- Kielholz(CS):"Null-Risiko-Gesellschaft ist eine kontinentaleuropäische Illusion" - certina, 15.10.2007, 09:07
Kielholz(CS):"Null-Risiko-Gesellschaft ist eine kontinentaleuropäische Illusion"
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[b]<font size="5"> Eine Null-Risiko-Gesellschaft ist eine Illusion</font>
Nicht wenige bezeichneten Walter Kielholz als einflussreichsten Schweizer an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik. Klar, dass der Verwaltungsratpräsident der Großbank Credit Suisse auch nicht fehlen wird, wenn sich in dieser Woche die wichtigsten Köpfe der Finanzwelt in Washington treffen, auf dem Jahrestreffen von Weltbank und IWF. Sicher ist, daß die Kreditkrise das beherrschende Thema sein wird.[/b]
Frage: Herr Kielholz, wie oft wurden Sie in den letzten Wochen von Freunden und Bekannten gefragt, ob deren Geld noch sicher bei der Bank sei?
Walter Kielholz: Kein einziges Mal.
Kein einziges Mal?
Kielholz: Das Erstaunliche ist ja, daß die Krise an den Kreditmärkten die reale Wirtschaft gar nicht erreicht hat.
In England gab es lange Schlangen vor den Filialen der angeschlagenen Northern-Rock-Bank.
Kielholz: das stimmt. Das war aber die Ausnahme.
Und was ist mit den Milliarden, die einige Investmentbanken nun abschreiben müssen?
Kielholz: Daß heißt aber ja nicht, dass sie kurz vor der Pleite stehen, und es für die Kunden Anlass gibt, sich Gedanken zu machen.
Was ist denn für Sie die bitterste Erkenntnis dieser Krise?
Kielholz: Ich hätte nach 30 Jahren im Geschäft nie gedacht, der Handel der Banken untereinander derartig abgebremst werden könnte. Vielfach traute keiner mehr dem anderen. Jetzt fragt sich jedoch auch noch jeder: Wer hat welche Risiken.
.....ja, Risiken aus wackeligen US-Immobilienkrediten, die Investmentbanken mithilfe komplizierter Finanzinstrumente an Anleger rund um den Globus verkauft haben. Sind diese Banken nicht selbst schuld?
Kielholz: Es wäre zu einfach, uns Produktlieferanten den Schwarzen Peter zuzuschieben. Sicherlich waren die Instrumente sehr komplex. Doch nicht der Kleinanleger ist jetzt betroffen. Es sind professionelle Investoren, darunter auch andere Banken, die eigentlich hätten wissen müssen, was sie machen....
War die Gier zu groß?
Kielholz: Zum Teil sicherlich auch Gier und Unkenntnis., das können Sie jetzt nennen wie Sie wollen. Jetzt kommt es darauf an, das wir die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Vertrauen lässt sich nur durch erhöhte Transparenz zurückgewinnen.
Das Thema wird e das Treffen der Finanzminister, der Notenbankgouverneure und Bankenvorstände kommende Woche in Washington dominieren. Was erwarten Sue denn jetzt vom Gipfel des Währungsfonds?
Wir müssen uns überlegen, wie wir künftig Schaden vom Finanzsystem fernhalten können. Um es klar zu sagen: Es geht nicht darum, Kreditinstitute zu schützen, die sich danebenbenommen haben.
Auch weil sie sich blind auf das Urteil der Ratingagenturen verlassen hatten, die erst zu spät vor den Risiken der Produkte warnten.
Kielholz: Der Ausfall der Ratingagenturen ist einer der Gründe für die Probleme. Auf die professionelle Beurteilung eines Wertpapiers hatte alle ihr Geschäft gestützt.
Andere suchen die Schuld bei der Aufsicht. Has sie versagt?
Kielholz: Bei der Aufsicht ist die Frage: Ist der Kreis der beaufsichtigten
Kapitalmarktteilnehmern richtig definiert? Banken und Versicherungen sind stark reguliert. Brokerhäuser auch, Imvestmentfonds zum Teil und Hedgefonds dagegen überhaupt nicht.
Was wollen Sie ändern?
Kielholz: Wir sollten uns jetzt dafür hüten, nun reflexartig nach mehr Regulierung zu rufen. Ebenso ist es wenig hilfreich, Hedgefonds nun zu mystifizieren. Je nach Gemütslage waren sie in den letzten Jahren entweder an allem schuld, oder sie waren ein wichtiger Teil der Finanzmarktindustrie. Aber mehr zugängliche Daten über deren Risikoappetit hätte auch schon gerne. Auch Investmentbanken, die mit den Fonds Geschäfte machen könnten mit weiteren Informationen dienen.
Wenn alles nicht hilft, eilen dann bei der nächsten Krise die Notenbanken mit Milliardenspritzen zur Hilfe. Kann das Aufgabe der Währungshüter sein?
Kielholz: Es kann nicht nur, es muß sogar. Die Aufgabe der Notenbanker ist es, das Finanzsystem mit ausrechend Liquidität zu versorgen. Handeln sie nicht, hätte das katastrophale Folgen für die Stabilität der Wirtschaft und das Wachstum.
Aber bekommen Banken und Anleger dadurch nicht einen Freifahrschein, um auch zukünftig lax mit Risiken umzugehen?
Kielholz: Ich kenne das Argument. Wer eine gute Versicherung hat, hat auch den Anreiz, sie auszunutzen. Das ist aber Unsinn. Meistens gehen mit Zentralbankhilfen auch Veränderungen im Management einer Bank einher. Da wird sich jeder schon aus persönlichen nteressen überlegen, wie viel er riskiert.
Werden die Investmentbanken künftig verständlichere Produkte liefern und so selbst zu einer höheren Transparenz beitragen?
Kielholz: Wenn Kunden weniger komplexe Produkte fordern, liefern wir sie. Das heißt aber nicht, dass es keine Innovationen mehr gibt.
Heißt das denn Innovationen mit neuen Risiken, die dann wieder schwer einzuordnen sind?
Kielholz: Risiken gibt es und wird es immer geben. Nur wenn Menschen etwas wagen, kommt es zu Fortschritt und damit auch letztendlich auch zu Wachstum in der Wirtschaft. Das gilt nicht nur für die Finanzindustrie. In der Pharmabranche ist das genauso. Wenn wir nur noch Medikamente freigeben würden, die keinen Nebenwirkungen haben, könnten viele Krankheiten gar nicht mehr behandelt werden. Die Null-Risiko-Gesellschaft ist eine kontinentaleuropäische Illusion.

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