- Oldystunde von Jaco - Oldy, 04.04.2001, 04:06
Oldystunde von Jaco
Diesmal, weil mich Sascha mit seinem Licht nicht in Ruhe
laesst, schicke ich etwas, das euch zeigen soll wie einfach
es dem Oldy sein wird, auch schlimme Zeiten zu ueberleben.
Da Jaco einmal Olympiateilnehmer in Tontaubenschiessen war
und eine schoene Waffensammlung hat und Oldy auch einmal
in einem Pistolenclub war, haben wir sogar Zaehne, wenn es
zum Schlimmsten kommen wuerde. Vielleicht wuerden wir uns
auch in dem Fall in mein Tal absetzen, weil es da noch
sicherer ist.
Mein Freund Jaco!
Die Geschichte fängt mit unseren Küchenherd an, den wir gebraucht gekauft hatten. Kuchen und Brot, welches wir in ihm backen wollten, verbrannten immer auf der Unterfläche. Ich hatte deshalb die Idee, mit Hilfe einer Ziegel oder Tonplatte einen gewissen Hitzeschild zu schaffen. Das war aber leichter gesagt als getan, weil ich nirgendwo so eine Platte in der nötigen Größe auftreiben konnte. Niemand konnte mir helfen, bis ich endlich etwas außerhalb der Stadt zu einem Maurerbedarfplatz kam. Der Mann dort, wie sich später herausstellte war er der Inhaber, fragte mich wozu ich so eine Platte brauchen würde. Als ich ihm erklärte, was ich damit vorhätte, sagte er:" Möglicherweise könnte ich so eine Schamottplatte bekommen, aber das wird nicht billig sein. Warum versuchst Du nicht eine Marmorplatte. So eine habe ich und kann sie in der gewünschten Größe zuschneiden."
"Wird die aber nicht springen" fragte ich. Er beruhigte mich darüber und sagte daß ich sie dafür schon fallen lassen müßte, die Hitze würde ihr nichts ausmachen und das stimmte auch und ich besitze die Platte noch immer obwohl ich sie nun im neuen Herd nicht mehr brauche.
Als er mir die Platte auf seiner Diamantsäge zuschnitt, schaute ich mich ein wenig auf Platz um und freundete mich mit dem Wachhund an und sah, daß er da neben der Hundehütte und dem kleinen Haus im Hintergrund des Platzes in dem er wohnte einen Haufen Weiden liegen hatte und einen halbfertigen Korb. Ein anderer, gefüllt mit Paprika hing auch dort an einem Haken im Schatten. Als er mein Interesse sah und als ich sagte:" Solche Körbe möchte ich auch machen können", meinte er:"Das ist ganz einfach. Ich lerne es Dir."
So fing meine Freundschaft mit Jaco an. Er ist Spanier und hatte früher ein Baugeschäft mit 70 Arbeitern, dann fiel er aber einmal von einem Baugerüst und brach sich die Wirbelsäule drei mal. Zum Teil vielleicht deshalb ging er damit, wie er sagte pleite. Ganz glaubte ich ihm das nicht, denn der Platz hier war nur seine Fileale, während das Hauptgeschäft von seiner Frau mit einem Angestellten geführt wurde und er pendelte am Wochenende mit einem BMW die 100 km dorthin.
Jedenfalls lernte ich in den Jahren seit ich ihn kenne außer Körbeflechten auch sonst noch allerhand von ihm. Er fand nämlich, daß es nicht gut für mich sei, wenn ich so faul bin und deshalb schickte er mich gleich auf die Suche nach einen Grundstück, wo man Schotter gewinnen könnte für eine Kunststeinerzeugung, die er vorhatte. Daraus ist leider aber nichts geworden. Dafür mußte ich aber mit dem Hubstapler und dem Schaufellader umgehen lernen, damit ich ihn notfalls vertreten könnte, was ich auch später für einige Zeit tat.
Jaco muß sicherlich Konquistatorenblut in seinen Adern haben. So viel Mut, wie er hat, könnte ich nie aufbringen. Nach seinen Erzählungen fing er vor Jahren mit einem Haus an, welches er kaufte, indem er sich von der Realitätenagentin 200.-$ Anzahlung ausborgte und mit der Miete, die er später dafür einnahm nicht nur die Raten bezahlte sondern nach und nach auch andere Häuser im selben Häuserblock aufkaufte. Den ganzen Häuserblock mit den alten Häusern verkaufte er dann an jemand der dort ein Geschäft mit Parkgagage darauf errichtete. Die Arbeit machte natürlich auch Jaco mit seiner Baufirma. Er verdiente also doppelt daran.
