- Buch: The Mystery of Capital. (Für Eigentumswirte Pflicht) - Caspar, 31.03.2001, 01:51
- Re: Toller Beitrag Caspar - Danke - R.Deutsch, 31.03.2001, 12:12
- Re: Buch: The Mystery of Capital - sehr guter Beitrag - Harald bitte lesen! - nereus, 31.03.2001, 12:48
- Re: Buch: The Mystery of Capital. (Für Eigentumswirte Pflicht) - JüKü, 31.03.2001, 12:53
- Re: Vollste Zustimmung - Turon, 31.03.2001, 15:00
- Re: Interview de Soto (Wiederholung) - Jochen, 31.03.2001, 16:10
- Und hier an der Stelle ist - Turon, 31.03.2001, 18:26
Re: Interview de Soto (Wiederholung)
Hier noch mal ein Interview mit De Soto, erschienen in der FAZ (schon mal gepostet):
„Marktwirtschaft setzt breit gestreutes Eigentum voraus"
Ein Gespräch mit dem peruanischen Ã-konomen Hernando de Soto über Entwicklungshürden in der Dritten Welt
Der Graben zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern will sich nicht verringern, im Gegenteil. Wenn die Dritte Welt noch immer nicht blüht, liegt es unter anderem daran, daß in ihren Ländern die Reformen die meisten Menschen überhaupt nicht berühren, meint Hernando de Soto, Gründer und Präsident des peruanischen Institute Libertad y Democracia. Marktwirtschaft beruhe auf einem Regelwerk, innerhalb dessen die Menschen Eigentum tauschten. „Welche Marktwirtschaft bringt aber ein Land hervor", fragt er in einem Gespräch mit dieser Zeitung, „in dem die meisten Einwohner über kein rechtlich gesichertes Eigentum verfügen?"
Für ausländische Investoren und die Eliten würden in den Entwicklungsländern Enklaven mit einem rechtlich eindeutigen Rahmen angelegt. Bei vier Fünfteln der Einwohner bestehe diese Eindeutigkeit indessen nicht, wüßten Außenstehende nicht einmal, wer was besitzt. Ihr Grund und Boden, ihre Häuser seien nicht dokumentiert, daher könnten sie sie nicht beleihen und auf sie keine Hypotheken aufnehmen. Oder in der Sprache von Adam Smith, des von de Soto hoch geschätzten ökonomischen Klassikers: Die Mehrheit der Weltbevölkerung kann ihr Vermögen nicht als Kapital einsetzen, das zusätzliches Kapital erzeugt und damit Wohlstand. Ihr Eigentum steht nicht am Beginn einer Kette von zusätzlich geschaffenem Wert. Es ist totes Kapital.
Daher fehle den Ländern der Dritten Welt die Grundlage für eine wirkliche kapitalistische Revolution. „Sich dieses Themas und der Armen anzunehmen, gilt den Ã-konomen aber als unwürdig", provoziert der südamerikanische Liberale. Um Wohltätigkeit kümmere sich doch Mutter Teresa, werde gesagt. Hemando de Soto tut es aber auch. In seinen Schriften und Reden, als Wissenschaftler und Politikberater. Das hat mit seiner Biographie zu tun. Als er noch keine sieben Jahre alt war, verließ sein Vater Peru. Seine gesamte Ausbildung hat Hernando daher im Ausland erhalten. In der Schweiz studierte er Wirtschaftswissenschaften, dort wurde er bereits mit dreißig Jahren Chief Executive Officer des größten mitteleuropäischen Ingenieurbüros. Neun Jahre später kehrte er nach Peru zurück. Er kaufte Bergwerke, baute Häuser und merkte dabei, daß sich fast alle Transaktionen außerhalb der offiziellen Wirtschaft abspielten. Er begann, sich für die Schattenwirtschaft zu interessieren.
Er gründete in Lima ein Institut, begann die nicht registrierten Häuser (und die in ihnen untergebrachten Unternehmen) zu zählen, und fand heraus, daß die Schattenwirtschaft zwei 'Drittel der peruanischen Wirtschaftsleistung erbringt. Er hat das in seinem 1987 erschienenen Buch beschrieben, das zum Bestseller zwischen Mexiko und Argentinien wurde und inzwischen in mehr als einem Dutzend Sprachen vorliegt. Bereits Alan Garcia hatte in seinem letzten Präsidentschaftsjahr de Soto als Berater verpflichtet. 1990 wurde Alberto Fujimori zum Präsidenten Perus gewählt, de Soto lehnte ein Angebot ab, Ministerpräsident zu werden. Fujimori verlieh ihm statt dessen den Titel „Besonderer Vertreter des Präsidenten". In seinem Institut, das zeitweise über 400 Personen beschäftigt hatte, baute er eine Art Schattenregierung auf. Für Fujimori entwarf es das Stabilisierungsprogramm und formulierte 400 Gesetze neu. Erst mit dem Putsch trennten sich die Wege der beiden. Bis 1996 hatten de Sotos Reformen 290 000 informelle Unternehmen und 350000 nicht registrierte Immobilien in die Wirtschaft Perus integriert.
