- Die Signale stehen auf Aufschwung - YIHI, 19.05.2001, 20:52
Die Signale stehen auf Aufschwung
Publikations-Datum: 20010518
Zeitungs-Nummer: 20
Seite: 1
Die Signale stehen auf Aufschwung
Die jüngsten Rezessionsängste waren unbegründet: Alles spricht für einen weiteren Konjunkturschub.
Die Gefahr einer Rezession ist gebannt. Jedenfalls deuten dies die neusten Konjunkturdaten an: Die Konsumentenstimmung hat sich in den letzten Wochen verbessert, die Zinsen bleiben unten.
Autor: Werner Vontobel, Priscilla Imboden
Dreimal ist die Schweiz in den vergangenen dreissig Jahren in eine Rezession geschlittert, nämlich 1975/ 1976, 1982 und 1991 bis 1993. Auch heute glauben einige Konjunkturbeobachter, dass die nächste Rezession ins Haus steht. Doch stimmt dies? Tatsache ist: Allen Krisen ist jedes Mal ein deutlicher Rückgang der Konsumentenstimmung und ein Anstieg der kurzfristigen Zinsen über das Niveau der Langfristzinsen vorausgegangen. Diese Gefahren aber sind zurzeit gebannt: Der Index der Konsumentenstimmung hat im Januar mit 25 Punkten den Höchstwert der letzten 30 Jahre egalisiert. Die letzten Rezessionen hatten sich jeweils mindestens ein Jahr zum Voraus mit deutlichen Minuswerten angekündigt.
Fast noch wichtiger: Die kritische Zinslage hat sich entschärft. Professor Erwin W. Heri, Finanzchef der Credit Suisse Financial Services: «Die jüngste Entwicklung der kurz- und der langfristigen Zinsen in der Schweiz hat wohl die letzten Zweifel betreffend der konjunkturellen Entwicklung zerstreut. Ich bin jedenfalls sehr zuversichtlich.»
Auch der Konjunkturabschwung in den USA und in Japan hat die Schweizer Konjunktur bislang nur unmerklich abgeschwächt. Der Abschwung im Ausland hat sogar positive Effekte, wie er betont: «Er führt zu tieferen Zinsen. Das erleichtert die Unternehmensfinanzierung. Gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach Rohstoffen, und deren Preise werden billiger.»
Professor Bernd Schips von der KOF stützt seine konjunkturelle Zuversicht auf die reale Kaufkraft der Arbeitnehmer, die nach seinen Berechnungen dieses und nächstes Jahr um rund 6 Prozent zunehmen wird. Auch Klaus W. Wellershoff, Chefökonom Schweiz der UBS, stellt anhand der exzellenten Lage auf dem Arbeitsmarkt fest: «Die Schweizer Wirtschaft hat gegenüber den Krisen im Ausland eine gewisse Immunität gezeigt.» Sollte irgendwann doch ein Abschwung einsetzen, haben wir nach Meinung von Wellershoff genügend Zeit zum Reagieren: «Die Konjunktur in Europa hinkt der amerikanischen ein halbes Jahr hinterher. Notfalls würde uns also genug Zeit zum Handeln bleiben.»
Siehe dazu auch: · Aufschwung hält an: Kleiner Zipfel, grosse Wirkung. Seite 9
Publikations-Datum: 20010518
Zeitungs-Nummer: 20
Seite: 9
Aufschwung
Kleiner Zipfel, grosse Wirkung
Nimmt man die Zinsentwicklung unter die Lupe, verheisst ein kleiner Knick Entspannung an der Konjunkturfront.
Jetzt ist es praktisch sicher: Der befürchtete konjunkturelle Einbruch bleibt aus. Grund: Die Zinskurve hat sich normalisiert. Die kurzfristigen Zinsen sinken, die langfristigen steigen. Auch sonst stehen die Zeichen auf Aufschwung.
Autor: Werner Vontobel
Es gibt viele Indikatoren, die einen künftigen Konjunkturaufschwung oder -abschwung anzeigen, doch einer davon übertrifft punkto Zuverlässigkeit alle andern: «Jeder Rezession in den letzten dreissig Jahren sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz und in den USA ist unmittelbar eine Inversion der Zinsstrukturkurve vorausgegangen, das heisst, die kurzfristigen Zinsen waren höher als die langfristigen.» Das schreibt Professor Erwin Heri in seinem Lehrbuch, das Mitte 1999 in Druck gegangen ist. Inzwischen hatten die USA erneut monatelang eine inverse Zinsstruktur - und prompt ist das Land an den Rand einer Rezession gelangt.
Die Zinskurve verflachte gefährlich
Aus dieser Beobachtung lässt sich umgekehrt der Schluss ziehen, dass eine Rezession immer dann nicht zu befürchten ist, wenn die langfristigen Zinsen deutlich über den kurzfristigen liegen. Dies ist in der Schweiz seit einigen Wochen wieder zunehmend der Fall, nachdem sich die Zinskurve zuvor gut ein Jahr lang gefährlich verflacht hatte. Zu Beginn des Jahres hatten sich die kurzfristigen Zinsen bis auf etwa ein Zehntelsprozent an die langfristigen angenähert. Zurzeit liegt die Differenz wieder bei gut drei Zehnteln, und Nanette Hechler Fayd'herbe vom Fixed Income Research der CSFB rechnet mit einem Anstieg auf das volle eine Prozent, das normalerweise eine stabile Konjunkturlage anzeigt.
