- Greenspan - so alt schon und auch langsam erwachsen? - Turon, 30.03.2001, 18:01
- In diesem Zusammenhang.. - YIHI, 30.03.2001, 18:09
- olle Grünspan ist sauer - Kaddii, 30.03.2001, 18:34
- In diesem Zusammenhang.. - YIHI, 30.03.2001, 18:09
In diesem Zusammenhang..
Dies wird zu einem bitteren Erwachen führen
Angesichts der Schuldenberge rechnet Professor Fredmund Malik mit einer sehr harten Landung der US-Wirtschaft. Gleichzeitig warnt er vor nachlassender Seriosität in der US-Unternehmensbuchhaltung
Unter den Ã-konomen der Banken gilt es als ausgemacht, dass die US-Wirt-schaft nach dem längsten Boom in ihrer Geschichte sanft landen wird. Wie realistisch ist eine solche Erwartung?
· Fredmund Malik: Ich halte dies nicht für sehr realistisch, auch wenn man es nicht ganz ausschliessen kann. Aber die Ã-konomen der Banken haben sich in den letzten Jahren ohnehin nicht durch besonderen Sachverstand ausgezeichnet. Viele dieser sogenannten Ã-konomen verstehen von Volkswirtschaft nicht gerade viel, darum konnte auch die unsägliche Vorstellung von einer «New Economy» überhaupt entstehen. Das Irrtumspotenzial bei Prognosen einer weichen Landung ist daher sehr gross, vor allem in Anbetracht der Verschuldungslage. Ich will selber keine Prognose abgeben, aber als Unternehmer würde ich mich auf eine harte Landung vorbereiten.
Liegt eine Ursache für die vielen optimisti-schen Prognosen in den Interessenskonflik-ten der Bank-Ã-konomen?
· Eigentlich sind die Bank-Ã-konomen heute ein Teil der «Sales-Force». Der klassische Bank-Ã-konom hatte früher die Aufgabe, das gesamtwirtschaftliche Klima zu beur-teilen, damit nachher die richtigen Ent-scheide getroffen werden konnten. Die hät-ten sich nie in den Dienst des aktuellen Geschäftsgangs gestellt. Das muss man ein-fach wissen, damit man ihre Prognosen entsprechend beurteilen kann.
Wie kommt es in einer Wirtschaft überhaupt zu einem «Neue Ära»-Denken?
· Eigentümlicherweise hat es das in der Geschichte immer wieder gegeben. Ende der Zwanzigerjahre konnte man die genau gleichen Schlagzeilen in den Zeitungen lesen wie heute. Gestützt auf eine breite Aufwärtsbewegung am Aktienmarkt verbreitet sich der Glaube, die alten Regeln würden nicht mehr gelten. Auch die Medien tragen viel zur Entstehung eines solchen Denkens bei. Der Professionalität des Entertain-ments in diesem Bereich kann man sich heute kaum noch entziehen. Botschaften wie «Ewiges Wachstum, keine Inflation und wir alle werden über die Börse reich», hören die Leute gerne und haben deshalb ein riesiges Verführungspotenzial.
Inwiefern trägt ein solches «Neue Ära»-Denken gerade zur Entstehung von Konjunktur-zyklen bei?
· Ich würde zwei Arten von Konjunkturzyklen unterscheiden: den kurzfristigen Lagerzyklus und den langfristigen Ver-schuldungszyklus. Ein Boom wie der ame-rikanische, der auf exzessivem Kredit beruht, endigt in sich selbst mit einem harten Rückschlag. Wenn man die Kreditent-stehung besser in den Griff kriegen könnte, gäbe es vielleicht eine Chance, Konjunkturzyklen zu vermeiden.
Die Verschuldung der amerikanischen Haus-halte und Unternehmen befindet sich auf einem Rekordniveau. Wie hart wird denn Ihrer Ansicht nach die US-Wirtschaft in Anbetracht dieser Schuldenberge landen? Wenn dieses Potenzial wirklich zur Geltung kommt, ergibt sich eine dramatische Situa-tion. Eine Wiederholung der grossen Welt-wirtschaftskrise der Dreissigerjahre wäre möglich.
Sehen Sie auch Parallelen zu der Entwicklung in Japan vor zehn Jahren?
· Es ist interessant, dass kaum jemand auf Japan achtet. Als Anfang 1990 die Hausse in Japan zu Ende ging, hatte dies anfangs keine grossen Schlagzeilen zur Folge. Es dauerte noch zwei bis drei Jahre, bis sich der Rückgang der Aktien- und Immobilienpreise auf die Konjunktur auswirkte.
Japan zeigte auch, dass die Notenbank praktisch nichts gegen den Niedergang ausrich-ten konnte. In den USA heisst es ja oft: Das Fed und Alan Greenspan werden es schon richten.
· Das wird meiner Auffassung nach nicht so sein. Zumal die Lage heute so ist, dass Alan Greenspan die Geldpolitik effektiv nicht mehr selbst machen kann. Er kann zwar gewisse Signale setzen, da die Märkte auf ihn achten. In Wahrheit findet die Geld-und Kreditschöpfüng aber im Rahmen der Securitization im Bankensystem statt, das heisst durch die Substitution von Bankkrediten durch handelbare Wertpapiere.
Nachgelassen hat in den USA in den letzten Jahren auch die Seriosität in der Buchhaltung. Ist dies eine typische Entwicklung für einen solchen Boom?
