K. Marx, Kapital II. MEW 24, 475).
Ganz anders produktive Sklaven, die in der Landwirtschaft, im Handwerk, im Transport und in Bergwerken eingesetzt wurden. Deren Arbeit war produktiv und vermehrte den Reichtum ihrer Herren. Alles, was diese Sklaven über ihren eigenen Lebensunterhalt hinaus produzierten, fiel als kostenloses Eigentum an ihren Herrn und vergrößerte dessen Reichtum. Diese produktive Sklaverei war bei den frühen Griechen nicht in Gebrauch. Die eindeutige griechische Bezeichnung für Sklave ist"doulos". Homer gebraucht dieses Wort nur ein einziges Mal für eine Frau (doulä).
Wir werden noch sehen, dass die homerische Gesellschaft längst so weit differenziert war, dass es Reiche und Arme gab, Führer und Gefolge, freie und halbfreie Arbeit in verschiedenen Abhängigkeitsstufen, die teils altersmäßig, teils geschlechtsmäßig, teils verwandtschaftlich bedingt waren. Solche Abhängigkeiten wie sie Homer oder Hesiod als <em>oiketes</em>, <em>therapon, pais oder padarion</em> aufführen, waren jedoch nicht unbedingt von Dauer. Sie waren zeitlich durch freie Vereinbarung und durch Erwachsenwerden begrenzt. Damit sind diese Abhängigkeitsverhältnisse klar von jeder Sklaverei unterschieden.
Als der tote Achilleus in der Unterwelt klagte, er wolle lieber das niedrigste Arbeitsleben auf Erden auf sich nehmen, als hier Herr in der Unterwelt sein, da fiel ihm nicht Sklavenarbeit ein, sondern bezahlte Lohndienste als Knecht (thetes) <em>"bei einem kümmerlich armen Mann ohne eigenes Ackerland"</em> (Odyssee 11, 489ff). Zu Zeiten Homers, im 8. Jh. v. Chr. nutzten die Griechen keine Arbeitssklaven.
Dieser indirekte Beleg aus der Literatur wird durch den griechischen Historiker Hekataios ausdrücklich bestätigt. Er schrieb: In alter Zeit <em>"seien die Töchter der Athener immer persönlich zur Quelle Enneakrunus gegangen - denn zu jener Zeit hätten die Athener und die anderen Hellenen noch keine Sklaven gehabt."</em> (Herodot 6,137).
Auch der Historiker Theopompos kennt eine sklavenfreie Zeit in Griechenland, indem er von dem historischen Beginn der produktiven Kaufsklaverei berichtet: <em>"Als erste Griechen nach den Thessaliern und den Spartanern setzten die Chier Sklaven ein, die sie aber nicht auf dieselbe Weise erwarben wie jene. Die Spartaner und die Thessaler schufen sich nämlich... ihre Sklavenschicht aus den Griechen, die früher das Land bewohnt hatten, das sie nun in Besitz nahmen;... Die Chier hingegen erwarben sich nichtgriechische Sklaven, für die sie Geld zahlten." </em>(Theopompos, FgrHist 115 F 122a). Diese Chier wurden später nicht von ungefähr als die"reichsten Griechen" bezeichnet (Thukydides 8, 45,4)
Man soll nicht annehmen, dass die frühen Griechen keine Arbeitssklaven machten, weil ihnen das irgendwie als"Unrecht" erschien. Die alten Griechen machten noch keine männliche Sklaven, weil sie dazu noch nicht"zivilisiert" genug waren. Sie waren so barbarisch, dass sie noch keine Verwendung für männliche Sklavenarbeit hatten. Sie hatten ihre Arbeitsteilung noch nicht so weit entwickelt, dass sie in der Lage gewesen wären, (männliche) Sklaven in der produktiven Arbeit einzusetzen. Wo (fast) jeder alles kann und (fast) alles tut, bleiben nur wenige einfache Tätigkeiten übrig, die für Sklavenarbeit in Frage käme - Tätigkeiten, die auch Kinder erledigen können als Hirte oder Arbeiten im Haus.
