- A Dangerous Spring! - Über Nasdaq, Greenspan, Gold, Gata, Nahost etc.... - golden-bear, 28.02.2001, 18:30
- Dazu passend: Washingtoner Widersprüchlichkeiten - golden-bear, 28.02.2001, 18:32
- USA bekommen den Faschismus - Europa bekommt den Kommunismus (owT) - black elk, 28.02.2001, 18:51
- Dazu passend: Washingtoner Widersprüchlichkeiten - golden-bear, 28.02.2001, 18:32
Dazu passend: Washingtoner Widersprüchlichkeiten
Aus der Neuen Solidarität Nr. 9/2001:
Washingtoner Widersprüchlichkeiten
Die Vereinigten Staaten fallen in eine wirtschaftliche Depression. Statt dieses Übel an der Wurzel zu packen, setzt die neue
Regierung Bush außenpolitisch auf Konfrontation und innenpolitisch auf ein Notstandsregime.
Amerika versinkt in der Krise
Klaffende Widersprüche
Vorbereitungen auf ein Notstandsregime
Es gibt zwar dramatischere Wirtschaftsmeldungen als die US-Handelsbilanzdaten für Dezember 2000, doch enthalten sie ein aufschlußreiches Detail:
Erwartungsgemäß stieg das amerikanische Handelsbilanzdefizit im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch von 369,9 Mrd. Dollar. Aber im Dezember 2000 fiel das
Defizit in Dollar geringer aus als im November. Entscheidend ist, warum: Während die US-Exporte auch im Dezember weiter sanken, gingen gleichzeitig die
Importe in die USA noch stärker zurück, z.B. um 8,5% bei Kraftfahrzeugen und um 3% bei Konsumgütern allgemein!
Was sagt uns dies? Die amerikanische Rezession begann etwa zum Zeitpunkt der Präsidentschaftswahl im November. Dies hat weniger mit der Person des neuen
Präsidenten Bush zu tun als mit der Tatsache, daß vorher Wahlkampf herrschte. Bush und Gore setzten im großen Konsens mit der Wall Street, Greenspan und den
Medien alles daran, die Fassade des"US-Wirtschaftswunders" und"immerwährenden Aktienbooms" unter allen Umständen bis zum Wahltag aufrechtzuerhalten.
Medienexperten und Demoskopen behaupten nämlich, die breite Masse der Wähler wolle unangenehme Wahrheiten nicht hören und den, der solche äußert, nicht
wählen. (Ja, es soll sogar Leser dieser Zeitung geben, die zwar gerne Feuilletons über klassische Kultur lesen, aber von globalen Krisenentwicklungen nichts wissen
wollen...)
Wie dem auch sei, nun ist Bush im Amt, die neue Administration installiert. Sie verkündet vollmundig ein ehrgeiziges und teures Raketenabwehrprogramm und
untermalt mit demonstrativen"Bomben auf Bagdad", wer hier die globale"Hyperpower" ist, um einen Ausdruck des französischen Außenministers Védrine zu
verwenden. All das konstrastiert gefährlich mit der wirtschaftlichen Realität: Amerika versinkt abrupt und rasant in eine umfassende Wirtschaftskrise mit purzelnden
Aktienkursen und inflationierten Energiepreisen, sinkendem Privatkonsum und kollabierenden Firmeninvestitionen - samt dem ganzen Teufelskreis, der dadurch
ausgelöst wird.
Amerika versinkt in der Krise
Der Index der New-Economy-Aktien Nasdaq ist seit dem Höchststand am 10. März 2000 um fast 60% gefallen, das entspricht einer Kapitalvernichtung von 2900
Mrd. Dollar. Das betrifft in den USA eben nicht nur professionelle Spekulanten, sondern die Hälfte aller Haushalte, die in den letzten Jahren ihr ansonsten dürftiges
Einkommen durch Aktiengewinne aufgebessert hatten. Es bedeutet das Ende des vielgerühmten"Wohlstandseffekts" - so das beschönigende Wort für die
Spekulationsorgie - und einen entsprechenden Einbruch beim Konsum.
