- Oldystunde - vierter Mann - Oldy, 22.04.2001, 01:31
- Re: Oldystunde - vierter Mann - Chrizzy, 22.04.2001, 02:05
- Re: Oldystunde - vierter Mann - Jochen, 22.04.2001, 18:50
Oldystunde - vierter Mann
Jochen und Nereus sagen immer, dass ich die Menschen bei meinen Theorien nicht einberechne. Hier ist ein Beitrag, der es anders Zeigt.
Vom ersten bis zum letzten Mann!
Die Wirtschaftswissenschaft geht immer von einem logischen homo economicus
aus, der danach handelt, was er als seinen Vorteil ansieht, erklärt aber nie die
Zusammenhänge, wie die Wechselbeziehung zwischen ökonomischen
Gegebenheiten und wirksamen Kräften mit den Akteuren im Wirtschaftsgeschehen
von statten geht. Darum soll hier der kurze Versuch gemacht werden, die
psychologischen Beweggründe einiger Wirtschaftsteilnehmer für ihre Handlungen
zu untersuchen.
Da ist zuerst einmal der erste Mann. Er hat ein Vermögen, welches nicht zum
Verbrauch bestimmt ist. Auf welchen Weg er dazu gekommen ist, ist hier
nebensächlich. Ob er oder seine Vorfahren es zusammengeraubt oder gestohlen
haben, ob es automatisch durch Zins und Zinseszins gewachsen ist, ob er Glück im
Spiel gehabt hat, oder es vielleicht sogar erarbeitet und erspart hat, ist für die
Erkenntnis der Zusammenhänge bedeutungslos.
Jedenfalls will er aber dieses Vermögen erhalten und vermehren. Das passiert aber
nicht von selber, außer vielleicht mit der Ausnahme von Waldbesitz. Nun hat alles
Vermögen in unserer heutigen Wirtschaftsform einen Geldwert. Das heißt, man
kann es gegen Geld verkaufen, genau so wie man umgekehrt mit Geld
Realvermögen kaufen kann. Der Einfachheit halber nehmen wir für unsere
Untersuchung deshalb nur Geldvermögen an.
Da hat unser erster Mann also mehr Geld, als er für seinen täglichen Bedarf
braucht und will sein Vermögen erhalten und, wenn möglich, vermehren. Der
einfachste Weg, das ohne eigene Arbeit zu tun, ist, wenn er es einem zweiten
Mann gibt, der es für ihn aufbewahrt, es verwendet, und ihm Zinsen dafür zahlt.
Es hat sich eingebürgert, daß dieser zweite Mann meistens ein Bankier ist, der dann
dieses Geld gegen höhere Zinsen weiter verleiht. Um den ersten Mann seine Zinsen
zu zahlen und weil er selber ja nur Mittelsmann ist, braucht der aber den dritten
Mann, der sich das Geld ausleiht.
Dieser dritte Mann kann aber die Zinsen nur dann auf Dauer bezahlen, wenn er mit
Hilfe des Geldes Kapitalgüter kauft, die ihm mehr einbringen, als er Zinsen zu
zahlen hat. Es sei ausdrücklich gesagt: auf Dauer, denn natürlich kann jemand auch
Geld leihen für Konsumzwecke, aber damit kauft er nur Zeit und muß später
seinen Konsum einschließlich der Zinsen aus seinem Einkommen bezahlen.
Für tatsächlich volkswirtschaftlich ins Gewicht fallende Summen gilt jedenfalls, daß
der dritte Mann nur dann Schulden macht und Zinsen dafür bezahlt, wenn er sicher
ist, mehr als die Zinsen erwirtschaften zu können. Am deutlichsten ist das beim
Handelskapital. Ein Kaufmann wird nur dann mit Hilfe eines Kredites etwas
kaufen, wenn er sicher sein kann, es mit genügend Gewinn wieder verkaufen zu
können. Tut er das nicht, oder täuscht er sich, wird er schnell zahlungsunfähig sein.
Natürlich könnte der dritte Mann auch einen vierten finden, der ihm das Geld für
noch höhere Zinsen abnimmt aber das wird eher selten sein, denn wenn dieser
vierte Mann ein gutes Risiko darstellt, bekommt er das Geld auch vom zweiten
Mann. Der dritte Mann muß also einen letzten Mann (oder einen vorletzten
Zwischenhändler) finden, der ihm seine Waren abkauft und damit Geld ins Haus
des dritten Mannes bringt für die Zahlung der Zinsen und die Rückzahlung des
Kredites.
Dieser letzte Mann ist in meisten Fällen ein Frau, wie auch die vorhergehenden
Männer nicht unbedingt Männer sein müssen.
Ohne diesen letzen Mann/Frau, der sein Geld auf den Markt bringt und dort die
angebotenen Waren kauft, kann auch der erste Mann sein Geld nicht verleihen und
Zinsen dafür verlangen.
Der letzte Mann bestimmt, was und zu welchen Preis etwas erzeugt und verkauft
werden kann, denn er ist es, der auf dem Markt Platz für neue Waren schafft.
Damit ermöglicht er es dem dritten Mann für seine Güter einen Bedarf vorzufinden
und das bringt die Voraussetzung, daß dieser vom zweiten Mann Geld borgen kann
und dieses Geld ist das Geld des ersten Mannes.
Damit ist eigentlich der gesamte Kreislauf beschrieben, aber da bekanntlich der
Teufel im Detail versteckt ist, muß nun untersucht werden, warum dieser letzte
Mann nie genügend Geld hat, um auf dem Markt wirklich genügend Platz zu
schaffen. Ist da irgend ein Loch in welches der Geldstrom versickert? Kann man
dieses Loch stopfen? Oder genügt es das versickerte Geld durch neues zu
ersetzen? Welches Resultat ergibt so ein Ersatz?
Welchen Einfluß haben allgemein fallende oder steigende Preise auf das Verhalten
der Marktteilnehmer? Warum fallen oder steigen Preise im Allgemeinen? Einzelne
Preise steigen bei größerer Nachfrage und geringeren Angebot und fallen bei
geringerer Nachfrage und größeren Angebot. Welcher gemeinsame Nenner ist da
gegeben, wenn alle Preise fallen oder steigen? Ist Wirtschaften bei stark (mehr als
5% im Jahr) fallenden Preisen überhaupt noch möglich?
Das sind alles Fragen, deren Beantwortung erst möglich geworden ist, wenn wir die
Auswirkungen auf das Verhalten der Wirtschaftsteilnehmer gelernt haben zu sehen
und auch sehen, welche Abhängigkeiten unter ihnen bestehen. Erschwert wird
diese Erkenntnis dadurch, daß ja manchmal unser erster Mann auch als
Konsument, also als letzter Mann auftritt, wie umgekehrt der letzte Mann, wenn er
nur lange genug spart auch zum ersten Mann werden kann und sich daher ihre
Verhaltensweisen entsprechend verändern können.
Eines ist jedenfalls sicher. Die Menschen passen ihr Verhalten an die veränderten
Gegebenheiten an und verändern damit auch die Gegebenheiten und wer das außer
acht läßt, muß mit noch so ausgewogenen (5 Jahres)-Plänen Schiffbruch erleiden.
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