- Cebit-Nachlese: IT-Branche im freien Fall und Dot.gones der Friedhof nebenan - Aldibroker, 01.04.2001, 22:30
Cebit-Nachlese: IT-Branche im freien Fall und Dot.gones der Friedhof nebenan
Die Branche lächelt. Wenigstens zur CeBIT-Zeit. Aber das Lächeln von Vorständen, Marketing- und PR-Spezialisten wirkt etwas eingefroren. Hinter den Kulissen donnert's und das nicht zu knapp. Die Branche leidet. Zur Illustration eine gekürzte Liste der Firmen, die in 2001 Umsatz- oder Gewinn-Warnungen ausgaben: Telekom, Intel, Oracle, Yahoo, HP, Dell, 3Com, Philips, Ericsson, Motorola, Cisco, Amazon. Jeff Bezos, CEO des weltgrößten Online-Buchhändlers, warnte sogar vor seiner eigenen Aktie: „Amazon ist keine Aktie, die einen gut schlafen lässt." Er würde Amazon-Aktien nicht kaufen, wenn er Kleinanleger wäre, das Papier sei „volatil". Guter Tipp. Leider kommt er etwas spät. Gerade die Kleinanleger haben ihre Begeisterung für Hightech-Aktien teuer bezahlen müssen. Okay, vielleicht waren sie auch zu gierig, oder, netter gesagt, verwöhnt vom 99er-Boom von Nasdaq und Nemax.
Schwache Geschäfte, frustrierte Anleger. Dazu das große Zittern: Der Friedhof der Dot.gones ist nur eine Straßenecke entfernt. Früher wussten wir: Von neu gegründeten Unternehmen machen nach fünf Jahren SO Prozent dicht. Heute gilt: Von neu gegründeten Dot.coms sind nach zwei Jahren 90 Prozent pleite. Wenn die Chefs nicht vorher in den Bau gehen. Verdacht auf Insider-Handel hier, Kursbetrug dort. Von Met@box bis zur Deutschen Telekom - die Staatsanwälte geben sich in der New Economy die Klinke in die Hand. Doch eine Gewissheit beruhigt: Ganz egal, ob die Aktien steigen oder fallen, die Kurve für den technologischen Fortschritt zeigt steil nach oben. Denn vor Moores Gesetz sind alle Tiere gleich: Ob Bulle oder Bär - die Leistungsfähigkeit der Prozessoren entwickelt sich zum Glück nicht proportional zum Aktienkurs ihrer Produzenten. Dass auch der Rest der Branche nicht mit Innovationen geizt, davon können Sie sich, liebe CHIP-Leser, Monat für Monat bei uns im Heft überzeugen.
thomas.pyczak@chip.de
CeBIT-Nachlese: IT-Branche im freien Fall
Die IT-Branche begrüßte auf der CeBIT freudestrahlend die Besucher und feierte sich selbst. Doch die Fassade der Wachstumsindustrie bröckelt. Viele Firmen kämpfen um Kunden, Umsatz und Gewinn - manche sogar um ihr Überleben. Der Boom ist vorbei. Auch die Rekordzahlen der CeBIT 2001- 8.000 Aussteller aus 60 Ländern auf über 420.000 Quadratmeter -können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die IT-Branche in einer schweren Krise steckt.
Bereits drei Monate vor der CeBIT häuften sich die Alarmmeldungen: Intershop, Yahoo, Hewlett-Packard, Gateway, Microsoft, Dell, Nokia, Oracle, Intel und Ericsson - um nur einige zu nennen - gaben Gewinn- oder Umsatzwarnungen heraus. Telekom-Chef Ron Sommer drohen Klagen seitens der Aktionäre: Der Konzern hatte den Wert seiner Immobilien nach unten korrigiert und damit auch, seinen eigenen Wert. Intershop-Vorstandsvorsitzender Stephan Schambach zieht sich aus dem operativen Geschäft, zurück und-, Yahoo-Chef Tim Koogle nahm seinen Hut
Ein Grund für die Misere PC-Hersteller ist die Marktsättigung. Das „Hertz-Rasen", wie Saturn kürzlich eines seiner Prospekte betitelte, lässt die Computernutzer kalt. Mehr Speicherplatz und schnellere Prozessoren motivieren nicht zum Kauf eines neuen PCs. Die Folge: Die Hersteller liefern sich einen Preiskampf, müssen günstiger produzieren und haben geringere Margen. So senkte Computerhersteller Dell die Preise im Direktvertrieb und verkündete, 1.700 Mitarbeiter in den USA zu entlassen. Intel-Chef Craig Barrett kontert der Absatzflaute, indem er die Gehälter seiner Mitarbeiter einfriert und einen Einstellungsstopp verhängt. Stattdessen fördert er mit 4,3 Milliarden Dollar die Forschung. Auch die Telefongesellschaften wie Deutsche Tele-kom und Mobilcom investierten viel Geld in die
Zukunft: Sie ersteigerten im Sommer für etwa 100 Milliarden Mark UMTS-Lizenzen. Der neue Standard sollte den Mobilfunk revolutionieren. Die Euphorie ob der innovativen Technik war zunächst schier grenzenlos. Heute, ein gutes halbes Jahr später, haben Investoren, Kreditgeber und Experten plötzlich Bedenken: Was bringt UMTS den Kunden?
