- Buchvorstellung: Shiller IRRATIONALER ÜBERSCHWANG - BossCube, 21.04.2001, 21:59
- SUPER - Rumpelstilzchen, 22.04.2001, 08:49
- Re: SUPER... und noch ein Interview zum Thema - diadem, 22.04.2001, 10:45
- SUPER - Rumpelstilzchen, 22.04.2001, 08:49
Buchvorstellung: Shiller IRRATIONALER ÜBERSCHWANG
Hallo Leute,
wie ich gemerkt habe, interessieren sich einige für Shillers Buch „Irrationaler Überschwang“. Also schreibe ich mal eine kleine Buchvorstellung. Eigentlich wollte ich dieses WE George Soros „Die Krise des globalen Kapitalismus“ vorstellen, doch leider habe ich das Buch an meinem Studienort vergessen. Kommt also später.
Shillers Buch, wohlgemerkt, wurde Anfang 2000 geschrieben, also noch alles im Rausch war. Shiller hat sich damit klar gegen die Masse gestellt. Er hatte es also wesentlich schwerer als z.B. Ogger mit „Der große Bösenschwindel“ (im Jan. 2001 erschienen). Wer „leichte Kost“ sucht, der kann ich auch Ogger zulegen. Flott geschrieben und es umreißt noch Mal den ganzen Zauber um den NM.
Jetzt aber endlich zu Shiller. Ich werde Euch aus dem Teil l die wesentlichen Inhalte wiedergeben und gelegentlich meinen Kommentar beifügen. ( )
1: Das Niveau des Kapitalmarktes, historisch betrachtet
Einige Zahlen: Von Anfang 1994 bis 1999 stieg der Dow von 3600 Punkten auf über 11000 Punkte, also Verdreifachung. Während des selben Zeitraumes steigen Durchschnittseinkommen und BIP um weniger als 30%, die Hälfte davon durch Inflation. Die Unternehmensgewinne verbesserten sich um 60%. Es folgen noch einige Beispiele anderer Volkswirtschaften, die ein ähnliches Bild zeigen. Die USA stellen aber alles bei weitem in den Schatten.
Auf S. 20 findet sich eine Darstellung, die die inflationsbereinigten Gewinne mit dem Kursniveau des S&P vergleicht. Die Gewinne verzeichnen einen lfr. Aufwärtstrend, die Kurse schwanken viel stärker, sind aber auch klar nach oben gerichtet. Es gab Phasen, in denen beide Kurven stark auseinander klafften, diese wurden aber immer wieder durch Zusammenbrüche der Börsen korrigriet. So 1929 und auch Anfang der 70er Jahre. Seit ca. 1995 läuft der S&P exponentiell während die Gewinne nur im beschriebenen Umfang gestiegen sind. Wir haben es hier also mit einer nie dagewesenen Blase zu tun. Vielleicht kann Jürgen oder jemand anderes den Chart mal reinstellen.
Es folgt eine Darstellung historischer KGV´s die ebenfalls anzeigt, daß wir 1929 bei weitem hinter uns gelassen haben. Eine Aussage, die sich die Langfrist - Fanatiker hinter die Ohren schreiben sollten, ist, daß das Kurshoch vom Januar 1966 inflationsbereinigt erst im Mai 1992 wieder erreicht wurde! (S. 25) Einschließlich Dividenden erhielt man einen effektiven Ertrag von -2,6% (5-Jahres-Durchschnitt), -0,5%(15-Jahres-Durschnitt), +1,9% (20-Jahres-Durchschnitt). Ganz toll!!!
Es folgt ein historischer Vergleich von KGV`s und den Erträgen der nachfolgenden Jahre. Immer wenn die KGV´s besonders hoch waren, waren die Folgejahre absolut „dürr“ Witzisch ist, daß die aktuellen Zahlen gar nicht in sein Diagramm passen, das 19. und wesentliche Teile des 20.Jh. umfaßt.
