- ARTIKEL: Shortseller - Die Gewinner der Baisse. mvT. - Der letzte Grund, 06.04.2001, 14:09
- Re: Die großen Profis arbeiten via ZH, kenne viele. Keinerlei Zahlen bekannt... (owT) - dottore, 06.04.2001, 18:01
ARTIKEL: Shortseller - Die Gewinner der Baisse. mvT.
Leerverkäufer verdienen am Abschwung der Aktienmärkte
Von Martin Hesse
Als am Mittwoch an der New Yorker Wall Street das später dementierte Gerücht aufkam, der Technologiekonzern Lucent stehe vor der Zahlungsunfähigkeit,
rauschte der Kurs binnen Minuten um 30 Prozent nach unten - Short Seller hatten die Talfahrt beschleunigt, hieß es. Und sie waren es wohl auch, die den Kurs
wenige Stunden später wieder nach oben trieben, indem sie ihre Positionen schlossen. Fallen die Aktienmärkte so kontinuierlich, wie zuletzt in den USA und Europa,
ergeben sich derartige Chancen für Short Seller immer wieder. „Natürlich wird der Abwärtstrend durch Leerverkäufe noch verstärkt“, sagt Florian Weber,
Chefhändler beim Börsenmakler Schnigge. Weil die Umsätze an der Börse derzeit dünn seien, hätten Short Seller besonders leichtes Spiel, auf dem Trend nach
unten zu reiten. Hedge Fonds, die sich ganz auf diese Strategie verlegen, erwirtschafteten nach Angaben des Hedgefund- Informationsdienstes TASS im schlechten
Börsenjahr 2000 durchschnittlich einen Wertzuwachs von 15,76 Prozent. In den ersten beiden Monaten 2001 warfen die Short-Seller-Fonds durchschnittlich 6,72
Prozent ab.
Überbewertungen abgebaut
Den Nährboden für die Shorties schaffte jedoch bereits die Phase der Übertreibung im Frühjahr 2000. Denn Profis wie der Amerikaner Manuel Asensio spüren vor
allem überbewertete Aktien auf, gehen short und leiten so häufig bei einzelnen Aktien eine Korrektur ein. „Es ist Aufgabe der Spekulanten, Liquidität in den Markt zu
bringen und Aktienkurse wieder ihrem fairen Wert zu nähern“, erklärt Matthias Hocke, Vorstand des Düsseldorfer Brokers Sino. Der in der Finanzszene berühmt
berüchtigte Short Seller baute beispielsweise bereits im vergangenen Herbst Short-Positionen bei der Intershop-Aktie auf. So trug er dazu bei, die offenbar zu hohe
Bewertung des Softwarehauses abzubauen, noch ehe die Probleme des Jenaer Konzerns offensichtlich wurden.
Doch das Spiel der Short Seller birgt erhebliche Risiken. Und das ist auch der Grund, weshalb die Shorties nicht gerne über ihr Geschäft reden: Wird ruchbar, dass
einer oder mehrere Short Seller versuchen, den Kurs einer Aktie nach unten zu drücken, können ihn so genannte Short-Jäger in die Enge treiben. Spekulanten, die
auf steigende Kurse setzen, versuchen - häufig zusammen mit dem betroffenen Unternehmen - den Wert nach oben zu treiben; etwa indem sie gute Nachrichten bei
Fondsmanagern und Analysten streuen. Steigt der Kurs dann tatsächlich, gerät der Short Seller in einen Short Squeeze. Er wird förmlich ausgequetscht und ist
gezwungen, sich teuer mit Aktien einzudecken, die er eigentlich billiger nachkaufen wollte. Er macht also ein Verlustgeschäft und treibt den Kurs noch weiter nach
oben - zur Freude seiner Jäger.
Um in diese Notlage nicht zu kommen, leihen Short Seller vorab die Aktien aus, die sie leer verkaufen wollen. So können sie die Position mit den geliehenen Aktien
schließen und gewinnen Zeit. Als Verleiher treten in Deutschland alle großen deutschen Banken und Fondsgesellschaften auf. Vom Umfang der verliehenen Aktien
und von der Höhe der Leihgebühren lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, in welchem Maße am Markt auf fallende Kurse spekuliert wird. „Die Höhe der
Gebühren hängt davon ab, wie liquide, also wie verfügbar eine Aktie ist“, erläutert Andrea Köhnlein, Händlerin bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. Daher lägen die
Gebühren für Dax-Werte mit durchschnittlich 0,1 bis 1 Prozent deutlich niedriger als bei Titeln des Neuen Marktes (1 bis 5 Prozent). Wenn die Leih-Nachfrage bei
einzelnen Aktien steige, etwa weil Short Seller auf fallende Kurse spekulierten, stiegen die Gebühren. So seien etwa in den vergangenen Monaten die Leihgebühren
für die Telekom- Aktie deutlich gestiegen, bei der Tochter T-Online liege die Gebühr ebenfalls überdurchschnittlich hoch.
Insgesamt sind jedoch die Leihgebühren laut Eicke Reneerkens, der für diesen Geschäftsbereich bei der Fondsgesellschaft Union Investment zuständig ist, in den
vergangenen Monaten nicht gestiegen. Weil immer mehr Fondsgesellschaften den Leihemarkt als lukrative Einnahmequelle entdeckten, sei das Angebot stetig
gewachsen. Die Gewinne aus dem Leihgeschäft verbessern unmittelbar die Performance des Fonds, aus dem die verliehenen Aktien stammen. Doch auch die
Schwäche am Aktienmarkt drückt mittlerweile offenbar die Gebühren. Gerade die Leihnachfrage nach Aktien des Neuen Marktes geht Reneerkens zufolge zurück.