· Absolut typisch, die Kreativität in diesem Bereich ist grenzenlos. Es handelt sich um einen selbstverstärkenden Prozess. Die Un-ternehmer wecken an der Börse hohe Gewinnerwartungen, damit ihre Aktien-optionen an Wert gewinnen. Die Kurse stei-gen, was wiederum die Erwartungen an die Unternehmen erhöht. Irgendwann muss
man zu jedem erdenklichen Mittel greifen, um die hohen Erwartungen der Märkte noch erfüllen zu können. Schliesslich wird oft sogar die Grenze der Legalität überschritten. Bewertungsregeln werden bis an die Grenze strapaziert und in manchen Fällen noch darüber hinaus.
Etwa auch bei der Verbuchung von Aktienoptionen für Mitarbeiter?
· Dabei wird tatsächlich fragwürdig vorgegangen, weil dadurch die Gewinne viel zu hoch ausgewiesen werden. Ich selbst habe auch keine Lösung, wie Optionen am besten verbucht werden sollten. Für die Beurteilung der wahren wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens sollten die Optionen aber zumindest wie Eventualverbindlichkeiten in die Buchhaltung eingehen.
Optionen stellen auch Opportunitätskosten dar, da die Firmen sie auf dem Markt verkaufen könnten, anstatt sie den Mitarbeitern zu «verschenken».
· So ist es. Doch nicht nur die Optionen sind fragwürdig. Seit 2-3 Jahren ist es in den USA üblich, Ausgaben für Software anders zu bewerten. Software ist nicht wie auf der ganzen Welt sonst eine Aufwandsposition, sondern wird als Investition in den Aktiven verbucht. Dadurch weisen die Unternehmen wesentlich höhere Gewinne auf. Gleichzeitig fällt auch das US-Sozialprodukt höher aus, da Investitionen im Gegensatz zum Aufwand in die Berechnung des Sozialprodukts eingehen. Ein weiterer Beitrag also, um das Bild zu beschönigen.
Eine andere amerikanische Eigenheit ist die Berechnung des Konsumentenpreisindex für Computer-Hardware mittels so genanntem «Hedonic Pricing».
· Dieses Vorgehen ist ein absoluter Witz. Es handelt sich nach meinem Dafürhalten um einen gerissenen Gedanken der Statistiker. Indem sie behaupten, man bekomme immer mehr Rechenleistung fürs Geld und darum habe der Preis für Computer effektiv abge-nommen, wird die Inflation künstlich tief gehalten. Genau gleich könnte man ja auch bei Autos argumentieren, schliesslich hat sich dort die Qualität in den letzten Jahrzehnten auch massiv verbessert. Man müsste also zum Beispiel den Autopreis zur Inflations-berechnung durch die gestiegene PS-Zahl dividieren. Der Besitz eines starken Computers sagt sowieso überhaupt nichts über seine Einkommenswirkungen aus. Es handelt sich um einen Fall von brillianter Statistik, jedoch miserabler Ã-konomie.
Wieso kommen die Amerikaner damit durch?
· Ich wundere mich auch darüber, dass dieser Wandel der Berechnungsart von den Medien so stillschweigend hingenommen wurde. Schliesslich sind die USA das einzige Land, das die Inflation auf diese Art berechnet. Es gab im vergangenen Jahr einzig im «Economist» und der «Financial Times» ein paar kritische Kommentare. In ihrem Monatsbericht vom letzten August sagt aber auch die ansonsten sehr zurückhaltende Deutsche Bundesbank, dass es sich bei diesem Vorgehen um eine krasse Verfälschung der wirtschaftlichen Tatsachen handelt. Durch das «Hedonic Pricing» wird nämlich nicht nur der Konsumentenpreisindex tief gehalten, sondern auch das Bruttoinlandprodukt und die davon abgeleiteten Produktivitätszuwächse fallen dadurch wesentlich höher aus.
Es wird also auf dem Papier einiges beschönigt. Wie wirkt sich das langfristig auf die reale US-Wirtschaft aus?
Die gesamtwirtschaftliche Lage wird auf einmal viel schlechter ausfallen, als sie den Zahlen entsprechend eigentlich sein müsste. Dies wird für viele Leute zu einem bitteren Erwachen führen. Meiner Meinung nach befinden wir uns mitten in diesem Aufklärungsprozess.
Neue Ära
Theorien von einer «Neuen Ära», «New Era» oder «New Paradigm» machen jeweils in Zeiten eines langanhaltenden Booms die Runde. Durch grosse Produkti-vitätsfortschritte und eine gute Geldpolitik werden in einer «Neuen Ära» Konjunktur-zyklen und Inflation als überholte Erschei-nungen der Vergangenheit angesehen. Bis jetzt endete jede «Neue Ära» mit einer schweren Rezession samt Börsencrash.
Fredmund Malik
Der gebürtige Ã-sterreicher studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Innsbruck und St. Gallen. Die Lehrtätigkeit nahm er 1978 an der Universität St. Gallen auf. Seit 1984 steht er der Management Zentrum St. Gallen AG (MZSG AG) vor. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit ist Fredmund Malik als Management Berater und Ausbilder für Unternehmen tätig. Als Autor zahlreicher Bücher schwergewichtig zum Thema Management-Systeme und Unternehmensführung machte er sich ebenfalls einen Namen. In seiner Freizeit interessiert er sich für Philosophie, Geschichte, Musik und Alpinismus.
Investor’s Guide
Hedonic Pricing
Darunter versteht man ein Verfahren, bei dem die Qualitätsverbesserung eines Produkts in die Berechnung der Preissteigerung miteinbezogen wird. Bleibt zum Bei-spiel der Preis für einen Standard-PC bei 1000 Dollar, der PC ist jedoch durch den technologischen Fortschritt inzwischen doppelt so schnell, so ist der Standard-PC nach hedonischer Rechnungsart um die Hälfte billiger geworden.
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