Die ökonomische Begründung für den Zinsdifferenz-Indikator lautet wie folgt: Einerseits sind steigende bzw. hohe langfristige Zinsen ein Zeichen dafür, dass die Unternehmen mehr investieren wollen und entsprechend mehr langfristige Kredite nachfragen - und deren Zinsen in die Höhe treiben. Sinkende bzw. tiefe Kurzfristzinsen hingegen zeigen an, dass die Zentralbanken die Konjunktur laufen lassen möchten. Die Schweizerische Nationalbank hat aus diesem Grund Ende März die offizielle Zielgrösse für den 3-Monats-Zins auf 3,25 Prozent gesenkt, und in der Praxis hat sie die Zinsen noch einen Zehntelspunkt tiefer fallen lassen.
Dass sich die USA mit ihrer Geldpolitik in eine heikle Lage manövriert haben, muss für Europa und für die Schweiz nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein. Eine Konjunkturflaute und abnehmende Investitionen in den USA bedeuten zwar für Europa schlechtere Exportchancen, dafür aber auch sinkende Zinsen. Die kombinierte Wirkung ist umso positiver, je weiter weg der Krisenherd liegt. Grund: Geld bewegt sich schneller als Ware. Deshalb hatte beispielsweise die asiatische Krise Ende der Neunzigerjahre die Konjunktur in Europa und in den USA eindeutig beflügelt.
Doch die Hoffnungen auf eine Fortsetzung des Aufschwungs in der Schweiz gründen nicht allein auf der erfreulichen Zinsentwicklung. Der Konsum hielt im Januar und Februar mit einer Zunahme von real 2,2 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode an - der befürchtete Kaufeinbruch blieb aus. Auf dem Arbeitsmarkt jagt eine Erfolgsmeldung die andere: Die Arbeitslosigkeit ist sukzessive gesunken und hat im April ein Rekordtief von 1,7 Prozent erreicht. Nachdem die Löhne während mehrerer Jahre stagnierten, kam es Ende 2000 erstmals wieder zu Reallohnerhöhungen in mehreren Bereichen. Somit wird gemäss Berechnungen des Seco das disponible Haushaltseinkommen um rund 3 Prozent anwachsen. Dies schafft - trotz höheren Mieten, Heizkosten und gestiegenen Krankenkassenprämien - die Voraussetzung für einen weiteren Konsumanstieg. Der Index der Konsumentenstimmung zeigt, dass die Konsumenten ihre Kaufkraft auch nutzen wollen: In der monatlichen Haushaltsumfrage des Seco wurde der Indikator «zukünftige finanzielle Lage» so positiv eingeschätzt wie seit 1989 nicht mehr. Auch die Ausrüstungsinvestitionen treiben die Konjunktur an. Das Seco erwartet eine reale Steigerung von 6 Prozent in diesem Jahr, was im Vergleich zum letzten Jahr eine nur leichte Abschwächung von einem Prozent bedeutet.
Die Bauwirtschaft ist kein Bremsklotz mehr
Die Bauwirtschaft wird zwar noch immer nicht zur tragenden Konjunkturstütze, doch seit einem Jahr ist sie - vor allem dank dem Wohnungsbau - zumindest kein Bremsklotz mehr. Nach den Schätzungen der KOF wird der Bau mit je rund 1,6 Prozent dieses und nächstes Jahr nur unwesentlich langsamer wachsen als die Gesamtwirtschaft.
Eine Erhebung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverbandes zeigt sogar eine ausgesprochen positive Erwartungshaltung der Architekten und Ingenieure. Der Anteil der punkto Geschäftsverlauf optimistisch gestimmten Architekten übertraf den der Pessimisten um 17 Prozent - im vorigen Quartal waren es noch fünf Prozent.
Die Ã-konomen zeigen sich zuversichtlich. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) schreibt von «robuster Binnenkonjunktur trotz abgeschwächtem Wachstum der Weltwirtschaft». Eine Abschwächung der Inlandnachfrage im Vergleich zum Rekordjahr 2000 ist angesagt, doch die schweizerische Konjunktur schwenkt, so die Wirtschaftsauguren, auf einen langfristigen Wachstumspfad ein.
Bildlegende: Erwin Heri: Sein Zinskurven-Konjunktur- indikator hat bisher alle Bewährungsproben bestanden.
Bildlegende: Markus Lussers Zinsbremse: Der damalige Nationalbankpräsident bekämpfte «das Gift der Inflation» mit hohen Zinsen.
Bildlegende: Zinswende: Die Gefahr, dass die kurzfristigen Zinsen erneut höher steigen als die langfristigen, und damit die vierte Rezession der Nachkriegszeit auslösen, scheint seit ein paar Wochen definitiv gebannt.
Bildlegende: Bauboom: Liess Mieten und Immobilienpreise explodieren.
Bildlegende: 1. und 2. Erdölkrise: Stark steigende Ã-lpreise und übertriebene Reaktionen der Notenbanken liessen das BIP in den Keller fallen.
Bildlegende: Arbeitslosigkeit: Lussers hohe Zinsen führten die Schweiz in eine sechs Jahre währende Rezession.
Fotos: Ex-Press, Key Online, Hervé Le Cunff/SI/RDB
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