- Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? - Pagan, 24.02.2001, 10:26
- Re: Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? - Baldur der Ketzer, 24.02.2001, 12:43
- Re: Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? - Pagan, 24.02.2001, 14:38
- Was ist Gerechtigkeit? - black elk, 24.02.2001, 15:31
- Re: Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? - Pagan, 24.02.2001, 14:38
- Re: Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? - Baldur der Ketzer, 24.02.2001, 12:43
Re: Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch?
Hallo, Pagan,
meiner Ansicht nach ist Ehrlichkeit keine Frage einer Nationalität, sondern des menschlichen Formats.
Eigentlich wollte ich schreiben, der menschlichen Entwicklung, aber das wäre nicht treffend, weil manche überlebensnotwendigen Dinge in Konfliktsituation sich einer"normalen" Beurteilung entziehen können: Notlüge, Notwehr, Notstand, Mundraub etc.
Also sind schon Situationen vorstellbar, in denen Ehrlichkeit zu einem gemeinsamen Nachteil gereichen, und der Gebrauch einer Gestaltungsfreiheit sinnvoll sein kann.
Überdies kann es in einer gewalttätigen, unehrlichen Welt auch notwendig sein, sich anzupassen, um schlicht bestehen zu können.
Nur, davon sind wir hoffentlich weit entfernt.
Es hängt auch von der Lebenseinstellung ab, wie man die Abweichung von ethischen Leitlinien beurteilt.
Solange alles gestattet ist, was nur einem richterlichen Urteil entgeht (man darf sich nur nicht erwischen lassen, und wenn, alles abstreiten), ist das Niveau ein anderes als bei einer Weltanschauung, die von einer Ursache-Wirkung-systematik ausgeht und die Vergeltung von Handlungsweisen auf die eine oder andere Weise annimmt. Nenn es religiös oder esoterisch, karmisch oder nichtmaterialistisch, wie auch immer.
Zwischen diesen beiden Standpunkten gibt es keine Verbindung, höchstens graduelle Unterschiede, wie weit man der einen oder anderen Ansicht anhängt.
Wenn es etwas typisch deutsches gibt, so ist das im negativen Sinne eine obrigkeitsergebene Verbissenheit, die keine pragmatischen Lösungen zuläßt, wofür südliche Länder ja bekannt sind.
Ob eine überproportionale Ehrlichkeit existiert, es mag sein, wenn ich geschäftliche ERfahrungen denke. Beschiß gibt es überall, aber die Häufigkeit davon ist schon landesabhängig, finde ich.
Jedenfalls ist auch der Umgang mit Rechenfehlern von den Umständen abhängig.
Wenn mich individuell die Bank Abzock, Hotzenplotz & Cie. über den Tisch gezogen hat, wird man keine Gewissensbisse haben, in einer unklaren Situation Formulierungen zu eigenen Gunsten auszulegen.
Das ist ein individuelles Verhältnis.
Wenn aber jemand durch das Versehen eines andern diesen schädigt, dann ist das etwas anderes.
Wenn der Kellner die Flasche Wein aus eigener Tasche zahlen muß, die Kassiererin den Fehlbestand vom eigenen Lohn abgezogen bekommt.
Oder, wie es bei einem Geschäftspartner in Japan der Fall ist (kein Blödsinn, sondern bitterer Ernst), wenn bei einer Kundenpleite der Forderungsausfall an den Mitarbeiter berechnet wird, der den Kunden betreut hat!!!!!!!!!!!!!!
Was ich für grob unsittlich und verwerflich halte, aber dort ist es so, ich kenne den Fall.
Fürwahr ein anderer Ehrbegriff (Harakiri, Kamikaze), man kann trefflich darüber streiten, wo etwas ehrenhaftes in etwas schwachsinniges übergeht, aber durchaus kulturspezifisch.
Na ja, nur ein paar Gedanken zum Thema.
Ich denke für mich rein persönlich, es kommt alles, wofür man verantwortlich ist, auf einen selbst zurück. Gutes wie schlechtes. Das nimmt einem auch kein Priester ab.
Und diese individuelle Verantwortung mit einem Hunderter zu belasten, na, ich weiß nicht.........
Beste Grüße vom Baldur
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