Der Fondsmanager vermutet, dass der Wachstumsmarkt für Short Seller angesichts des niedrigen Kursniveaus mittlerweile uninteressant geworden ist. Die geringen
Börsenumsätze vieler Titel machen es für den Short Seller extrem schwierig, seine Position zu schließen, ohne den Kurs drastisch in die Höhe zu treiben - und sich so
selbst um den Gewinn zu bringen.
Zwar ist Short Selling in Deutschland nicht so verbreitet wie in den USA, verboten ist das Wetten auf Kursverluste jedoch nicht. Allerdings stellen Banken dies laut
Schnigge-Händler Weber häufig so dar - sei es aus Unwissenheit oder weil sie sich vor Klagen fürchten. „Fallen Privatanleger mit Spekulationsgeschäften auf die
Nase, stehen die Chancen nicht schlecht, dass sie bei ihrer Bank auf Schadenersatz klagen können, weil sie sich schlecht beraten fühlen“, vermutet Sino-Vortsnd
Hocke. Privatanleger richten sich daher mittlerweile häufig über das Internet Konten bei US-Brokern wie InteractiveBrokers ein, wo sie praktisch uneingeschränkt
„shorten“ können. Während in Deutschland fast ausschließlich institutionelle Anleger wie Hedgefonds und Banken als Short Seller auftreten, ist das „shorten“ in den
USA auch unter Privatanlegern gang und gäbe. In Deutschland ist Sino bislang der einzige Broker, der Privatanlegern das Short Selling ermöglicht. Die Kunden sind
laut Vorstand Hocke vornehmlich semiprofessionelle Privatanleger, die den ganzen Tag vor ihrem Computer sitzen und über das Internet kurzfristig mit Aktien
spekulieren. „Wenn abends bei n-tv eine schlechte Nachricht über ein Unternehmen verbreitet wird, können Sie davon ausgehen, dass am nächsten Tag unsere
Short-Seller auf den Knopf drücken“, sagt Hocke.
Auch für Anleger, die nicht selber als Short Seller aktiv werden wollen, sind Informationen über Shortpositionen wertvoll. Haben Spekulanten bei einer Aktie in
großem Stil Shortpositionen aufgebaut, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass die Aktie von vielen Profis als überbewertet angesehen und unter Druck kommen wird.
Häufig haben professionelle Short Seller zudem tatsächlich gute Informationen über bevorstehende schlechte Nachrichten. Einen guten Indikator dafür, wie groß der
Druck von der Short- Seite ist, liefert die Short-Rate, die die Zahl der leer verkauften Aktien zum täglichen Handelsvolumen in Relation setzt (Tabelle).
Pessimismus ungebrochen
Für Privatanleger sind Daten über Short-Verkäufe jedoch nur sehr eingeschränkt verfügbar. Die Deutsche Börse führt keine Statistik über Leerverkäufe. Die
US-Börsen Nasdaq und Nyse veröffentlichen auf ihren Internet-Seiten für Einzelwerte monatlich - aber zeitverzögert - die zu einem bestimmten Stichtag offenen
Shortpositionen. Erst im Nachhinein ist also ersichtlich, welche Strategie die Shortseller spielten.
In den USA haben die Shorties zumindest bis Mitte März offenbar Potenzial für weitere Kursverluste gesehen. Die offenen Short Positionen stiegen an der New
York Stock Exchange (Nyse) zum Stichtag 15. März auf den Rekordwert von gut 5 Milliarden Aktien. Vor einem Jahr hatte der Wert noch knapp über 4 Milliarden
gelegen. An der Technologiebörse Nasdaq stieg die Zahl der Leerpositionen im März auf 3,61 Milliarden Aktien - den höchsten Stand seit über einem Jahr. Die
Bären bleiben also am Ruder.
Bildunterschrift:
Der Amerikaner Manuel Asensio zählt zu den prominentesten Short Sellern. Wird er auf der Suche nach überbewerteten Aktien fündig, geraten Firmen-Chefs ins
Schwitzen. Denn Asensio spekuliert auf fallende Kurse. In Deutschland hatte er unter anderem Intershop im Visier.
Foto: Tim Petersen
Einen guten Indikator dafür, wie groß der Druck der Short Seller auf eine Aktie ist, liefert die Short-Rate. Sie setzt die Zahl der leer verkauften Aktien zum täglichen
Handelsvolumen in Relation. Die Kennzahl zeigt, wie viele Tage die Shorties benötigen, um ihre Positionen zu schließen. Je höher dieser Wert, desto größer der
Druck auf die Aktie. Mitte November 2000 lag beispielsweise die Short-Rate für die am Neuen Markt und an der Nasdaq gelistete QS Communications bei 152
Tagen - bereits ein Wert über 10 gilt als hoch. Bis Ende November fiel der Kurs um 25 Prozent auf 4 Euro. Anschließend deckten sich zahlreiche Short Seller
wieder ein, die Short-Rate ging bis Mitte Dezember auf 9 Tage zurück.
mhs
Short-Positionen in Unternehmen, die am Neuen Markt und notiert sindUnternehmenShort-Rate Short-RateShort-RateShort-RateShort- Rate15. März15.
Februar15. Januar15. Dezember 15. NovemberBroadvision1,9111,591,2 Carrier11,341,1115,698,55Intershop6,783,092, 187,134,54Lion
BioScience7,4710,919,574,896,24PrimaCom3,461,471,511,221,53 Quiagen 15,0619,28,0912,6813,24QS Communications72,44 62,3620,459,31152,29SCM
Microsystems18,2134,1424, 6712,8427,82Team Communications1,3811,371,615,43 Trintech Group13,095,051,171,77
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