- lesenswert:"Die Horizonte öffnen sich" - PuppetMaster, 01.05.2001, 10:40
- Guter Artikel - black elk, 01.05.2001, 11:29
- Re: lesenswert:"Die Horizonte öffnen sich" - Turon, 01.05.2001, 15:41
- Re: lesenswert:"Die Horizonte öffnen sich" - sehr schöner Beitrag zu Polen - nereus, 01.05.2001, 18:22
- Re: lesenswert:"Die Horizonte öffnen sich" - sehr schöner Beitrag zu Polen - Turon, 01.05.2001, 22:35
- Re: lesenswert:"Die Horizonte.. Turon! - Das ist ja wieder eine Menge.. - nereus, 01.05.2001, 23:34
- Ja gerechnet haben Alle damit - Turon, 02.05.2001, 04:59
- Re: Ja gerechnet haben Alle damit - Turon! - nereus, 02.05.2001, 22:53
- Ja gerechnet haben Alle damit - Turon, 02.05.2001, 04:59
- Re: lesenswert:"Die Horizonte.. Turon! - Das ist ja wieder eine Menge.. - nereus, 01.05.2001, 23:34
- Re: lesenswert:"Die Horizonte öffnen sich" - sehr schöner Beitrag zu Polen - Turon, 01.05.2001, 22:35
- Re: lesenswert:"Die Horizonte öffnen sich" - sehr schöner Beitrag zu Polen - nereus, 01.05.2001, 18:22
Re: lesenswert:"Die Horizonte öffnen sich" - sehr schöner Beitrag zu Polen
Hallo Turon!
Dein Beitrag zu General Jaruselski war überfällig.
Für mich jedenfalls. Danach wollte ich Dich schon länger mal befragen, hatte es aber wieder aus den Augen verloren.
Du schreibst: Der häufig kritisierte späterer Staatschef Polens, der in einem Putsch die Regierung Polens im Jahre 1981 entmachtet hat, hat sonderbarerweise davor immer wieder sich geweigert die Armee gegen das Volk zu stellen. Dies wurde aber von den Parteigenossen immer wieder gefordert. So hat man den anderen Mittel der Druckausübung benutzt, nämlich die Polizei....
Was genau damals passiert ist, daß weiß kein Mensch wirklich.
Ein paar Leute werden das wohl sehr genau wissen - sie dürfen sich nur dazu nicht entsprechend äußern. Aber das ist Dir sicher bekannt.
1980 legte der Edward Gierek - der Parteichef der Polen eigentlich - nennen wir es so - zum wirtschaftlichen Aufschwung verholfen hat, seine Ämter nieder, weil plötzlich Solidarnosc auftauchte. Der Nachfolger Kania war gegenüber der Solidarnosc unnachgiebig, doch das war die Arbeiterbewegung auch. Aus der Zeitperspektive - so wie wir es wissen, gab es in den Stasiunterlagen sehr wohl Pläne durch einen Angriff aus damaliger Tschechoslowakei, UdSSR und auch der DDR den Volksaufstand blutig zu beenden, sowie es in Tschechei und Ungarn und auch der DDR schon mal war. Ob Jaruzelski von diesen Plänen wußte - darüber schweigt er.
In seinem Buch sagt er aber wortwörtlich übersetzt:
"...als polnischer Patriot war es meine Pflicht die polnische Bevölkerung vor Blutvergießen zu beschützen...".
gleichzeitig sagt er aber auch in seinem Buch:
"...er mußte damit rechnen, daß die Armee seine Befehle nicht befolgen würde, wenn er die Armee gegen die Arbeiter eingesetzt hätte..."
Als Verteidigungsminister und damit Oberbefehlshaber der Armee dürfte er sicher von diesen Plänen gewußt haben. Das dürfte schon logistisch nicht anders möglich sein.
Doch wenn man jetzt bedenkt, daß Jaruzelski erst die linientreue Regierung in die Wüste schickte,und dann etliche Solidarnosc Mitglieder internierte, die aber trotzdem überlebt haben, und wenn man bedenkt, daß man von Herr Kania und dann von Herr Gierek oder irgendwelchen seinen Familienmitgliedern überhaupt nichts mehr gegenwärtig hört (ist sehr komisch finde ich - überall auf der Welt äußern sich ehemaligen Staatschef in Ruhestand zu aktueller Lage - nur in Polen nicht), stellt sich doch die Frage, was eigentlich damals vorgefallen ist.
Diese Frage stelle ich mir auch schon seit längerer Zeit.