Sie haben die Schattenwirtschaft verlassen, argumentiert de Soto, weil für sie der Gewinn an Sicherheit wichtiger war als die Vorteile einer verborgenen Existenz. In der Schattenwirtschaft komme man nicht um die indirekten Steuern herum, die in Entwicklungsländern meist hoch sind. Den Vertragsparteien entstünden hohe Kontrollkosten, da Verträge nicht durch das Recht abgesichert werden könnten. Ein Fünftel des Einkommens der Schattenwirtschaft fließe in Peru in die Taschen von Polizisten, um Enteignungen von Illegalen zu verhindern. Es entstünden verlust- und inflationsbedingte Kosten, da alle Transaktionen bar abgewickelt werden.
Als de Sotos Institut nicht mehr in die Regierungsarbeit eingebunden war, knüpfte er an seinen früheren Plan an, die in Peru gesammelten Erkenntnisse in anderen Entwicklungsländern zu überprüfen und anzuwenden. In Ägypten nahmen seine Mitarbeiter nicht registrierte Häuser auf, auch Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, die unter der Hand verkauft worden waren und damit illegal wurden. Sie ermittelten 24 Millionen Einheiten, die in keinem Grundbuch dokumentiert und deren Besitzer nirgends registriert sind. Ihren Wert gibt de Soto, konservativ geschätzt, mit mindestens 240 Milliarden Dollar an. Das sind zwei Drittel der gesamten in Ägypten erbrachten Bauleistung, der Betrag ist sechsmal größer als alle Spareinlagen und Festgelder im ägyptischen Bankensystem zusammen; alle in Ägypten getätigten ausländischen Investitionen, den Suez-Kanal eingeschlossen, übertrifft er um das 55fache. „In Ägypten haben die Armen also das größte Kapital", folgert de Soto, „aber es ist totes Kapital, ihr Kapital können sie nicht für ein zweites Leben einsetzen." Doch sie stellen die große Mehrheit: In den illegalen Häusern Ägyptens leben 92 Prozent der städtischen Bevölkerung und 83 Prozent der ländlichen. Wollten sie in der Wüste Grund kaufen, müßten sie bei 31 verschiedenen Regierungsstellen 77 Schritte unternehmen, rechnet de Soto vor. Sechzehn Jahre würde das Verfahren dauern. Daher macht es keiner.
Die erste Lektion, die er aus seinen Erhebungen zieht, ist: Die Armen sind nicht arm. Und die zweite: Die Dritte Welt holt erst heute die Urbanisierung nach, die im 18. und 19. Jahrhundert die Staaten Europas geprägt hat. Krebsartig wachsen die Städte der Dritten Welt - Lima und Kairo in dreißig Jahre jeweils um das Fünffache. Die Zugewanderten sind aber keine Proletarier, sie sind kleine Selbständige, die in ihren Häusern produzieren und in den Straßen verkaufen. De Soto: „In ihren Ländern sind sie der größte Wirtschaftsfaktor, wir aber behandeln sie wie die Schwarzarbeiter der Industriestaaten." In den Industriestaaten hätten die Regierungen jeweils nur wenige Prozent ihrer Gesellschaften nicht unter Kontrolle, in der Dritten Welt entzögen sich indessen vier Fünftel dem Zugriff der Obrigkeit. Die Entwicklungsländer könnten heute alles bauen, Software und Hardware, Produkte von Cartier, sogar Flugzeuge: „Nur eines haben wir nicht gelernt, und das ist die Akkumulation von Kapital." Ihnen fehle der gesamte Prozeß, den das Europa des 19. Jahrhunderts durchlaufen habe, von Stein-Hardenberg bis Bismarck. „Im 20. Jahrhundert zeigt es sich, daß es schwieriger ist, für ein ganzes Land eine kapitalistische Revolution durchzuführen als eine kommunistische", folgert de Soto. Wer heute in der Dritten Welt die Marktwirtschaft einzuführen vorgebe, berühre meist nur die Enklaven der Eliten und übergehe die informelle Wirtschaft der Armen. Doch jetzt änderten sich die Vorzeichen. Seitdem die Menschen in der Schattenwirtschaft Opfer von Mißständen in ihren offiziellen Wirtschaften geworden sind, beobachtet de Soto ein Aufwachen. Ob in Jakarta oder Seoul, in Bangkok oder Moskau - nicht die Proletarier gehen auf die Straße, sondern vielfach kleine Selbständige, die sich von dem ungezügelten Kapitalismus ihrer „Eliten" und deren Beziehungswirtschaft um die Früchte ihrer Arbeit betrogen fühlen.
Gruß
Jochen
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