- "Das kranke Geld" - Bodo, 21.01.2001, 17:56
- Re:"Das kranke Geld" - sehr gut, aber was sagen junge Leute dazu? Revolution? - dottore, 21.01.2001, 18:59
- Re: danke für diesen mutigen, offenen Beitrag....... mkT - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 19:21
- Re:"Das kranke Geld" - DER MEILENSTEIN ÜBERHAUPT! - JüKü, 21.01.2001, 19:36
- Re:"Das kranke Geld" - sehr gut, aber was sagen junge Leute dazu? Revolution? - Diogenes, 21.01.2001, 20:17
- Re: Demokratie ist nur die zweitbeste Regierungsform. Die bessere ist... - Josef, 21.01.2001, 20:25
- Re: Demokratie ist nur die zweitbeste Regierungsform. Die bessere ist... - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 21:24
- Lied der Linde? - Diogenes, 21.01.2001, 21:43
- Re: Das Lied der Linde - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 22:42
- Re: Das Lied der Linde - JüKü, 21.01.2001, 22:56
- Re: Das Lied der Linde - sehr schönes Gedicht, Baldur! - nereus, 21.01.2001, 23:19
- Re: Das Lied der Linde - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 23:24
- Mit den Prophezeiungen für die Zukunft beschäftige ich mich seit ein paar... - Kallewirsch, 22.01.2001, 06:12
- Re: Mit den Prophezeiungen für die Zukunft beschäftige ich mich seit ein paar... - Baldur der Ketzer, 22.01.2001, 09:16
- Mit den Prophezeiungen für die Zukunft beschäftige ich mich seit ein paar... - Kallewirsch, 22.01.2001, 06:12
- Danke, ist ja starker Tobak. (owT) - Diogenes, 22.01.2001, 12:00
- Re: Das Lied der Linde - JüKü, 21.01.2001, 22:56
- Re: Das Lied der Linde - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 22:42
- Lied der Linde? - Diogenes, 21.01.2001, 21:43
- Re: Demokratie ist nur die zweitbeste Regierungsform. Die bessere ist... - Diogenes, 21.01.2001, 21:37
- Re: Demokratie ist nur die zweitbeste Regierungsform. Die bessere ist... - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 22:12
- Re: Demokratie ist nur die zweitbeste Regierungsform. Die bessere ist... - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 21:24
- Re:"Das kranke Geld" - sehr gut....kraft den Mutlosen! - Lizzy, 21.01.2001, 21:18
- Re: u.a. @dottore: Buchtips und Quellen - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 23:20
- Re:"Das kranke Geld" - sehr gut, aber was sagen junge Leute dazu? Revolution? - Rudow, 21.01.2001, 23:32
- Re:"Das kranke Geld" - sehr gut, aber was sagen junge Leute dazu? Revolution? - Baldur der Ketzer, 21.01.2001, 23:58
- Re: Das sagen sie - Rumpelstilzchen, 22.01.2001, 07:38
- Re:"Das kranke Geld" - sehr gut, aber was sagen junge Leute dazu? Revolution? - dottore, 21.01.2001, 18:59
Re:"Das kranke Geld" - sehr gut, aber was sagen junge Leute dazu? Revolution?
>Oder kann mir jemand erklären, warum es in der Geschichte so oft Demokratien oder demokratische Versuche gegeben hat - und alle sind zu Schanden geworden bzw. untergegangen?
>Graue Abendgedanken, in der Tat. Es war wohl nicht mein Sonntag.
>Gruß und von Herzen GOOD LUCK für jeden hier!
>d.
Hallo dottore et al.,
da in diesem Forum ein lobenswerter Platz ist für die Diskussion massenpsychologischer Phänomene möchte ich folgenden Gedanken ins Spiel bringen.