Meine Vermutung war immer, daß er von den zwei Übeln das Kleinere gewählt hat um sich in dieser ernsthaften Lage als Patriot für sein Land zu bewähren mit den beschränkten Mittel die ihm zur Verfügung standen.
[Kleine Kurzgeschichte mit Tatort Deutschland:
Frage: Was ist ein Patriot? Antwort: Einer der sein Vaterland liebt.
Gellende Buhrufe und Pfiffe aus der Menge.]
Ich habe daher aufgehört mit der Zeit, den Putsch und den damaligen Ausnahmezustand negativ zu empfinden.
Ganz im Gegenteil: der Herr Jaruzelski wird sehr wohl von den ehemaligen Chefs der Arbeiterbewegung geachtet. Er kann Bücher publizieren, so als Beispiel. Als Jemand, der gegen Demokratie verstossen hat in dem er sowohl die Regierung
entmachtete, wie auch die Arbeiterbewegung kurz und bündig stilllegte.
Daß so eine Internierung der Leute Spuren hinterläßt, darüber sollten sich die ehemalige Solidarnosc Mitglieder doch lauthals beschwerden. BISHER TUN SIE ES NICHT.
Summasumarum: es ist sehr wohl möglich, daß man es mittlerweile im Westeuropa doch Anders sieht, was das ehemalige Ostblock angeht.
Irgendwie kann ich nicht mehr so richtig an die stillen Revolutionen glauben.
Ich habe mich vor längerer Zeit mal mit einem ehemaligen Oberstleutnat der NVA unterhalten (heute Rentner). Der ließ sich überhaupt nicht von der fixen Idee abbringen, daß diese Revolution der Achtziger mit Beginn in Polen, der Gorbatschow-Ära und dem Höhepunkt 1989 von langer Hand eingefädelt wurde.
Trotz erheblicher Differenzen in politischen Ansichten habe ich vor der Intelligenz und dem Pragmatismus dieses Mannes immer Respekt gehabt und habe es immer noch.
Ein wichtiger Punkt für seine private Verschwörungstheorie ist sicher das Scheitern seiner Ideologie und die daraus resultierende Verbitterung.
Aber so ganz abwegig scheinen mir seine Vorstellungen nun auch wieder nicht zu sein.
Klartext: Das Experiment Sozialismus war gescheitert und nun mußte man diese Idee langsam aber sicher aus der Welt schaffen, das geht nun mal nicht über Nacht, das dauert ein paar Jährchen.
Interessanterweise konnte Gorbatschow die gesamte Betonriege in Schach halten und das zu einer Zeit wo es mehr als gefährlich war.
Und dann verschwindet er Anfang der Neunziger glatt in der Versenkung, frei nach dem Motto:"Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan".
Der Vatikan hat ja auch ein bisserl was gespendet für die Solidarnosc.
Jaruselski hat sich über den gesamten Parteiapparat hinweg gesetzt.
Für Ostblockverhältnisse, und Du kennst diese ja gut genug, schon sehr sehr bemerkenswert.
So froh wie ich über den Zusammenbruch bin, das war nicht nur das Werk eines Elektrikers aus Danzig oder ein paar aufrechter Bürgerrechtler.
Die Revolutionäre sind immer nur für den Umsturz gut, danach verschwinden sie immer recht schnell in der Versenkung. Ich werde das Gefühl nicht los das sie die Marionetten in dem großen Spiel sind. Die Strippenzieher bleiben wie immer im Dunkel.
Habe kürzlich ein Buch über Raoul Wallenberg gelesen. Der ist Dir sicher auch bekannt.
Das es die milliardenschweren Wallenbergs nicht fertig brachten ihren Sohn aus den Fängen Stalins zu befreien ist mir ein Rätsel. Denn Geschäfte mit Rußland hat man ja gemacht.
Wallenberg hat immerhin 80 oder gar 100.000 ungarische Juden vor der Deportation bewahrt. Und dann wird er vermutlich 1947 in einem russischen Gefängnis heimlich beseitigt. Und die schwedische Regierung schickt ab und zu ein paar laue Protestnoten nach Moskau.
Wie gesagt der Gefangene hieß nicht Lieschen Müller aus Kleinsiehstenicht sonder R. Wallenberg und war Mitglied einer der reichsten europäischen Unternehmerfamilien. Wußte der gute Raoul etwa zuviel? So viel das er unschädlich gemacht wurde. Aber was war das wohl?
Die Wirklichkeit ist spannend ohne Ende.
mfG
nereus
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