Schon während des scheinbaren"Booms" nahm die Verschuldung der Amerikaner enorm zu. Jetzt hat die Consumer Federation of America eine Studie
veröffentlicht, wonach amerikanische Haushalte im Durchschnitt rund 70000 Dollar an festen Besitzwerten wie Eigenheime besitzen, aber weniger als 10000 Dollar
zur Verfügung haben, wenn man von ihren Ersparnissen die Schuldendienste abzieht. Für die Haushalte mit niedrigem und mäßigem Einkommen (das sind rund zwei
Drittel der Bevölkerung) ergab die Studie derzeit"flüssige" Mittel von weniger als 1000 Dollar. 53% aller Amerikaner"leben manchmal, meistens oder immer von
Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck". Für die mäßigen Einkommen von 20000-50000 Dollar im Jahr erhöht sich dieser Prozentsatz auf 64% und für die niedrigen
Einkommen auf 79%.
Da bleibt für großartige Anschaffungen nicht viel übrig, zumal nun auch die Energiepreise kräftig anziehen. Im Gefolge der kalifornischen Energiepreisinflation um
1000% im Laufe des letzten Jahres, welcher die Regierung Bush weiterhin freien Lauf läßt, ist im letzten Monat in den USA insgesamt der Strompreis um
durchschnittlich 4% und der Preis für Erdgas um 17% gestiegen.
Bei den Unternehmen führen steigende Energiekosten und sinkende Aktienkapitalerträge dazu, daß immer weniger investiert wird, z.B. in neue Computer. Laut Neue
Zürcher Zeitung haben die Computerfirmen Cisco, Nortel und Lucent unverkaufte Ware im Umfang von zwei Dritteln ihrer Jahresproduktion und im Werte von 14
Mrd. Dollar in ihren Lagern. Cisco-Chef John Chambers sprach von einem nie dagewesenen, dramatischen Rückgang der Kapitalinvestitionen, der im
Dienstleistungssektor begonnen und sich dann in der Verarbeitenden Industrie fortgesetzt habe. Chambers:"Das Verarbeitende Gewerbe in den USA befindet sich in
einer Rezession." Der Chef von Apple Computers Steve Jobs meinte lakonisch:"Die Wirtschaft schmilzt in sich zusammen."
Klaffende Widersprüche
Mit den sinkenden Aktienkursen und dem rückläufigen Konsum sinken auch die staatlichen Steuereinnahmen, namentlich durch die Kapitalertragssteuer und die
Mehrwertsteuer. Dessen ungeachtet wollen George W. Bush und seine Wallstreet-gläubigen Berater ihr Wahlversprechen einlösen und Amerikas
Besserverdienenden Steuersenkungen spendieren, am liebsten noch rückwirkend zum 1. Januar 2001. Bei gleichzeitiger Ebbe in der Staatskasse hat der
Steuersenkungsplan zu dem Paradox geführt, daß unmöglich die geplanten Steuersenkungen und das milliardenschwere Raketenabwehrprojekt durchgezogen
werden können. So kam es zum ersten Konflikt innerhalb des Washingtoner Kabinetts, nachdem Bushs Sprecher Ari Fleischer Anfang Februar am Vorabend von
US-Verteidigungsminister Rumsfelds Abreise zur Wehrkundetagung in München vor der Presse verkündet hatte, der amerikanische Verteidigungshaushalt werde für
zwei Jahre"eingefroren", d.h. überhaupt nicht erhöht.
Das Pentagon hatte eigentlich mit einer Aufstockung des Verteidigungshaushalts um 50-90 Mrd. Dollar gerechnet. Aufgeregte Lobby-Anstrengungen in Richtung
Weißes Haus führten inzwischen zu dem Bescheid, daß vor einer endgültigen Entscheidung über den Verteidigungshaushalt alles noch einmal gründlich überprüft
werden soll. Dennoch macht dieser Konflikt zwischen Steuersenkungsfanatikern und Pentagon-Lobby innerhalb des Bush-Kabinetts besser als alles andere deutlich,
auf welch"tönernen Füßen" der Koloß der US-Hyperpower dasteht. Oder sogar ganz ohne Füße: Robert Kagan von der Carnegie Endowment for International
Peace schrieb am 7. Februar in der Washington Post:"Wenn die führenden europäischen Politiker, die vergangene Woche mit Donald Rumsfeld zusammenkamen,
unter den Tisch geschaut hätten, dann hätten sie einen Verteidigungsminister erblickt, dem man gerade die Beine unter dem Körper abgeschnitten hatte."
