- Japans Geldpolitik - JüKü, 28.03.2001, 09:55
- Re: Japans Geldpolitik - Oldy, 28.03.2001, 20:25
- Re: Japans Geldpolitik - JüKü, 28.03.2001, 20:39
- Re: Japans Geldpolitik - Oldy, 28.03.2001, 20:25
Japans Geldpolitik
Aus einer Analyse der Hypo:
Bank of Japan öffnet Geldhahn
Angesichts zunehmenden politischen Drucks und der
akuten Rezessionsgefahren hat die japanische Notenbank
einen neuen geldpolitischen Anlauf zur Reflationierung
der Wirtschaft unternommen. Dabei kehrte
sie nicht nur zur Nullzinspolitik zurück, sondern hat
die Geldpolitik um einen mengenorientierten Ansatz
erweitert (Zentralbankguthaben als operatives Ziel,
Ankauf von Staatsanleihen). Dabei wird die Liquiditätszufuhr
so lange aufrecht erhalten, bis sich die Deflation
in Inflation dreht. Das ist zwar ein notwendiger,
wohl aber kein hinreichender Schritt zur Revitalisierung
der Wirtschaft in Japan (s. Hintergrund).
Auf ihrer Ratssitzung am vergangenen Montag [Anm.: letzter Woche] hat die
Bank of Japan (BoJ) weitreichende geldpolitische
Maßnahmen beschlossen, um die Wirtschaft des Landes
zu reflationieren. So kehrt sie nun vollends zu ihrer
Nullzinspolitik zurück, die sie erst im August letzten
Jahres in der vorschnellen Hoffnung auf eine
konjunkturelle Erholung aufgegeben hatte. Unter dem
Eindruck eines erneuten wirtschaftlichen Einbruchs
(Rezessionstendenzen) und dem wachsenden politischen
Druck war die BoJ bereits vor 6 Wochen zu
ersten zinspolitischen Zugeständnissen bereit.
Japanischer Geldmarkt: Rückkehr zur Nullzinspolitik?
Die beschlossenen Maßnahmen bedeuten jedoch mehr
als nur eine Rückkehr zur Nullzinspolitik. Sie implizieren
eine völlig andere geldpolitische Steuerung als sie
derzeit von den führenden Zentralbanken betrieben
wird. Angesichts des nun ausgelaufenen zinspolitischen
Spielraums war der Einstieg in eine"mengenorientierte"
Steuerung allerdings unerlässlich. Vergleichbar
mit dem neuen Ansatz der BoJ ist nur die
Umstellung der Fed auf die geldpolitische Steuerung
über den Ankauf von Wertpapieren geschaffenen Reserven
(non-borrowed reserves targeting) vom Oktober
1979. Während die Fed damit jedoch die Inflation
bekämpfen wollte, zielt der Wechsel in Japan auf eine
Belebung des Wirtschaftswachstums und der Überwindung
der Deflation (Reflationierung). Das dürfte
sich aber als sehr schwierig erweisen. Der neue BoJ-Ansatz
besteht im wesentlichen aus 3 Bestandteilen:
1. Zentralbankguthaben werden operatives Ziel
Das neue Geldmarktsteuerungsverfahren der BoJ hat
zum Ziel, die Zentralbankguthaben der Kreditinstitute
von derzeit 4,2 auf 5 Billionen JPY zu erhöhen - immerhin
ein Zuwachs von 16%. Dies hat eine Ausweitung
der Überschussreserven zur Folge. Zudem ist die
japanische Zentralbank bei einem Nachfrageanstieg
bereit, weitere Liquidität zur Verfügung zustellen.
2. Verstärkter Ankauf von japanischen Staatsanleihen (JGBs)
Um eine reibungslose Liquiditätsversorgung zu gewährleisten,
ist die Bank von Japan bereit, das monatliche
Ankaufsvolumen für japanische Staatsanleihen
von derzeitig 400 Mrd JPY zu erhöhen. Der Rahmen
für mögliche Ankäufe wurde auf 11 Billionen JPY
festgesetzt. Die Mittel könnten immer dann eingesetzt
werden, wenn ein Zinsanstieg droht. Genuines Ziel ist
also nicht die Finanzierung des Staatshaushalts.