Jaco`s jetziges Geschäft ging nicht sehr gut, weil durch das Aufkommen von vorfabrizierten Gasfeuerstellen, die Kamine mit Ziegeln und Natursteinen die sein Hauptgeschäft waren völlig abgekommen waren. Er kaufte aber trotzdem noch zwei weitere Plätze dazu, die er zwei Jahre mit Verlust betrieb.
Später suchte er sie und auch die Fileale in der ich ihn kennengelernt hatte, wieder loszuwerden. Da er zu dem Zweck aber öfters weg mußte, brauchte er mich,um ihn zu vertreten. Ich tat das auch als freier Mitarbeiter, denn ich hatte in der Zwischenzeit ein eigenes Geschäft angefangen und wenn ich da Arbeit hatte, verdiente ich viel mehr als er mir zahlen konnte.
Dieses mein Geschäft, war auch durch eigenartige Weise auf ihn zurückzuführen. Er stellte mich da einmal einem Bekannten von ihm vor der Manager einer Erdölfirma war, die auch Propan verkaufte und da diese Firma gerade umstrukturiert wurde, sagte mir dieser Manager, daß er einen Posten für mich hätte als Platzwart des Propanlagers. Ich hätte dort sonst nichts zu tun, als dafür zu sorgen, daß die Tanks nie leer wären, was etwa vier Stunden Zeitaufwand pro Tag in Anspruch nehmen würde und $ 15,000.- im Jahr einbringen würde, wobei ich die vier Stunden einfach nur anwesend sein müßte um einige Hähne auf und zu zu drehen und in der Zwischenzeit ruhig lesen könnte. Zu so einen Traumposten konnte ich natürlich nicht nein sagen, besonders weil meine Ersparnisse durch die Inflation langsam immer weniger wert geworden waren und die Pensionszahlungen noch einige Jahre entfernt waren. Jedesmal, wenn ich ihn traf, fragte ich deshalb, wann es so weit wäre und er vertröstete mich immer auf die Zukunft.
Da sah ich auf einmal in der Lokalzeitung ein Stellenangebot, wo eine Petroleumfirma eine Ã-ffnung für einen"reifen" Mann hatte." So ein Gauner," dachte ich," da verspricht er mir den Posten und jetzt geben sie das in die Zeitung. Ich werde es ihm zeigen und werde mich einfach darum bewerben."
Gesagt, getan, aber zu meiner Überraschung war das eine ganz andere Firma aus den Staaten, die Leute suchte, die ihr Material zum Dachdecken und verschiedene andere Zwecke wie Maueranstrich verkaufen sollten. Ich antwortete erst einmal gar nicht, weil ich genug von einem Verkäuferleben hatte und so etwas nicht mehr tun wollte. Die waren aber hartnäckig und nach dem vierten Brief, wo sie mir das als Teilzeitarbeit anboten, war ich weichgeklopft.
Bald kam ich darauf, daß es schwer war jemand zu finden der das Zeug dann auf die Dächer schmieren würde und mußte mich entschließen, es selber zu tun. So war ich auf einmal im Alter von 62 Jahren ein selbständiger Dachdecker geworden. Ich, der ich immer ein mulmiges Gefühl hatte, wenn ich höher als zwei Meter über dem Boden war und der nun schon 12 Jahre in Ruhestand gewesen war.
Aber, ich machte im ersten Jahr für etwa zwei Monate Arbeit ( mehr Aufträge konnte ich beim besten Willen nicht bekommen mit acht Seiten voll hungriger Konkurrenz im Telephonbuch und fast 20 % Arbeitslosen im Bezirk) fast genau die 15,000 die ich sonst im ganzen Jahr als Platzwart gemacht hätte. Ganz so viel machte ich in den folgenden beiden Jahren nicht mehr und mit Anlauf meiner Pension ließ ich es ganz bleiben.
Im letzten Jahr war Jaco für 4,000.-$ verantwortlich, die ich ihm für meine Arbeit berechnete und dieses Geld führt mich noch heute in Form eines Wohnmobils herum. Da hatte ich ihm mitgeholfen, Zeit für die Liquidierung seiner drei Filealen zu haben. Den Scheck für das Geld mußte ich selber ausfüllen, denn Jaco kann nicht englisch schreiben und hat in all den Jahren als erfolgreicher Geschäftsmann noch nie einen Scheck ausgefüllt.
Ich höre deshalb, seit ich von der Insel fortgezogen bin nur selten von ihm, aber sein Millionenhaus, welches er in den letzten zwei Jahren erbaute habe ich schon gesehen und zwei der ehemaligen Filealen bringen ihm jetzt mehr Geld als zuvor. Für eine, die er für 60,000 gekauft hatte bekommt er jetzt 6,000 Monatsmiete und sein Mieter muß noch alle Steuern zahlen. Für die zweite bekommt er"nur" 3,000 aber die hatte er ja nur zwei Jahre betrieben und hatte sie für 50,000 gekauft. Auch keine schlechte Rendite. Ich brauche also keine Gewissensbisse zu haben, daß ich ihm Geld für mein Vergnügen abgenommen habe.