Ein weiteres Paradox ist der Kontrast zwischen Washingtoner Steuersenkungsutopien und den wachsenden Finanzlöchern in den einzelnen Bundesstaaten aufgrund
sinkender Steuereinnahmen. Die Regierungen der Bundesstaaten stehen vor der Wahl, entweder"ihre" Steuern zu erhöhen oder den Staatshaushalt drastisch
zusammenzustreichen. 16 Bundesstaaten planen Steuererhöhungen, z.B.bei der Mehrwertsteuer auf Käufe über das Internet oder aus Versandkatalogen. Hingegen
will der Gouverneur von North Carolina, Mike Easley, gegebenenfalls den"Haushaltsnotstand" erklären, um dramatische Haushaltskürzungen durchsetzen zu
können. Ähnlich wie bei Brünings"Notverordnungen" Anfang der 30er Jahre bedeutet dies offenbar, daß die Austeritätsmaßnahmen dann ohne Parlamentsmehrheit
bzw. ganz ohne Parlamentsbeschluß dekretiert würden.
Vorbereitungen auf ein Notstandsregime
Einen Ausweg aus dem Dilemma böte einzig und allein die komplette Reorganisierung des Weltfinanzsystems, wie sie der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler
LaRouche vorschlägt (Stichwort"Neues Bretton Woods"). Doch statt dessen scheinen unsere Warnungen vom Januar sich zu bestätigen, daß Elemente des neuen
Bush-Teams bald versuchen würden, in den USA ein Notverordnungs-Regime zu errichten, wenn sich die Wirtschaftslage drastisch verschlechtert. Justizminister
Ashcroft, dessen Ernennung LaRouches Fraktion der Demokratischen Partei energisch bekämpft hatte, würde dabei eine Schlüsselrolle spielen.
Nun hat die US-Kommission für Nationale Sicherheit, die nach ihren beiden Vorsitzenden auch als"Hart-Rudman-Kommission" bekannt ist, einen aufschlußreichen
Bericht vorgelegt. Der überparteilichen, vom Kongreß eingesetzten Kommission gehört auch der Präsident des Council on Foreign Relations (CFR) Gelb an, dessen
Organisation wiederholt Computersimulationen eines Notstandsregimes im Falle eines Finanzkrachs u.ä. durchgeführt hat, außerdem der frühere Sprecher des
Repräsentantenhauses und"konservative Revolutionär" Gingrich und der ehemalige Verteidigungs- und Energieminister Schlesinger.
Die Kommission empfiehlt u.a. die Schaffung einer"Nationalen Heimatsicherungsbehörde" (NHSA) mit Kabinettsrang, die sämtliche Einrichtungen der
Bundesregierung für innere Sicherheit koordinieren soll. Sie würde die Tätigkeit und Zuständigkeiten der Bundes-Notstandsverwaltung (FEMA) übernehmen, die
Anfang der 80er Jahre geschaffen wurde. Die Funktionen der FEMA würden mit Zoll, Grenzschutz und Küstenwache in einer dem Weißen Haus zugeordneten
Behörde zusammengefaßt. Im Schlußbericht der Kommission heißt es nach der Schilderung zahlreicher Bedrohungen (z.B."der Kombination der Verbreitung
unkonventioneller Waffen mit der Hartnäckigkeit des internationalen Terrorismus"), die NHSA hätte"im Fall eines nationalen Sicherheits-Notstands" enorme
Befugnisse und würde"nicht nur amerikanisches Leben schützen, sondern auch Verantwortung für den Schutz der kritischen Infrastruktur der Nation übernehmen".
Der Bericht verspricht, daß die"Garantien" der Verfassung"geschützt" würden - und zwar vom US-Justizministerium, das jetzt von John Ashcroft geleitet wird. Man
vergleiche dies mit einem älteren Plan des Pentagon, der zuletzt von Präsident Bush senior geändert wurde und auch unter dem Namen Garden Plot
(Gartenkomplott) bekannt ist. Dort heißt es unmißverständlich:
"Die Verantwortung für die Leitung der Reaktion der Bundesregierung auf innere Unruhen in den USA, ihren Besitzungen und Territorien liegt beim Justizminister.
Der Justizminister koordiniert alle Aktivitäten der Bundesbehörden beim Einsatz von Militäreinheiten im Inland bei inneren Unruhen. Innerhalb des DoJ
[Justizministeriums] leitet das FBI in einem solchen Fall die Operationen. Daher ist das DoJ die primär verantwortliche Behörde für Beschaffung, Nutzung und
Verteilung von Informationen über innere Unruhen."
In dem Maße, wie die Wirtschaftskrise sich verschärft, wird man hinsichtlich der USA nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch auf unliebsame
Überraschungen gefaßt sein müssen.
Gabriele Liebig
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