3. Preisentwicklung (CPI) bestimmt Dauer der geldpolitischen Lockerung
Die BoJ verpflichtet sich, die neue Geldpolitik solange
durchzuführen, bis die Verbraucherpreise (ohne Nahrungsmittel)
stabile, positive Wachstumsraten verzeichnen.
Erklärtes Ziel der BoJ ist es also die Deflationserwartungen
der Bevölkerung zu brechen und in
Inflationserwartungen zu drehen. Eine zeitliche Vorstellung,
bis wann die seit 18 Monaten andauernde
Deflation in Inflation umschlagen soll, hat die japanische
Zentralbank allerdings nicht bekanntgegeben.
1999 wäre der BoJ die Reflationierung fast gelungen.
Damals dauerte es allerdings 8 Monate, den Preis-
rückgang von 0,5% - das ist auch die aktuelle Deflati-
onsrate - auf Null zurückzuschrauben. Nachdem die
Konjunktur derzeit wieder eindeutig nach unten zeigt,
wird es diesmal kaum schneller gehen. Die japanische
Zentralbank hat sich also zu einer langen Periode
kräftiger Geldschöpfung verpflichtet. Dies wird zu ei-
nem Rückgang der Renditen entlang der gesamten
Zinsstrukturkurve führen und die expansive Wirkung
des Tagesgeldrückgangs verstärken.
Ein notwendiger, wohl aber nicht ausreichender Schritt
Positiv zu werten ist, dass die Bank von Japan nicht
nur zur Nullzinspolitik zurückgekehrt ist, sondern den
Wechsel zu einer Reservesteuerung vollzogen und die
Notwendigkeit einer Reflationierung bzw. Generierung
von Inflation als Ziel der Geldpolitik eingestanden hat.
Dadurch ist der Weg für weiterführende Schritte ge-
öffnet worden. Nun ist der Ball im Lager der Regie-
rung und der Reformdruck lastet auf dem Finanzmi-
nisterium. Die Bank hat leider auch nicht den Zeit-
raum angegeben, in dem sie beabsichtigt, die Reser-
ven auf 5 Billionen JPY zu erhöhen. Da der Bankno-
tenumlauf derzeitig mit 6% wächst und dieser 90%
der Geldbasis ausmacht, rechnet die BoJ damit, dass
ihr Entschluss zu einem Anstieg der Wachstumsrate
der Geldbasis von derzeit 3% auf 7% in sechs Monaten
führt. Hieraus könnte man ableiten, dass sie zunächst
einmal diesen Zeitraum für die Operation anpeilt.
Angesichts der Tatsache, dass sich bereits während
der früheren Nullzinspolitik die Zentralbankguthaben
auf 5-5,5 Billionen JPY beliefen, ist das neue Reserve-
ziel nicht gerade ehrgeizig. Zudem wuchs während
der vergangenen 5 Jahre die Geldbasis auch schon
mit der jetzt anvisierten Jahresrate von 7%, ohne dass
die Ausweitung der Geldmenge mithalten konnte. Sie
blieb mit 3,3% weit zurück. Gleichzeitig schrumpften
die Kredite um 1,4%. Es muss sich also noch erwei-
sen, ob allein die Ausweitung der Reserven die Bereit-
schaft der Banken, sich an privaten Investitionspro-
jekten zu beteiligen, erhöht. Es ist zu befürchten, dass
nicht das Kreditangebot sondern die Nachfrage der
limitierende Faktor ist, der zu einem seit 38 Monaten
anhaltenden Kreditrückgang geführt hat.
Die Festlegung positiver Wachstumsraten für das
Preisniveau ist ebenso wenig ehrgeizig. Dies würde
den Realzins von derzeit 0,5% auf lediglich Null sen-
ken. Negative Realzinsen, wie sie für eine Konjunktur-
belebung erforderlich sind, kämen nicht zu Stande.
