Re: Höchstpersönliche Jugend-Erinnerungen ans Kreissackbefummelungsamt

verfasst von albert, 04.02.2007, 00:20

-->Hallo lieber Baldur,

meine Story ist auch nicht von schlechten Eltern.

Kaum aus belgischem Internat zurück nach Deutschland zur Weiterbildung an einer Höheren Handelsschule, kam eines Tages zu meinen Eltern eine weisse Karte eingeflogen mit der unfreundlich gehaltenen"Einladung", ich habe dann und dann beim Kreiswehrersatzamt zwecks Musterung anzutreten.

Der ganze Stil war überhaupt nicht nett und kontrastierte ziemlich mit dem Laisser-Faire und Bürgerrechtsgequatsche an der Schule. Nix Bürgerrecht:...Haben am xx.xx.xxxx beim Amt um xx Uhr zur Musterung zu erscheinen hieß es da barsch.

Also ich hatte ziemliche Panik nochmals in Internatsähnliche Zustände zu geraten und wäre zur Not nach Grönland ausgewandert, ehe ich abermals in einen solchen Verein beigetreten wäre. Flugs schrieb ich in zwei Nächten so um die 40 Bewerbungen nach Berlin für eine Lehrstelle, erhielt diese dann auch, meldete mich dort an, und meine Eltern ließen die Karte zurückgehen mit der formal richtigen Bemerkung, ich sei nun in Berlin gemeldet, was so um 1978 eigentlich die Freistellung bedeutete.

Warum auch immer bekamen die Brüder aber raus, das ich weiter in meiner Heimatsstadt verweilte zwecks Erledigung der restlichen Monate bis zum Schulabschluß.

Nun passierte es mehrfach, das beim Verlassen des Hauses oder Betreten/Verlassen der Schule versucht wurde, mir den Musterungsbescheid persönlich zu übergeben, worauf ich das Haus nur noch per Fahrrad aus der Einfahrt verließ usw.. Einmal mußte ich in einem Restaurant den befreundeten Wirt befragen, über die Küche verschwinden zu können, da die Feldjäger mir abermals auf den Fersen waren. War ziemlich unheimlich und ich begann, mich immer öfters umzudrehen, ob nicht wieder ein Feldjägereinsatz in meiner Nähe sei..

Schlußendlich wählte das Amt dann den Weg der Zustellung über die Schulbehörde und den Klassenlehrer, womit die Sache rechtskräftig zugestellt wurde.

Nun nahm ich eine Anwältin, von der ich im Nachhinein erfuhr, das diese offenbar auch Terroristen verteidigte. Von da an ging es richtig zur Sache, wahrscheinlich genießen in solchen Fällen alle Kunden einer solchen Kanzlei eine Spezialbehandlung.
Zwischenzeitlich schlief/wohnte ich bei einer Freundin und beim Versuch das Haus zu verlassen, standen wieder Feldjäger vor der Tür. Ich lief zurück in die Wohnung und rief die Anwältin an. Während des Gespräches hatte ich plötzlich parallel den Hauseigentümer in der Leitung, offenbar vom Amt alarmiert, was ich dort zu suchen habe usw. Die spätere Kontrolle des Telefonkästchen im alten und verstaubten Keller ergab, das hier frische Fingerabdrücke darauf waren und es zumindest auch dort Manipultionen gegeben hatte. Die Verständigung und Beschwerde bei der Post brachte selbstredend kein Ergebnis.
Zur Musterung brachte ich dann jede Menge Atteste bei (Scheuermann, Senkfuß usw.) und dennoch wurde ich tauglich eingestuft. Fummelei selbstredend inklusive. Beim anschließenden"Briefing" durch etwa 5 ältere Personen, die mir leicht hämisch lachend und neugierig ob des Falles erschienen, wurde immerhin ein Zurückstellen des Wehrdienstes für die Zeit der Ausbildung eingeräumt.
Hier muß ich mich an dieser Stelle wohl nochmals bedanken, denn sicherlich hätte es mir übler ergehen können.
In Berlin erreichte mich dann etwa 2 oder 3 Jahre später Post ohne Absender von der Bundeswehr. Ein Verstoß gegen das Viermächtegesetz, das die Zustellung von Bundeswehrpost untersagte. Ein dortiger Anwalt legte Beschwerde ein mit dem Hinweis, beim nächsten Mal die Russen dazu zu informieren. Außerdem wurde mitgeteilt, das ich nun dauerhaft in Berlin bliebe usw.

Hab dann nix mehr von denen gehört und konnte somit die Ausbildung und das Studium in Berlin beenden. Tatsächlich hätte ich wohl auch keinerlei Nutzen durch die Bundeswehr gehabt, denn den Führerschein hatte ich bereits und Bomben bauen oder ähnlich fundamentale Ausbildung wurde dort meines Wissens den einfachen Rekruten nicht beigebracht. Also eine glatte Verschwendung an Zeit und schlechtes Essen und den Verlust der Freiheit kannte ich durch das Internat schon zur Genüge.


Liebe Grüße

Albert

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    • Re: ach Baldur............. - Baldur der Ketzer, 04.02.2007, 17:56