Zwar könnten Mobilfunknutzer einen ganzen Spielfilm auf ihrem Handy anschauen - aber wollen sie das wirklich? Den Anbietern fehlt die Killerapplikation - und ein attraktives Preismodell. Denn wegen der horrenden Kosten für die Lizenzen und den Netzaufbau soll UMTS den Kunden teuer zu stehen kommen. Damit ist der neue Standard für Investoren nicht mehr lukrativ. Die Mobilfunkkonzerne stecken in der Krise: Lag der Kurs der T-Aktie im März 2000 noch bei 103 Euro, so ist das Papier ein Jahr später nur noch 27 Euro wert. Kapital verbrennen am Neuen Markt leicht gemacht. Im Vergleich zu manchem Internet Startup geht es der Telekom sogar noch gut. Erreichte der Nemax, der Index des Neuen Marktes, im März 2000 mehr als 8.500 Punkte, liegt er ein knappes Jahr später gerade bei rund 2.000. Aus der Traum vom schnellen Reichtum für Anleger, Mitarbeiter und Gründer der Internet-Companys. Die Analysten von Webmerger.com verzeichneten allein im Januar 2001 in den USA 49 Pleiten in der Internet-Szene. Die US-Verlage und TV-Sender entlassen viele Mitarbeiter ihrer Online-Ableger. Hier zu Lande feuert Dooyoo.de 25 Mitarbeiter und die Einkaufsgemeinschaft Letsbuyit.com baut v200 Stellen in Europa ab. Dabei ist es ein kleines Wunder, dass der Rabatthändler so glimpflich davonkommt: Ende Dezember beantragte er die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Im Februar gaben ihm neue Investoren 52 Millionen Euro. Genug, um „bis Ende 2002 die Gewinnzone zu erreichen", meint John Palmer, Gründer und Chef von Letsbuyit.com. Eine „attraktivere Produktauswahl" will er bieten und schränkt sie erst einmal ein: Die Rubriken „Auto" und „Kosmetik" sind verschwunden. Die Zeiten des Online-Shoppings sind erst einmal vorüber Beschworen Web-Firmen und Marktforscher bis vor einem halben Jahr das Zeitalter des Internet-only-Shoppings herauf und prophezeiten jedem Offlineunternehmen das baldige Ende, drehen sich die Vorzeichen nun um: Online Kosmetikshop Beautyspy eröffnete kürzlich seine erste Filiale in München; die Direktanlagebank hat zwölf Servicecenter, Primus-online kaufte Musikhändler JPC und besitzt nun 13 Filialen. Naht das Ende des Webs? „Das Internet erlebt in den nächsten Jahren eine Adaptionskrise - die Nutzerzahl stagniert, die Euphorie verfliegt", so das Zukunftsinstitut von Matthias Horx in seiner Studie „Die Zukunft des Internet". Begründung: Noch sei das Web nur einer Info-Elite zugänglich. Erst schnellere Zugänge und einfachere Geräte machen es zum Massenmedium; 2005 soll es Horx zufolge so weit sein. Bis dahin muß die IT-Branche einen Weg aus dem wirtschaftlichen Tal finden. Die nächste CeBIT wird zeigen, ob dies gelungen ist. kirsten.broecheler@chip.de
Das paĂźt sicher besser in dieses Board, als Optimismus und Zuversicht, aber wir sollten nicht einseitig werden und denken
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