- Leitartikel: Auf dem Weg zu neuer Bescheidenheit in den USA (FTD) - Guenni, 01.02.2001, 16:32
- Bescheidenheit in USA = Unmögliches Ereignis, Wahrscheinlichkeit =0 oT. - BossCube, 01.02.2001, 16:38
- Zum Thema: Link - von Bescheidenheit keine Spur - Hans Castorp, 01.02.2001, 16:55
- Re: Guter Link, danke! Wer Augen im Kopf hat... - dottore, 01.02.2001, 18:22
Leitartikel: Auf dem Weg zu neuer Bescheidenheit in den USA (FTD)
Leitartikel: Auf dem Weg zu neuer Bescheidenheit in den USA
Der Einbruch des Vertrauens bei Amerikas Verbrauchern im Januar räumt letzte Zweifel aus. Auf seiner Sitzung am
Mittwoch wird der Offenmarktausschuss der US-Notenbank eine weitere kräftige Zinssenkung beschließen.
Ein Rückgang um 50 Basispunkte gilt als gesichert. Diese Entscheidung ist richtig. Sie zeigt, dass die Fed ihren Job macht und
angesichts des drohenden konjunkturellen Absturzes gegenzusteuern versucht. Falsch wäre es allerdings, wenn die Märkte darauf
mit Euphorie reagierten, wie sie es unmittelbar nach der letzten Zinssenkung Anfang Januar taten. Dafür gibt es keinen Anlass.
Es wird mehrere Quartale dauern, bis die Zinssenkungen überhaupt Wirkung in der realen Wirtschaft zeigen. Die jüngsten Daten
lassen es zudem als immer wahrscheinlicher erscheinen, dass die US-Wirtschaft am Anfang einer regelrechten Rezession steht, in
der die Übertreibungen der vergangenen Jahre schmerzhaft korrigiert werden. Die Fed kann versuchen, eine sich selbst
verstärkende Abwärtsspirale zu bremsen - mehr aber auch nicht.
Die Schieflagen in der amerikanischen Wirtschaft sind bekannt. Beflügelt von Kursgewinnen an der Börse haben es die
Verbraucher weitgehend eingestellt, Geld zu sparen. Die Sparquote der Privathaushalte, die Anfang der 90er Jahre noch bei fast
acht Prozent des verfügbaren Einkommens lag, ist zuletzt unter null gesunken. Entsprechend stark expandierten die
Konsumausgaben.
All das schien unbedenklich, solange die Informations- und Kommunikationstechnologien der New Economy dauerhaft höheres
Wachstum versprachen und die Investitionen in Hightech-Ausrüstungen Jahr für Jahr um rund 25 Prozent zulegten.
Nur kommen jetzt Zweifel auf. Das bedeutet zwar nicht, dass die New Economy langfristig am Ende ist. Inzwischen hat sich
allerdings gezeigt, dass nicht jede Geschäftsidee sich rechnet, nicht jede Investition sich auszahlt. Das gilt nicht nur für die
Dotcom-Unternehmen. Es gilt auch für die vielen traditionellen Unternehmen, die gewaltige IT-Ausgaben getätigt haben und sich
inzwischen häufig fragen, ob jede dieser Investitionen notwendig und sinnvoll war.
Skepsis könnte jetzt auch die Anleger aus dem Ausland packen. Immerhin haben die Investoren ihr Kapital über Jahre hinweg in
die USA geschickt, um am Wachstum teilzuhaben. Das immer größer werdende Defizit im US-Außenhandel, dessen Ursachen in
hohen Ausgaben und mangelnder Ersparnis der Amerikaner liegen, ließ sich so problemlos finanzieren.
Eines der simpelsten ökonomischen Gesetze hat schon vor Jahren der ehemalige Präsidentenberater Herbert Stein formuliert:
Alles, was nicht immer so weitergehen kann, muss irgendwann aufhören. Das gilt heute für negative Sparquoten, zweistellige
Wachstumsraten bei IT-Investitionen und ein Leistungsbilanzdefizit von über 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Also ist
die Frage nur, wann und wie die Korrektur erfolgt.
Jenes Szenario der"sanften Landung", wonach die Bodenberührung erfolgt, ohne dass irgendjemand nennenswerte Einbussen
davonträgt, erweist sich jetzt als illusorisch. Amerika steht vor einer harten Landung. Teile der US-Industrie schrumpfen bereits,
die Zahl der Entlassungen nimmt zu. Nun droht auch der Konsum einzubrechen, der für rund zwei Drittel der
US-Wirtschaftsleistung verantwortlich ist.
Darauf lassen die Januar-Werte der Umfragen unter den US-Verbrauchern schließen. Noch bis Dienstag hatten viele Optimisten
darauf setzen können, dass sich die Lage schon wieder bessert. Immerhin hatten Notenbankchef Alan Greenspan und seine
Kollegen auch deswegen ihre Zinsen Anfang Januar so spektakulär gesenkt, um damit ein Signal zu setzen und den allgemeinen
Stimmungseinbruch zu stoppen. Das ist offenbar misslungen.
Jetzt zeigt sich, wie begrenzt in einer Situation wie der jetzigen die Möglichkeiten der Notenbank sind. Das gilt selbst für den
bislang hoch gelobten US-Notenbankchef Greenspan. Die Ungleichgewichte in Amerikas Wirtschaft werden über kurz oder lang
korrigiert werden müssen. Und diese Korrektur ist nur möglich, wenn die Wirtschaft aufhört, mit dauerhaft kaum tragbaren
Wachstumsraten zu wachsen.
Neuer Realismus ist nötig, auch wenn es um die Erwartungen an die US-Geldpolitik geht. Zu selbstverständlich haben sich
Amerikas Investoren, Unternehmen und Verbraucher über Jahre hinweg darauf verlassen, dass die Federal Reserve jeden
Konjunktureinbruch und jede Korrektur an den Aktienmärkten verhindern könne. Das ist lange Zeit gut gegangen. Die jüngsten
Zahlen erinnern daran, dass auch Alan Greenspan nicht zaubern kann.
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