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OT: Klima - Zum Nachdenken
-->Die Savanne beginnt in Paspels GR
VON CARL JUST
28.04.2007 | 23:03:22
Wälder brennen, Felder und Wiesen verdorren, Pegelstände von Flüssen und Seen sinken, sogar Existenzen sind bedroht. Die SonntagsBlick-Reporter Carl Just (Text) und Paolo Foschini (Fotos) berichten von den Hotspots der Schweiz.
Andi Obrecht ist eher verzweifelt als wütend: «Dass sich das Klima rasant verändert, erleben wir jetzt schon im fünften Jahr am eigenen Leib. Das kann einfach niemand mehr abstreiten!» Der Präsident des Bauernvereins im bündnerischen Domleschg zeigt traurig auf ein braunes Büschel vertrockneten Klees, das er an der San-Bernardino-Autobahn bei Paspels GR aus einem Acker gerissen hat.
Der kantonale Landwirtschaftsberater Batist Spinatsch steht neben ihm: «Die Wurzeln dieser Sorte wachsen zwei Meter in den Boden. Wenn selbst dieser Klee nicht mehr gedeiht, muss der Boden wirklich trocken sein.» An den Rändern des Feldes steht der Klee 20 Zentimeter hoch, in der Mitte klafft ein hässliches, braunes Loch. Es wird jeden Tag grösser. Hier beginnt die Savanne. Seit dem Hitzesommer 2003 ernten die Bauern hier nur noch 60 Prozent der normalen Futtermittel-Menge. Sie müssen Heu zukaufen - oder einen Teil ihres Viehs schlachten.
Um zu verhindern, dass das liebliche Domleschg vollends zur Wüste wird, planen die Bauern jetzt die grösste Bewässerungsanlage der Schweiz - gut 500 Hektaren sollen aus einem Kraftwerkstollen berieselt werden, der durch das Tal führt: mit einer Million Kubikmeter Wasser pro Jahr.
Nicht weniger dramatisch ist die Lage im sonnigen Wallis. Die Doveria am Südhang des Simplon, die noch 2000 mit ihrem Hochwasser das Grenzdorf Gondo in die Katastrophe riss, ist bis auf ein klägliches Rinnsal ausgetrocknet. An den Hängen über Brig versuchen die Landwirte mit riesigen Wasserkanonen zu retten, was zu retten ist.
Mittlerweile ist es in 22 Schweizer Kantonen verboten, im Freien Feuer zu entfachen. Mit Erfolg: Bis auf einen Waldbrand über Ronco TI am Lago Maggiore, der allerdings riesig war, blieben grössere Brände aus. Und auch die Feuersbrunst in den Bergen über Ascona TI und Brissago TI konnte am Donnerstag gelöscht werden - die Pompieri di Montagna, die Bergfeuerwehr der Region, und fünf Helikopter, die vier Tage pausenlos Einsätze flogen, hatten ganze Arbeit geleistet.
Auch im Bündner Südtal Puschlav wird die anhaltende Dürre für die Bauern mehr und mehr zur Überlebensfrage: Hier blieben seit 2003 ein Drittel der Niederschläge aus. Weil im Winter wenig Schnee lag und die Hitze schon im April einsetzte, droht diesen Sommer die Katastrophe, befürchtet der junge Bio-Landwirt Thomas Compagnoni in San Carlo GR. Mit seinem Partner investierte er kürzlich eine Million Franken in einen neuen Stall: «Eine Zeit lang hätte ich den Fernseher am liebsten zum Fenster rausgeschmissen. Die Wetterkarte zeigte nur Sonne, Hitze und Trockenheit», so Compagnoni. Seit auf den «Meteo»-Karten wieder ab und zu eine Gewitterwolke auftaucht, schöpft der junge Bauer etwas Hoffnung: «Aber wenn es nicht bald und ausgiebig regnet, stehen viele Betriebe im Tal vor dem Aus, die Jungen müssen wieder abwandern.»
Und noch etwas sagt Compagnoni: «Der Klimawandel bedroht unsere Existenz, schneller und dramatischer als erwartet.»

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