Welches 60jährige Kind hat denn sonst die Möglichkeit mit so tollen Maschinen wie Hubstapler, Schaufellader und anderen Baumaschinen zu spielen. Sogar Schweißbrennen durfte ich. Na,und die drei Körbe, die ich noch heute für alle möglichen Zwecke benütze, sind schließlich auch etwas wert.
Und die Moral dieser Geschichte? Wenn ein über 60 jähriger übergewichtiger Mann, der seit über dreißig Jahren nicht mehr körperlich gearbeitet hatte und der als Ausländer erkannt wird, wenn er nur den Mund aufmacht, weil sein Akzent zum Schneiden ist, Arbeit finden kann, dann frag ich mich, wieviele von den 20 % Arbeitslosen wirklich arbeiten wollen. Wenn dieser Mann von seiner Firma, dann für die anfallenden Arbeiten, die er nie vorher gemacht hatte, Durchschnittszeiten bekommt, damit er Angebote erstellen kann und er sich nach denen richtet und seine Arbeitsstunde nur mit 20.-$ berechnet, weil er Tagelöhner für 10.-$ pro Stunde bekommen könnte - und er macht tatsächlich nie unter 40.-$. Da frag ich mich über die Arbeitmoral dieser Durchschnittsarbeiter. Wenn während der drei Jahre in denen ich da während des Sommers, wenn es nicht regnete und an der Westküste Canadas regnet es fast dauernd, zahllose Zweitaufträge von zufriedenen Kunden bekam und unter meinen Kunden der Schulbezirk und das College waren und ich sogar von Versicherungsgesellschaften als" Sachverständiger" herangezogen wurde, dann frag ich mich, wie gut die anderen Firmen waren.
Und was könnte man sonst noch aus dieser Geschichte lernen? Erstens, daß es leicht ist Freunde zu finden, wenn man nicht immer gescheiter sein will und sich gerne belehren laßt und wenn es sich auch nur um´s Körbeflechten dreht und zweitens daß man mehr kann als man glaubt. Der alte Hans als"Dachschädensachverständiger" und das ist nicht zweideutig gemeint, ist dafür ein glänzendes Beispiel.
Bis hierher schrieb ich vor etwa zwei Jahren. In der Zwischenzeit ist Jaco noch immer nicht seine Betriebe los geworden und jetzt stehen zwei davon ganz leer und das Unkraut wächst dort wo nicht Beton oder Asphalt es verhindert. Die wirtschaftliche Lage ist noch schlechter geworden und jetzt ist es ihm auch recht, wenn er seinen Hauptbetrieb, den er eigentlich bis zum Ende behalten wollte als ersten verkaufen kann. Ist das geschehen, hat er auch seine Arbeit verkauft und kann sich in einem kleinen Weingut zur Ruhe setzen. Seinen ursprünglichen Plan auch in Spanien etwas zu kaufen und je ein halbes Jahr hier und ein halbes Jahr dort zu leben, hat er, nachdem er 5 Wochen dort war, fallen gelassen. Es gefiel ihm gar nicht mehr dort. In seinem viel zu aufwendigen Millionenhaus in Victoria will er auch nicht bleiben, denn im Grunde genommen ist er ein Workoholiker und da paßt ein kleines Weingut besser zu ihm.
Jetzt bleibt es also beim Weingut und er möchte dort auch eine Hütte für den alten Hans herrichten. Ich glaube, daß ich da mich nicht lange zieren werde. Weingut allein klingt schon gut. Kabelanschluß ans Internet gibt es in der in Frage kommenden Gegend auch schon (ich habe mich erkundigt) und da es gar nicht so weit von meinem jetzigen Heim ist, kann ich da auch nach dem Rechten sehen, bis ich mich vielleicht entschließe es aufzugeben.
Im kommendem Monat werde ich jedenfalls einige Tage Gast in seinem Millionenhaus sein und vielleicht helfe ich ihm danach ein passendes Weingut zu finden mit einer schönen Hütte für mich. Er sollte das ja schon vorher haben, bevor er alles andere verscheuert und bis es so weit ist, könnte ich ja darauf aufpassen.
Ich denke, das würde seiner Frau auch gefallen, damit nicht sie wieder, wie vorher, den Hauptbetrieb allein schaukeln muß, während er das tut, so wie er es mit seinen anderen Betrieben immer tat.
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