„ Überflüssig zu erwähnen, daß das Diagramm für die nächsten zehn Jahre erhebliche Verluste suggeriert.“
1996 übrigens hielt Shiller eine Rede vor dem Federal Reserve Board und zwei Tage danach griff Greenspan Shillers Ausspruch vom „Irrationalen Überschwang“ auf. Sieben Monate später sprach Greenspan von einem „neuen Zeitalter“. (Er muß erkannt haben, daß es kein zurück gab und daß die Blase nicht verkleinert werden kann, daß sie höchstens platzt oder ständig weiter gefüllt werden muß.)
2. Beschleunigungsfaktoren (der Blase, J.):
a) Das Internet
„ Das Internet vermittelt lebhafter als jene (PC, Fernsehen, J.) die Vision einer anderen Zukunft. Es erzeugt das Gefühl, die Welt zu beherrschen. Die Menschen können elektronisch über die Erde bummeln und Aufgaben erledigen, von denen sie früher nicht zu träumen gewagt hätten....... Weil das Internet so prägnant und unmittel-bar ist, nehmen die Menschen wie selbstverständlich an, daß es gewaltige ökonomische Auswirkungen haben werde.“
Jetzt ein wichtiger Satz: „ Maßgeblich für den Aktienboom war also nicht die Wirklichkeit der Internet-Revolution, die kaum wahrnehmbar ist, sondern der öffentliche Eindruck, den diese Revolution hinterließ.
b) Das Gefühl des Triumphes und der Niedergang ausländischer Wettbewerber
Das Vertrauen in das kap. System nach Zusammenbruch des Sozialismus wird gleichgesetzt mit dem Vertrauen in die US-Börse. Der Niedergang Japans und die Asienkrise werden als Schwächen der Hauptkonkurrenten gewertet, die den Amerikanern nützen. Natürlich das in USA weitverbreitete Selbstbewußtsein, die Größten zu sein, spielt auch eine wichtige Rolle.
c) Der Kulturwandel oder die gesellschaftliche Aufwertung des Erfolgs
„Aktien verheißen bekanntlich zumindest die Chance auf schnellen Reichtum, und insofern ist es plausibel, daß eine materialistische Haltung kurstreibend wirkt.“
Nach einer Umfrage kreuzten 1998 63% aller Befragten an, Geld sei ihnen sehr wichtig. 1975 waren dies nur 38%.
Aktienoptionen spielen ebenfalls eine äußerst wichtige Rolle, bringen sie doch das Management in Versuchung, um jeden Preis die Kurse in die Höhe zu jagen. „Führungskräfte mit Aktienoptionen neigen dazu, Dividendenzahlungen durch Aktienrückkäufe zu ersetzten, weil dadurch der Wert ihrer Optionen unmittelbar steigt.“ (Also ein Selbstbedienungsladen, der Fehlentscheidungen geradezu magisch anzieht.)
Es folgen noch als Erklärungen: sinkende Kapitalertragssteuer, geburtenstarke Jahrgänge, Ausweitung der Wirtschaftsnachrichten in den Medien, immer optimistischere Prognosen der Analysten,401(k) Pläne, Invest-mentfonds, sinkende Inflationsraten und die Auswirkung der Illusion des Geldwertes, Ausweitung des Handels-volumens und die Neigung zum Glücksspiel.
Noch einige Worte zum Geldwert. Nach Modigliani und Cohn wurde in den 1979 empirisch belegt, „...daß die Börse bei hohen Nominalzinsen an Wert verliert, ohne daß deswegen notwendig der Realzins hoch sein muß: Ursache ist eine Art `Illusion des Geldes`, eine weit verbreitete Täuschung über die Folgen eines sich verändernden monetären Standards.“.... „Die Verbraucherpreise haben sich seit 1960 versechsfacht und seit 1913 versiebzehnfacht. Allein die Teuerung bewirkt also einen langfristigen Aufwärtstrend, wenn dieser Effekt nicht wieder herausgerechnet wird.“
3. Verstärker: Natürlich auftretende Pyramidenprozesse
a) Das Vertrauen den Anleger
„ Anleger, deren Vertrauen und Erwartungshaltungen von den vergangenen Kurssteigerungen getragen werden, treiben die Kurse weiter in die Höhe und ermutigen andere Anleger, es ihnen gleichzutun.“ So entsteht die Beschleunigung der ursprünglichen Faktoren.