Im Haushalt des"königlichen" Odysseus waren rund 50 mehr oder minder Abhängige beschäftigt. Nur ein einziger davon war ein Sklave, der Schweinehirt Eumäos. Dessen Schicksal als ehemaliger Königssohn wird jedoch als besondere Ausnahme hingestellt.
Was machten die frühen Griechen mit ihren Feinden?"Kümmernisse so viele passieren den Menschen, deren Stadt erobert wird: Die Männer töten sie, die Stadt vertilgt das Feuer, die Kinder und Frauen führen sie hinweg." (Ilias 9, 591-594). Oder:
"Patroklos! Ja, du sagtest wohl, du würdest nun die Stadt vernichten und den troischen Frauen die Freiheit rauben und sie mitführen in den Schiffen ins eigene väterliche Land!" (Ilias 16, 830-832).
Stolz erzählte Odysseus: <em>"Von Ilion her trug mich der Wind und brachte mich zu den Kikonen, nach Ismaros. Dort zerstörte ich die Stadt und tötete die Männer. Und als wir aus der Stadt die jungen Frauen und viele Güter genommen hatten, verteilten wir sie unter uns."</em> (Odysseus 9, 40ff).
Die homerischen Schlachtszenen vor Troja triefen von männlichem Blut: <em>"Tros aber, der Alastor-Sohn, der kam dem Achilleus entgegen zu seinen Knien, ob er ihn wohl ergriffe und verschonte und lebend entließe und ihn nicht tötete... Der Kindische!... Er fasste mit den Händen die Knie, begehrend, ihn anzuflehen. Doch der stieß ihn mit dem Schwert in die Leber, und heraus glitt die Leber, und das schwarze Blut erfüllte von ihr die Falten des Gewands, und Tros umhüllte Dunkel die Augen, und das Leben verging ihm. Achilleus aber stieß den Mulios, herangetreten, mit dem Speer in das Ohr, und sogleich fuhr durch das andere Ohr die eherne Spitze. Und er hieb dem Agenor-Sohn Echeklos mitten über den Kopf mit dem geknauften Schwert, und das ganze Schwert wurde heiß vom Blut, und die beiden Augen ergriff ihm der purpurne Tod und das übermächtige Schicksal. Und den Deukalion dann - wo die Sehnen zusammenhalten des Ellenbogens, dort durchbohrte er ihm seinen Arm mit der ehernen Spitze. Der aber hielt ihm stand mit beschwertem Arm, vor sich sehend den Tod. Doch der schlug ihm mit dem Schwert in den Hals, und weit weg warf er das Haupt mitsamt dem Helm, und das Rückenmark spritzte aus den Wirbelknochen, und der lag am Boden hingestreckt."</em> (Ilias 20, 463-483).
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Falls die frühen Griechen doch Kriegsgefangene machten, dann nicht, um Sklavenarbeit auszubeuten, sondern um sie in die Fremde zu verkaufen.
<em>"Da begegnete Achilleus (auf dem Schlachtfeld vor Troja) dem Sohn des Priamos,... Lykaon. Den hatte er selbst einst gefangen und fortgeführt aus dem väterlichen Garten, wider seinen Willen... Und damals verkaufte er ihn in die gutgebaute Stadt Lemnos, weggeführt zu Schiff, und der Sohn des Jason gab den Kaufpreis..."</em> (Ilias 21,34-42)
Über Achilles klagte auch die Troerin Hekabe: <em>"Denn andere von meinen Söhnen hat der pfeilschnelle Achilleus verkauft, wenn er einen fing, über das Meer,... nach Samos und nach Imbros und in das dunstige Lemnos."</em> (Ilias 24, 751ff).
Diese Griechenstädte waren zunächst nur Umschlagsplätze für Kriegsgefangene, die in den Orient weiter verkauft wurden. In der Bibel lesen wir von dem Propheten Hesekiel an der Wende zum 6. Jahrhundert über die phönizische Stadt Tyros: <em>"Die Jonier... haben mit dir gehandelt und Sklaven und Geräte aus Kupfer als Ware gebracht."</em> (Hesekiel 27, 13.)
