- Fundsache 1 ohne Wertung: die Affenfalle und der Anleger (gefunden bei bueso) - Baldur der Ketzer, 23.05.2001, 10:17
Fundsache 1 ohne Wertung: die Affenfalle und der Anleger (gefunden bei bueso)
Während des Ablebens des derzeitigen Finanzsystems verharren viele
Menschen weiterhin an alten Gewohnheiten.
In der Affenfalle
In Malaysia machte man vorzeiten die Beobachtung, daß bei gewissen Affen
die Gier größer ist als der Selbsterhaltungstrieb, und man nutzte diese
Erkenntnis bei der Konstruktion einer eigenartigen Falle. Sie bestand aus
einem etwa fußballgroßen Korb, in dessen schmale Ã-ffnung ein Affe mit
ausgestreckter Hand gerade eben hineingreifen konnte. In die Falle wurden
einige große Nüsse gelegt. Faßte der Affe nun in die Falle und ergriff eine Nuß,
so war die Ã-ffnung zu klein, um die Hand mit der Nuß darin wieder
herauszuziehen. Solange der Affe den Köder nicht losließ, konnte er auch
nicht weg. Und viele Affen hielten stur und gierig an der Nuß fest, bis der
Jäger kam und sie in den Sack steckte.
Ein ähnliches Verhalten kann man bei vielen"Anlegern" oder
"Marktteilnehmern" feststellen, die auch aus dem Schaden der bisherigen
Kursabstürze nicht klug geworden sind und immer noch Aktien kaufen."Es
könnte ja sein, daß Alan Greenspan morgen die Zinsen senkt und daraufhin die
Kurse wieder steigen", sagen sie sich,"das dann für mich herausspringende
,Schnäppchen' darf ich mir doch nicht entgehen lassen!"
Ein eloquenter Vertreter dieser Spezies war jüngst in einer Fernsehdiskussion
zum Thema"Casino Börse" zu sehen: Bodo Schäfer, von Beruf"Money Coach"
(d.h. einer, der anderen Tips gibt, wie man durch gewinnträchtige
Geldanlagen schnell reich wird) stand in diesem Streitgespräch dem Volkswirt
Prof. Wilhelm Hankel gegenüber, der ihm zu erklären versuchte, warum eine
spekulative Blase entsteht, wenn die Aktienkurse stärker steigen als der
tatsächliche Wertzuwachs der entsprechenden Wirtschaftsunternehmen. Aber
Bodo Schäfer entgegnete einfach, er sei kein Volkswirt; der Wertzuwachs
kümmere ihn gar nicht, ihn interessiere einzig und allein die Vermehrung des
Geldes in der Tasche der einzelnen Anleger - jedenfalls derer, die seinen
Anlageregeln folgten. Die Kunst, bei diesem Nullsummenspiel das Maximum in
die eigene Tasche zu lenken, möchte Herr Schäfer übrigens zum Schulfach
erhoben wissen.
Hier wird klar, daß die erwähnte Affenfalle nicht bloß eine Metapher für
Zockerverhalten und Börsenwahn ist, sondern auch im weiteren Sinne eine Art
geistiger Behinderung oder mentales Gefängnis veranschaulicht, das den
Betroffenen daran hindert, überhaupt größere und tiefere Zusammenhänge zu
begreifen. Wer bereits vor dem Verständnis wirtschaftlicher Wertschöpfung
paßt, für den sind so komplexe Dinge wie z.B. das Gemeinwohl natürlich erst
recht ein Buch mit sieben Siegeln. Bei allen Dingen, die man auf mehreren
Ebenen verstehen kann, erfassen Affenfallen-Opfer bestenfalls die
allerunterste. Denn ihr Gemüt ist im Klammergriff einer Obsession, die da
heißt:"mein kurzfristiges Profitinteresse". Es ist eine zerstörerische Obsession
wie die Eifersucht oder ein ewig nagender Groll, und ebenso wie diese schnürt
sie das Herz ab und macht den Geist blind für alles Höhere, Schöne im Leben.
Kennzeichen des modernen Börsenwahns ist übrigens nicht der Egoismus an
sich, sondern vielmehr dessen pathologische Verengung, sowohl zeitlich wie
räumlich-personell betrachtet. Gottfried Wilhelm Leibniz schrieb einmal, es sei
überhaupt nichts daran auszusetzen, wenn die Menschen ihr Eigeninteresse
verfolgten, nur sollten sie sich bemühen, den Personenkreis und den Zeitraum,
auf den sich dieses Eigeninteresse bezieht, möglichst weit auszudehnen -
letztlich auf die ganze Menschheit und zeitlich auf mindestens ein ganzes
Menschenalter, wenn nicht mehrere Generationen. Auch früher waren
Menschen egoistisch, aber ihr Egoismus bezog sich auf die eigene Sippe, das
eigene Unternehmen oder auch die eigene Nation. Heute im Zeitalter der
"Singles" und"Daytrader" verengt sich das Eigeninteresse häufig auf das
eigene Ego bzw. Bankkonto und zeitlich auf einen Tag oder sogar nur den
Bruchteil eines Tages. Kein Wunder, daß Begriffe wie"Gemeinwohl" in diesem
extrem reduzierten Gedankengerüst nicht die geringste Bedeutung haben
können.
Ein weiteres Merkmal der Affenfallenmentalität ist ihr empiristisches
Wunschdenken. Bodo Schäfer wurde in besagter Fernsehdiskussion mit seiner
Prognose von durchschnittlich 14% Wachstum der relevanten Aktienindizes
über die nächsten zehn Jahre konfrontiert. Zur Rechtfertigung dieser
Wahnsinnsprognose sagte er, in den letzten 30 Jahren (d.h. seit 1971, als mit
der Abkopplung des Dollar vom Gold der Börsenwahnsinn begann, G.L.) seien
die Aktienkurse ebenfalls um 14% pro Jahr gestiegen. Prof. Hankels
Entgegnung, was 30 Jahre in spekulative Höhen gestiegen sei, könne
durchaus im 31. Jahr zum Teufel gehen, traf bei ihm auf blankes
Unverständnis.
Im Grunde ist die Geschichte mit der Affenfalle unglaubwürdig. Können Affen
so dumm sein? Und wenn erst Menschen so handeln, ist es offenbar
krankhaft, destruktiv und selbstdestruktiv. In einer mentalen Falle sitzt auch
der Betrüger, der sich mit eiserner Logik gezwungen fühlt, seinen Mitwisser
umzubringen, um sich dadurch vielleicht zu retten, doch objektiv seine Lage
dadurch noch verschlimmert: Vom Betrüger ist er nun zum Mörder geworden.
Ähnlich zu beurteilen wäre ein Regime, das auf die Talfahrt der Aktienkurse
mit der Ã-ffnung der Inflationsschleusen und gleichzeitig mit der Anzettelung
neuer Kriege reagiert. Niemand kommt mit so etwas durch. Wer es macht, der
wird am Ende von der Nemesis der Weltgeschichte in den Sack gesteckt - das
Problem ist nur, wir alle werden es mit ihm, wenn wir weiter auf diejenigen
hören, die ihre Hand in der Affenfalle haben.
Gabriele Liebig
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