In einer von Shiller 1999 durchgeführten Umfrage gaben 76% der Befragten an: „Aktien sind die beste Anlageform für langfristige Investments, die das Auf und Ab der Kursbewegungen einfach aussitzen.“
20% stimmten mehr oder weniger zu, 2% neutral, 1% nicht ganz und 1% gar nicht. Anleihen und Immobilien sind deutlich ins Hintertreffen geraten. „Man könnte annehmen, daß nicht nur eine verschwindende Minderheit der Anleger Gold oder Diamanten oder andere Rohstoffe, Anitquitäten oder Kunst oder gar Investitionen in die eigene Aus- und Weiterbildung (!) für die beste Strategie halten....Die Ã-ffentlichkeit sieht in der Börse offenbar eine sichere und lukrative Anlageform ohne ernsthafte Verlustgefahr.“ Die Masse der Investoren geht davon aus, daß Verluste schnell wieder aufgeholt werden. “Phasen nachhaltig schlechter Performance sind im allgemeinen Bewußtsein nicht präsent.“ (die jüngsten Ereignisse zeigen, daß KEINE Angst da ist, daß wir noch sehr weit von der Normalität entfernt sind. Man erinnere sich an Markus Koch, der wie gedopt herumsprang und Shorties jagen wollte.). Ein Muster hat sich gebildet, das von steigenden Kursen als Normalität ausgeht (siehe Vortrag von Rumpelstielzchen in Ochsenfurth). „...wird das Denken der Menschen nur noch von dem vagen, aus der Zufallsbeobachtung sehr kurz zurückliegender Daten gespeisten Gefühl bestimmt, daß der Markt noch jeden Abwärtstrend wieder umgekehrt habe.“
Shiller erwähnt dann noch einige Bücher und Zeitungsartikel, die alle den leichten Reichtum versprechen. (Risiken gibt es natürlich nicht und man muß schon blöd sein, nicht auch bald zu den Reichen zu gehören.)
Auf S. 68 wird sogar Bernd Niquet mit seinem Buch „Keine Angst vorm nächsten Crash“ erwähnt: „....widmet sich voll und ganz dem Thema, daß der stoische Anteilseigner in jedem Fall gewinnt.“
Und noch ein wichtiger Satz: “ Tatsächlich spiegelt sich in dem Vertrauen zur Börse das Vertrauen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.“
(Mir stellt sich jetzt die Frage: Das Vertrauen der Anleger in wirtsch. Entwicklung hat nach Aussage des Konsumentenvertrauenes deutlich gelitten. Der Dow ist kaum gefallen. Sind Regierungskreise in viel größerem Ausmaß als bisher gedacht dabei, den Markt hochzukaufen? Die Geldmengenzahlen sprechen dafür.)
b) Trotz hoher Marktbewertungen keine Anzeichen für nachlassende Erwartungen
1989 erwarteten die Anleger im Durchschnitt 0,6 Steigerung der Kurse im nächsten Jahr, 1996 waren es 5% und 1999 4,6%. Die Mehrheit erwartet 10-15% p.a., ca. 1/3 sieht einen Rückschlag bis 10%, wenige bis 20%. So kommt dieser niedrige Durchschnittswert zustande.
„Die emotionale Gestimmtheit der Anleger ist mit Sicherheit einer der wichtigsten Gründe für die Hausse.“
(Das weiß auch Freund Grünspan genau und versucht jetzt mit Gewalt, die Stimmung wieder ins Positive zu drehen.)
c) Das öffentliche Interesse an der Börse
Shiller gibt hier einige interessante Zahlen über die Verbreitung von Börsennachrichten in den Zeitungen zum besten. In Hausseperioden nimmt der Anteil der Börsenberichterstattung dramatisch zu, um in der Baisse wieder einzubrechen. 1922-24 waren es 0,025% aller Beiträge, 1929 0,093%, in der Talsohle 1982 waren es 0,194%, 1987 0,364%, während der Rezession 1990 nur noch 0,171% und 1998 schließlich 0,293 %.