Schutzlose Griechen gerieten im 8. Jh. ebenfalls in die Lage in Sklaverei verkauft zu werden, aber sie mussten in der Fremde verkauft werden. Die bösen Freier auf Ithaka überlegten<em>:"So werfen wir diese Fremden in ein vielrudriges Schiff und schicken sie zu den Sikelern; dort werden sie einiges einbringen." </em>(Odyssee 20, 383f). Der Ziegenhirt von Odysseus will seinen"Vorarbeiter" auf diese Weise los werden: <em>"Den werde ich noch mal auf einem gutverdeckten schwarzen Schiff von Ithaka weit weg führen, dahin, wo er mir viel Güter einbringen könnte."</em> (Odyssee 17, 249f).
Dass für die Griechen Homers der Sklavenmarkt eine Sache des fremdsprachigen Auslands war, zeigt auch die Entführungsgeschichte, wo eine ungetreue Amme erzählt<em>:"Ich ziehe den Knaben eines edlen Mannes in den Hallen auf, einen recht geweckten, der mir aus dem Hause vertrauensvoll nachläuft. Den brächte ich wohl auf das Schiff, und er mag euch zehntausendfachen Kaufpreis bringen, wo ihr ihn auch bei fremdsprachigen Menschen verkaufen möget."</em> (Odyssee 15, 449-452).
Wo in früher Zeit von Sklaven bei den Griechen die Rede ist, sind in aller Regel Frauen gemeint, nicht männliche Arbeitssklaven.
Vergewaltigung der Frauen war dagegen gleichermaßen Siegespreis wie Siegeszeichen:<em>"Drum dränge keiner eher darauf, nach Hause zu kehren, ehe er nicht bei einer der troischen Frauen geschlafen..."</em> (Ilias 2, 354f.) Den Homerischen Helden war mehr daran gelegen, Frauen zu rauben als sie zu kaufen: <em>"Troerinnen und Dardanerfrauen..., die wir selber mit Mühe erwarben mit Gewalt und dem Speer, dem langen, als wir fette Städte zerstörten...."</em> (Ilias 18, 339-342) Die koloniale Expansion der Griechen war ohne Frauenraub nicht durchführbar: <em>"Diejenigen Jonier aber, die einst direkt vom Prytaneion in Athen herübergekommen waren,... haben bei ihrer Auswanderung keine Frauen mitgenommen, sondern Karerinnen geheiratet, deren Väter sie erschlugen."</em> (Herodot 1, 146). Von den frühen Spartanern heißt es pauschal: <em>"Man heiratete durch Raub..."</em> (Plutarch, Lykurgos) Kein Wunder, dass die anfangs geachtete soziale Stellung der griechischen Frau sich später kaum von der Stellung einer Sklavin unterschied.
Reste davon erhalten sich lange: <em>"Es besteht auch bis heute noch die Sitte, dass die Braut nicht selbst die Schwelle des Hauses überschreitet, sondern hinübergehoben wird, weil die Frauen auch damals gewaltsam hineingetragen wurden, nicht freiwillig hineingingen."</em> (Plutarch, Romulus).
Die frühe griechische Gesellschaft kannte weibliche (Luxus)Sklaverei, wirtschaftete und produzierte aber bis zum 6. Jahrhundert im wesentlichen ohne männliche Produktions-Sklaven:"<em>Die kleine Bauernwirtschaft und der unabhängige Handwerksbetrieb.... bilden zugleich die ökonomische Grundlage der klassischen Gemeinwesen zu ihrer besten Zeit, nachdem sich das ursprünglich orientalische Grundeigentum aufgelöst und bevor sich die Sklaverei der Produktion ernsthaft bemächtig hat." </em>(Kapital I, S. 354, Anm. 24).
Text von Wal Buchenberg, Illustration von frosch.
<strong>Vorherige Texte dieser Folge über die Entwicklung der Warengesellschaft in Griechenland:</strong>
01 Vorblick auf das kurze griechische Wirtschaftswunder
<a href=http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/369131.htm>02 Natürliche Grundlagen in Griechenland</a>

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