In Demokratien ist - wie in keiner anderen Staatsform - die öffentliche Meinung ein entscheidender Politikfaktor. Insofern war auch die DDR ein quasi-demokratischer Staat, weniger wegen der vergeblichen Versuche der Staatsführung, die öffentliche Meinung zu steuern, als vielmehr durch die Tatasache, dass die öffentliche Meinung in der DDR eben durch die Regierung nicht steuerbar war. Der DDR-Bürger konnte sich seine Meinung auch durch die Westmedien und durch Westkontakte bilden und war darum >informiert<. Entscheidend für eine Bewegung zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse war eigentlich durchgängig die Fragen, ob denn die Veränderungswünsche der Individuen 1) auf den Widerstand der staatlichen Gewalt stoßen würden oder nicht, und 2) ob genügend viele Individuen bei einer Umsturtzbewegenung mitmachen würden.
Der Punkt 1) klärte sich durch Gorbashew.
Die Kenntnis über den 2. Punkt hing entscheidend davon ab, welche Möglichkeiten der Veröffentlichung der Präferrenzen bestanden. Diese wurden staatlich eingeschränkt und machten die Angelegenheit äußerst schwierig; die Westmedien konnten hier aber Brücken bilden.
Wenn es einer interessierten Gruppe gelingt, die veränderungswilligen Bürger zu einer öffentlichen Präferrenzverfälschung zu verleiten, dann entsteht eben der Einduck bei den Vielen, dass eigentlich die Mehrheit einen bestimmten Zustand (der Ruhe) anstrebt. Da man bekanntlich als Minderheit keine Revolution machen kann, läßt man es eben und versteigt sich aufs Hoffen (>Die Hoffnung, dass die Nummer noch zu retten ist (Reform, Reform!), lasst bitte fahren! Was allerdings zu hoffen ist: Sie lässt sich noch lange genug stretchen (das hoffe ich persönlich als EGOIST auch!<)und Harren.
> Was folgt daraus? Absoluter System-Zynismus!<
Genau.
Warum also nicht den Versuch machen, den Präferrenzverfälschungen auf den Grund zu gehen und die Elemente zu diagnostizieren, die zu solchen Präferrenzverfälschungen beitragen?
Vielleicht ist es ja nur der Aufkleber auf einem Kugelschreiber?
(Oder die hämmernde Wiederholung bestimmter Vorurteile in den Massenblättern?)
Grüße
von Rudow
-----------schnipp----------
In der erregten Atmosphäre eines Wahlkampfes senden soziale Zwänge, die die eine oder andere Seite begünstigen, oft irreführende Signale über den Ausgang der bevorstehenden Wahl aus. Die dadurch ausgelösten Präferenzverfälschungen können Vorwahlumfragen verzerren, vor allem wenn die Interviewer im Verdacht gefährlicher einseitiger Parteinahme stehen. Ein typischer Fall ist eine Umfrage der Washington Post-ABC News, die zehn Tage vor den nicaraguanischen Wahlen von 1990 abgeschlossen wurde. Sie gab dem Sandinistischen Präsidentschaftskandidaten Daniel Ortega einen Vorsprung von 16 Prozentpunkten vor Violeta Chamorro, der Kandidatin der Uno-Oppositionsallianz. Nach anderen Umfragen lag Ortega sogar noch weiter vorn. Bei den Wahlen selbst aber siegte Chamorro mit einem Vorsprung von 14 Prozent. Noch kurz vor den Wahlen hatten zahlreiche Nachrichtenagenturen, die die Hochrechnungen für bare Münze nahmen, die Sandinistischen Führer interviewt, um mit ihnen zu diskutieren, wie sie ihren sicheren Sieg auszunutzen gedächten. Als die einzigen Umfragen, die ungefähr richtig lagen, erwiesen sich jene, die von Organisationen stammten, die mit der Uno-Allianz - tatsächlich oder in der Vorstellung der Leute - liiert waren.17 Ausländische Nachrichtenagenturen hatten sie freilich als parteiisch abgetan. Sie waren daher über Chamorros Sieg kaum weniger erstaunt als über den Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa nur wenige Monate zuvor.18
Ein raffiniertes Experiment, das von Katherine Bishoping und Howard Schuman geleitet wurde, weist auf die Quelle der Konfusion hin.19 Ein paar Wochen vor der Wahl führten sie 300 Interviews durch, alle in identischer Form bis auf den Typ des Kugelschreibers zur Aufzeichnung der Antworten. In einem Drittel der Interviews benutzte der Interviewer einen Kugelschreiber in den rotschwarzen Farben der Sandinisten mit der Aufschrift »DANIEL ORTEGA PRESIDENTE«, in einem anderen Drittel war der Kugelschreiber blau und weiß in den Farben der Opposition und trug die Aufschrift »Uno«; im letzten Drittel hatte er eine neutrale Farbe ohne Aufschrift. Weder lenkten die Interviewer die Aufmerksamkeit auf ihre Kugelschreiber noch gaben sie Hinweise auf ihre eigenen politischen Sympathien. Dennoch zeigen die Ergebnisse, daß die Kugelschreiber die Befragten beeinflußten. Wenn der Interviewer einen Sandinista-Kugelschreiber in der Hand hielt, betrug der Vorsprung Ortegas bei den Befragten 26 Prozent. Auch mit neutralem Kugelschreiber lag Ortega um 20 Punkte vorn. Anders dagegen, wenn der Interviewer einen Uno-Kugelschreiber benutzte: dann schnitt Chamorro um 12 Punkte besser ab.
