- vwd Kommentar/EM.TV lüftet Geheimnis um Bilanzdesaster 2000 - Der letzte Grund, 30.04.2001, 16:58
- Ein Klassiker: Doppelt miese Zahlen als zu erwarten und 10% Kursgewinn - uluwatu, 30.04.2001, 17:29
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vwd Kommentar/EM.TV lüftet Geheimnis um Bilanzdesaster 2000
vwd Kommentar/EM.TV lüftet Geheimnis um Bilanzdesaster 2000
Von vwd Korrespondentin Marion Brucker
Nun ist es also gelüftet, das lang gehütete Geheimnis über den Verlust
beim angeschlagenen Medienkonzern EM.TV. Merchandising AG, Unterföhring.
Rund 2,8 Mrd DEM sollen es im Konzern sein - 1,5 Mrd DEM hatten Analysten
als Maximalverlust prognostiziert. Noch ist dieser nicht testiert - die
Wirtschaftsprüfer ringen offenbar damit, ihre Unterschrift unter das
Zahlenwerk zu setzen. Bis zum 21. Mai soll es soweit sein. Allein dieser
Umstand spricht Bände, durch welches Zahlenepos bzw. -chaos sich die
Gutachter bis zur Bilanzpressekonferenz am Montag zu arbeiten hatten.
Bis in die Nacht davor sollen sie am Zahlenwerk gefeilt haben, und wieder
sind sie nicht fertig geworden. Dabei sollte die Bilanz aus rechtlichen
Gründen bereits bis zum 31. März vorgelegt werden. Die Deutsche Börse AG
hatte eine Verlängerung bis Ende April genehmigt. Mit welchen Strafen EM.TV
wegen der Verzögerung zu rechnen hat, darüber konnten Vorstandsvorsitzender
Thomas Haffa, Finanzvorstand Rolf Rickmeyer und Marketing & Sales Vorstand
Rainer Hüther keine Angaben machen.
Dies dürfte auf der Bilanzpressekonferenz die geringste Sorge der
Vorstände gewesen sein. Es galt dem Heer der angereisten Journalisten Rede
und Antwort zu stehen, das sich mit dem ausgewiesenen Zahlenwerk höchst
unzufrieden zeigte. Sie erhielten nicht, wie sonst auf
Bilanzpressekonferenzen üblich, einen gedruckten Geschäftsbericht, sondern
ein loses Zahlenwerk, das erst auf Nachfrage notdürftig kopiert wurde. Was
die Prognosen anbelangte, hüllte sich Vorstandsvorsitzender Thomas Haffa in
Schweigen. Von der Fokussierung auf das Kerngeschäft mit seiner Marke Junior
war die Rede. Nichtprofitable Beteiligungen sollen restrukturiert oder
verkauft werden. Für die Jim Henson Co soll ein strategischer Partner,
möglichst in den USA, gefunden werden.
Die Kosten sollen noch in diesem Jahr auf die Hälfte reduziert werden.
Von welchem Niveau aus, dazu nannten weder Rickmeyer noch Hüther genaue
Zahlen. Stattdessen wurden den Journalisten immer wieder Einzelwerte wie
sonstige betriebliche Abschreibungen präsentiert. Sie sollen auf 50 Prozent
zurückgefahren werden und sich dann auf 85 Mio DEM belaufen. Das Unternehmen
befinde sich mitten im Umstrukturierungsprozess, erklärte Haffa. Es werde
nicht noch einmal"den Fehler machen, eine falsche Prognose abzugeben". In
wenigen Wochen soll sie allerdings vorliegen. Vorsichtig scheint der
Vorstandsvorsitzende geworden zu sein - nach all dem Porzellan, das beim
einstigen Shooting Star am Neuen Markt zerbrochen worden ist.
Doch müssen bei den Prognosen für das laufende Geschäftsjahr Analysten
wie Aktionäre wieder mit einem Überraschungspaket rechnen? Oder stimmt es,
dass im abgelaufenen Geschäftsjahr, wie Haffa es ausdrückte,"reiner Tisch
gemacht wurde" und es deshalb 2001 wieder aufwärts gehen wird? Zweifel sind
angebracht. Auch beim Kerngeschäft, auf das sich der Medienkonzern jetzt
fokussieren möchte, sah es 2000 nicht rosig aus. Lag das tatsächlich nur an
der Vernachlässigung wegen der vielen Akquisitionen?
Zudem könnte EM.TV eines ihrer größten Pfründe, die Formel-1-Beteiligung
von heute 37,5 Prozent bis im Spetember auf bis zu 17,2 Prozent reduzieren
müssen. Grund hierfür ist das von der KirchGruppe begebene Darlehen von rund
einer Mrd USD für die Ausübung der Call-Option bei der Formel 1.
Die KirchGruppe hatte EM.TV und damit Haffa durch dieses Darlehen aus dem
"Schlamassel" geholfen. Haffa erhielt die Chance, den Karren aus dem Dreck
zu ziehen. Nicht umsonst bezeichnete er auf der Bilanzpressekonferenz Leo
Kirch als seinen"wahren Freund". Doch ob Haffa in Amt und Würden bleiben
wird, hängt nicht nur von der positiven Entwicklung von EM.TV ab. Die
Ermittlungen gegen ihn dauern an, unter anderem wegen Verdachts auf
Insiderhandel. Sollte sich Haffa deshalb verantworten müssen, würden die
Aktionäre sicherlich Sturm laufen. Er müsste dann sein auf der
Bilanzpressekonferenz erneut gemachtes Versprechen einlösen, zum Wohle von
EM.TV zurückzutreten, wenn es notwendig werde.
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