- EuroTower: Irritierte Watcher - NEWS-SERVICE, 18.05.2001, 19:14
EuroTower: Irritierte Watcher
EuroTower: Irritierte Watcher
Von vwd Finanzkorrespondent Hans Hutter
Frankfurt (vwd) - Die Irritation der EZB-Watcher ist groß. Sie ist nicht
gewichen mit der Lektüre des EZB-Monatsberichtes, eher noch gestiegen. Das
zeigt auch die monatliche Zinsumfrage von vwd. Auch der EZB-Rat scheint die
neue Irritation zu merken. Nur so ist EZB-Rat-Mitglied Yves Mersch,
Gouverneur der Luxemburgischen Zentralbank, am Freitag zu verstehen, der
gegen Zinssenkungserwartungen aus der Interpretation des EZB-Monatsberichtes
anzukämpfen sich bemüßigt fühlt und die EZB-Botschaft frei interpretierte:
Die EZB-Zinssenkung vom 10. Mai 2001 auf 4,50 (4,75) Prozent sei"eher als
eine Anpassung denn als Beginn einer Zinssenkungsphase" zu interpretieren.
EZB-Watcher Stefan Schneider (Deutsche Bank Research) bekannte sich am
Freitag nach dieser Mersch-Meldung auf dem Ticker offen zur Gruppe der
Irritierten. Dennoch geht er davon aus: Der EZB-Rat werde die Leitzinsen
"spätesten im Juli" um weitere 25 Basispunkte senken, womit die Erwartung
von DB Research von 50 Basispunkten Zinssenkung vorerst auch erfüllt wären.
Was die Zinssenkungserwartung durch die EZB-Bericht-Lektüre munitioniert
hatte, das war die EZB-Andeutung, dass die Expansion der Geldmenge M3 um bis
zu ein Prozentpunkt überzeichnet sein dürfte durch herauszurechnende - weil
nicht inflationäre - Euro-Geldanlagen bei Gebietsfremden.
EZB-Watcher Thorsten Polleit (Barclays Capital) hat die Euro-M3 nach den
Andeutungen und Angaben der EZB analysiert und kommt zum Ergebnis: Wenn man
von einer Überzeichnung der M3-Expansionsrate - Berichtsmonat März: 4,8
Prozent 3-Mt-Durchschnittsrate - von fast einem Prozentpunkt ausgeht auf der
Basis der EZB-Angaben mit 1/2 Prozentpunkt für Euro-Geldmarktfondsanteile
bei Gebietsfremden und ähnlich viel für Euro-Finanztitel bei Gebietsfremden,
dann komme man auf eine Geldmengenexpansion weit unter dem M3-Referenzwert
von 4-1/2 Prozent, was eine zu restriktive Geldpolitik und damit zu hohe
Leitzinsen bedeute. Noch restriktiver sei die Geldpolitik anhand der"realen
Geldlücke".
Dennoch ist man auch bei Barlays Capital vorsichtig geworden, wohl auch
irritiert durch die EZB: Denn nach dieser M3-Analyse von Polleit wäre eine
schnelle und massive EZB-Rat-Zinssenkung angesagt; offiziell lautet aber die
Zinsprognose"nur" auf einen neuen kleinen Zinssenkungsschritt um 25
Basispunkte"im dritten Quartal". Stefan Schneider (Deutsche Bank Research)
versucht, mit dem MCI (Monetary Conditions Index) die EZB-Geldpolitik zu
verstehen und kommt voran: Mit MCI (Wechselkurs/realer 3-Mt-Geldmarktzins)
gemessen sei die EZB-Geldpolitik doch eher expansiv.
EZB-Watcher Michael Schubert (Commerzbank) hat sich nach der Lektüre des
EZB-Monatsberichts schnell auf die Bahn der Zinssenkungserwartungen gemacht:
Nachdem die Commerzbank-Volkswirte bis vor der EZB-Bericht-Veröffentlichung
noch Geradeausfahrt mit dem Leitzins 4,50 Prozent prognostiziert hatten,
gehen sie nun"im Sommer" noch von zwei weiteren Zinssenkungsschritten von
je 25 Basispunkten aus. Aber irritiert liest sich auch die Einschätzung der
Commerzbank:
"Da aus der monetären Analyse eine weitere Zinssenkung möglich, aber
nicht unbedingt erforderlich ist, dürfte die Einschätzung der Indikatoren an
der zweiten Säule durch die EZB von besonderer Bedeutung sein. Die
Entscheidung wird der EZB nicht leicht fallen, da neben dämpfenden
Einflüssen auf die Preisentwicklung wegen der konjunkturellen Risiken
weiterhin durchaus auch noch Aufwärtsrisiken für die Preise vorhanden sein
werden."
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