- Irak: Bürgerkrieg, Bush sei Dank - kosh, 01.12.2006, 16:55
- Re: Irak: Bürgerkrieg / Besserwissereien und Brillengläser - zureich, 01.12.2006, 19:11
- Re: Irak: Bürgerkrieg / Besserwissereien und Brillengläser - kosh, 01.12.2006, 21:01
- Re: Irak: Bürgerkrieg / Allmend... - zureich, 03.12.2006, 14:08
- Re:"Intraday Kreuze" - wat´n dat nu???? - 000, 03.12.2006, 00:43
- Re:"Intraday Kreuze" - wat´n dat nu???? - zureich, 03.12.2006, 14:39
- Re: Irak: Bürgerkrieg / Besserwissereien und Brillengläser - kosh, 01.12.2006, 21:01
- Re: Irak: Bürgerkrieg / Besserwissereien und Brillengläser - zureich, 01.12.2006, 19:11
Re: Irak: Bürgerkrieg / Besserwissereien und Brillengläser
-->Hallo zureich
Interessant, das auch mal von einer wissenschaftlichen Seite beleuchtet zu bekommen. Keine Ahnung ob's ausser mir jemandem was bringt, ich habe versucht die Bürgerkriegskriterien zu kommentieren.
-... two main criteria. The first says that the warring groups must be from the same country and fighting for control of the political center, control over a separatist state or to force a major change in policy.
Wofür dort unten gekämpft wird? Anfangs tischte man uns Terrorismus auf, also ziemlich diffuse Ziele, danach war es Widerstandskampf, also konkret alle gegen die Besatzer, neu soll es Bürgerkrieg sein. Auf der Grundlage von rund 50 rivalisierenden Stämmen und der Schlussfolgerung, der Irak war seit je ein künstliches Gebilde, dürfte man mit einem Mix aus Widerstand und Bürgerkrieg am ehesten klar kommen. Nach allem, was man so lesen durfte, habe ich den Eindruck, dass mit dem Fall Saddams die eiserne Faust, welche alles mehr schlecht als recht zusammenhielt, schlagartig wegfiel und das Bürgerkriegspotential in seiner ganzen Breite offenlegte. Es folgten Übergangsjahre, in denen man zunächst einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen hatte, darum auch der starke Eindruck von Widerstand. Seit man sich der alten Rivalitäten gewahrer wurde, versucht man trotz unterschiedlicher Auffassungen via Koalitionen den Widerstand aufrecht zu erhalten.
Während der gesamten Zeit intrigierten sowohl die USA als auch deren irakische Kollaborateure asymmetrisch, zB. wurden Kurden weitgehend verschont, während man Sunniten oder Schiiten je nach Bedarf verprellte oder förderte. Auf die Parzellen der Stämme heruntergerechnet entstanden Provinzen mit unterschiedlichen"Entwicklungs"-Geschwindigkeiten.
Ich bin der Meinung, dass man den Irak für eine Untersuchung in Gebiete aufteilen müsste, welche alle einzeln analysiert werden. Dort, wo der Durchmischungsgrad der muslimischen Sekten hoch ist, dürfte es sich eher um Bürgerkrieg handeln, andernorts eher um Widerstand.
- The second says that at least 1,000 people must have been killed, with at least 100 from each side.
Dieses starre Kriterium (keine Rücksicht auf Bevölkerungsgrösse) müsste selbst vom Pentagon als erfüllt betrachtet werden.
- -> Die Wirtschaft bestimmt das Konfliktpotential, ethnische Aspekte sind wichtig für die Erklärung wo entlang die Konfliktlinien verlaufen, ethnische Aspekte allein können den Ausbruch von Bürgerkriegen aber (jedenfalls statistisch) nicht erklären.
Im Fall des Irak haben wir es mit einem für mittelöstliche Verhältnisse beispiellosen wirtschaftlichen Fall zu tun. Ethnische Aspekte würde ich behaupten, haben das Konfliktpotential um die brachen Ressourcen zumindest gefördert.
- 'Neotrusteeship' als neue Art des Imperialismus. Neotrusteeeship unterscheidet sich vom Imperialismus darin, dass nicht einzelne Kollonialmächte Kontrolle über Territorien ausüben, sondern Kollektive von Staaten.
... Gelöst werden die Bürgerkriege deshalb durch kollektive Instrumente, wie UNO.
Ich versuche jeweils, mit bekannten Begriffen auszukommen. Soviel ich weiss, ich bin da wirklich nicht bewandert, haben z.B. schon die alten Römer das römische Bürgerrecht gezielt verliehen, um als stärkstes Glied in einem Kollektiv ihre Macht zu verfestigen. Ich kann nicht beurteilen, ob aus wissenschaftlicher Warte diese Wortkreation notwendig geworden ist, für den Alltag genügt mir ein schlichtes"Imperialismus". (Ich verstehe den Bedarf der reinen Lehre, den modernen Imperialismus einer ansprechenden akademischen Arbeit zuzuführen, aber gerade aus Sicht der Propaganda ist das nicht wünschenswert.)
- Diese kollektiven Instrumente (oder besser Organisationen und Istitutionen) funktionieren schlecht, weil ihnen die Mitgliedsländer wenig Unterstützung zukommen lassen - niemand gibt viel, weil es ihm nicht mehr bringt, der Vorteil eines beendeten Bürgerkrieges nützt allen gleich viel.
Man könnte auch sagen, die kollektiven Instrumente funktionieren gut, gerade weil die Unterstützung schlecht ist. Ausserdem, bedenkt man den Fall Irak, könnte man auch sagen, je weniger man unterstützt, desto besser das Preis-Leistungsverhältnis. Dieses Phänomen erinnert mich nämlich stark an das Allmend-Prinzip: Gewinne auf Kosten Anderer. Nebenher wird der Konkurrent geschwächt, was die eigene Position relativ stärkt.
So, es war sehr interessant, sich damit zu befassen, aber jetzt bereite ich erstmal unser Abendbrot.
Grüsse
kosh

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