Um zum Konjunkturaufschwung beizutragen und In-
flationserwartungen zu erzeugen, müsste die BoJ ei-
nen CPI-Jahresanstieg zwischen 2%-2,5% anvisieren.
Wissenschaftler haben in der Vergangenheit sogar ein
Inflationsziel von 3%-4% empfohlen. Der aktuelle zö-
gerliche Ansatz könnte also kontraproduktiv wirken,
da keine negativen Realzinsen erzeugt werden. Die
Glaubwürdigkeit der Bank von Japan würde damit
zusätzlich belastet.
Was noch zu tun bleibt
Offenmarktoperationen in JGBs, um die Zentralbank-
guthaben zu erhöhen, sind zwar ein Schritt in die
richtige Richtung. Sie reichen aber nicht aus, um die
anstehenden Probleme wirklich zu lösen. Zur Zeit sind
Staatsanleihen, insbesondere am kurzen Ende, fast
perfekte Substitute für Geld. Eine Erhöhung der
Geldmittel des privaten Sektors durch Ankauf von
Staatstiteln hätte keine Liquiditätswirksamkeit. Den
überwiegenden Teil der zusätzlichen Liquidität wür-
den die Banken in neue Staatsanleihen investieren,
die durch die fiskalische Programme aufgelegt wur-
den. Die Bank of Japan sollte daher nicht nur ankün-
digen, dass sie eine expansive Geldpolitik durchführen
will, sondern sie auch präzisieren, indem sie einen
ansteigenden Pfad für das Preisniveau bekanntgibt,
der über dem derzeitigen Niveau angesetzt wird. Dies
könnte leicht im Rahmen der neuen Geldpolitik voll-
zogen werden. Um die monetäre Expansion zu erzeu-
gen, die für einen Preisanstieg erforderlich ist, hat L.
Svensson vorgeschlagen, den Außenwert des Yen
durch die BoJ bzw. das Finanzministerium abwerten
zu lassen. Die Erhöhung des Wechselkurses muss aber
stark genug sein, um eine reale Abwertung zu erzielen.
Danach sollte der neue Wechselkurs festgeschrieben
werden, bis das Preisniveau beginnt zu
steigen. Eine solche Abwertung könnte durch den Ankauf
ausländischer Wertpapiere im Rahmen der Reservesteuerung
leicht bewerkstelligt werden. Die
Kernüberlegung lautet, dass die BoJ Finanzaktiva, die
illiquider sind als JGBs von Nicht-Banken erwirbt um
dadurch die Liquidität der Volkswirtschaft zu erhöhen.
Die jetzt beschlossenen Maßnahmen dürften also nicht
ausreichen um die monetären Probleme Japans zu lösen.
Die Richtung aber stimmt. Der Reformdruck lastet
jetzt aber auf der Regierung. Vordringlich ist dabei
die Lösung des Problems der notleidenden Kredite.
Diese machen 20% aller japanischen Bankkredite aus
und bedrohen das Bankwesen akut. Der japanische
Minister für Finanzwesen hat vorgeschlagen, dass
Banken, die einen Verzicht auf Verbindlichkeiten, anbieten
Steuervergünstigungen erhalten könnten. Damit
soll die Kreditvergabe auf gewinnträchtige Unternehmen
konzentriert werden. Anstatt die Mehrzahl
der Kredite abzuschreiben, sollen die Banken dem
Vernehmen nach nur solche Kredite abschreiben, für
die sie bereits Rückstellungen gebildet haben. Weitergeführt
werden sollten Kredite von restrukturierungsfähigen
Unternehmen. Finanzministerium und
Zentralbank scheinen nun also auch das Problem der
"faulen" Kredite anzugehen. Trotzdem steht Japan
wohl noch eine lange Durststrecke bevor. Der Anfang
ist aber gemacht.
Dr. Julian von Landesberger
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