Mit Uno-Kugelschreiber kamen die Interviews also dem Wahlergebnis ziemlich nahe, während sie mit Sandinista-Kugelschreiber die höchst ungenauen Vorwahlumfragen reproduzierten. Bemerkenswert ist, daß sie mit neutralem Kugelschreiber ein ähnliches Resultat wie mit SandinistaKugelschreiber erbrachten. Bishoping und Schuman meinen, daß die Wähler nach einem Jahrzehnt Sandinistischer Repression die Interviewer eher für regimetreue Aktivisten hielten, wenn nicht Anzeichen existierten, die das Gegenteil bewiesen. Wenn ihre These richtig ist, haben wir eine Erklärung für die eklatante Abweichung der Washington Post-ABC News-Umfrage. Gerade weil sie von um ein neutrales Image bemühten Interviewern durchgeführt wurde, hielten es Uno-Sympathisanten für klug, ihre privaten Präferenzen zu verheimlichen. Offensichtlich hatten eine Reihe von ihnen nur dann den Mut, ihre privaten Präferenzen preis-zugeben, wenn die Interviewer Verbindungen zur Uno-Allianz zu signalisieren schienen.2°
Wie der Parkplatztest identifiziert auch der Kugelschreiber-Test Ängste und sensible individuelle Dispositionen. Er weist auf mögliche Diskrepanzen zwischen privater und öffentlicher Meinung hin. Da geheime Wahlen die private Meinung messen, liefern Umfragen zur Voraussage von Wahlergebnissen irreführende Prognosen, wenn die Befragten sich nicht trauen, ehrlich ihre Meinung zu sagen. Selbstredend ist die Interpretation einer Umfrage, die dazu konzipiert wurde, um Präferenzverfälschungen zu verhindern, alles andere als eine mechanische Angelegenheit. Ein Meinungsforscher ohne Kenntnis der nicaraguanischen Politik hätte durchaus die Uno-Allianz als Quelle der Furcht bestimmen können, da nicht die Interviews mit dem Sandinista-Kugelschreiber, sondern die mit dem Uno-Kugelschreiber drastisch von jenen mit neutralem Kugelschreiber abwichen. Man muß die Geschichte der Sandinistischen Herrschaft kennen, um zu begreifen, daß ein um ein neutrales Image bemühter Interviewer in der Regel als pro-Sandinistisch wahrgenommen wird. Damit zusammen hängt, daß einmal identifizierte Präferenzverfälschungen sich nicht immer selbst erklären. Meinungsforscher, die sich einig sind, daß ein Experiment weitverbreitete Präferenzverfälschungen aufgedeckt hat, können gleichwohl geteilter Meinung darüber sein, was verheimlicht wird.
(Aus: Tiur Kuran, Leben in Lüge. Präferrenzverfälschungen und ihre gesellschaftlischen Folgen. Mohr Siebeck, 1997. ISBN 3-16-146424-9. S.412 ff)
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