Interessant auch die Korrelation zwischen der Anzahl von Investmentklubs und den Kursen. Eine Sammelorganisation solcher Klubs hatte 1954 953 Mitglieder, 14102 1970, nur noch 3642 1982 und heute immerhin 37129. (Mich würden die aktuellen Zahlen interessieren, werde Shiller kontaktieren)
d) Rückkopplungstheorien zu Spekulationsblasen
Die R. besagt, wie weiter oben beschrieben, „....daß Kurssteigerungen zu weiteren Kurssteigerungen führen, indem die anfängliche Kurssteigerung neue Nachfrage erzeugt.“ Dieser sich selbst verstärkende Prozeß wird Rückkopplungsschleife genannt (selbsterfüllende Prophezeiung, Spekulationsblase). Gewonnenes, quasi an der Börse erspieltes Geld, wird auch leichter eingesetzt und nach Kurssteigerungen wird nicht verkauft.
Diese Blasen funktionieren nur solange, wie die Nachfrage ständig hoch bleibt. Sobald die Nachfrage nachläßt, MUß (!) die Blase platzen. Ebenso existieren negative Spekulationsblasen, die sich so lange nach unten schrauben, bis ein Niveau erreicht wird, auf dem ein weiterer Kursrutsch unwahrscheinlich wird.
e) Pyramidensysteme als Modell für Rückkopplung und Spekulationsblasen
„ Schwindler initiieren ein positives Feedback von vermeintlichen positiven Renditen. Das kam so oft vor, daß Pyramidengeschäfte verboten werden mußten. (Man erinnere sich an die Spekulatinswut der Albaner vor etlichen Jahren, J.) Aus den 20er Jahren ist aus den USA das Ponzi-Schema bekannt, d.h. aus Einzahlungen der ersten Anleger werden die Zinsen bezahlt und so fort. Positive Erfahrungen mit den „sicheren“ Erträgen lassen immer mehr Personen teilhaben bis dann keine Neuanleger kommen und das System zusammenbricht. (Nicht unähnlich zur Verschuldungskette, die nicht reißen darf)
Zunächst sind die Anleger meist vorsichtig und mißtrauen den Versprechungen. Durch Erfolge werden sie leichtsinnig, dann übermütig und sind schließlich pleite.
„ Wenn etwa Kollegen oder Nachbarn große Gewinne mitnehmen, ist das für viele im Verbund mit der Investmentstory wirklich überzeugend - so überzeugend, daß selbst der stimmige Nachweis vom absehbaren Scheitern der Sache dagegen nicht ankommt.“
f) Spekulationsblasen als natürliche Pyramidensysteme
„Wenn die Kurse mehrfach hintereinander steigen, sehen sich die Investoren in der Folge belohnt, ähnlich wie bei Pyramidengeschäften.“ Wichtig ist, daß positive Nachrichten betont und negative abgedrängt werden, um den Prozeß ingangzusetzen. Diese Aussagen stehen diametral dem Paradigma vom vollständigen Markt entgegen, doch dieser ist ohnehin ein Märchen!
„Fast alle heute gebräuchlichen Wirtschaftslehrbücher.......vermitteln den Eindruck, der Fortschritt an den Finanzmärkten verlaufe mit mathematischer Präzision.“
g) Irr. Überschwang und Rückkopplungsschleifen heute
„Ein langfristiges Risiko wird kaum wahrgenommen. Die Gewinnerwartung ist nicht bescheiden, trotz der hochfliegenden Kurse....... Das sind die Grundzüge des i. Ü. in den Vereinigten Staaten.“
Womit ich den Einblick in Shillers Buch beenden möchte. Es folgen weitere drei Teile, die sich mit kulturellen Faktoren, psychologischen Faktoren und dem Versuch, den Überschwang rational zu erklären, beschäftigen. Ich hoffe, daß Teil 1 Euer Interesse geweckt hat und einige zum Kauf animiert. Für mich ein sehr gutes Buch, das sich die N-TV - Figuren und die anderen Börsenjunkies dringend durchlesen sollten. Aber das wird ein frommer Wunsch bleiben, denn wir wissen, daß jetzt alles wieder gut wird und das letzte Jahr nur ein böser Traum war. Onkel Greeny wird uns alle sanft wecken und reich machen.
Gruß
Jan
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