- Fundsache zur Eurofäulnis - Baldur der Ketzer, 24.05.2001, 12:05
Fundsache zur Eurofäulnis
Der Euro ist noch lange kein Exportschlager Von N. M.-Niediek, A. Rybak, Ch.
Schütte, Ch. Thiele und J. Prause
Die größte Umtauschaktion der Geschichte findet Anfang kommenden Jahres mit
der Einführung des Euro-Bargeldes statt. In einer losen Folge von Artikeln
untersucht die FTD voraussichtliche Konsequenzen. Heute: Die Verunsicherung
vieler Osteuropäer über die Modalitäten des Tausches ihrer D-Mark-Bestände in
Euro.
Der Moskauer Wladimir ist ratlos:"Soll ich meine gesparten D-Mark in Euro
umtauschen oder lieber gleich in US-Dollar", fragt der frühere Mitarbeiter der
russischen Botschaft in Deutschland. Die Umstellung auf die europäische
Gemeinschaftswährung im Januar 2002 sorgt derzeit in ganz Osteuropa für
Verunsicherung. So wie der frühere Botschaftsangehörige zerbrechen sich viele
Osteuropäer, die ihr Erspartes in D-Mark aufbewahren, den Kopf darüber, wann
und zu welchen Bedingungen sie ihre Bargeldbestände umtauschen können. Und
vor allem stellen sie sich die Frage: in welche Währung tauschen?
Die Bundesbank schätzte Mitte der 90er Jahre, dass etwa 30 bis 40 Prozent des
D-Mark-Bargelds außerhalb Deutschlands im Umlauf sind. Das wären heute rund
80 Mrd. DM. Zahlen über die regionale Verteilung der Gelder existieren nicht,
doch ein großer Teil dürfte auf das frühere Jugoslawien und die Türkei entfallen.
Viele Arbeitskräfte aus diesen Ländern verdienen seit Jahrzehnten in
Deutschland ihr Geld und bringen regelmäßig einen Teil davon in die Heimat.
Die D-Mark war im Osten beliebt
Auch in Russland und den übrigen Ländern des früheren Ostblocks sind
erhebliche D-Mark-Bestände im Umlauf. Die harte Deutsche Mark galt den
Osteuropäern als sicherer Hort für ihr Erspartes. In ihre eigenen
inflationsgeplagten Währungen hatten sie weit weniger Vertrauen. Allein in den
Sparstrümpfen der russischen Bevölkerung stecken 8 Mrd. DM, so schätzen
Experten. Mehr als 90 Prozent der zu Hause aufbewahrten Devisenersparnisse
halten die Russen allerdings in US-Dollar.
Mit der Einführung des Euro-Bargelds könnte dieser Anteil noch wachsen. Bisher
hat die Bevölkerung Osteuropas kaum Informationen über die Modalitäten des
Umtausches erhalten. Die Europäische Zentralbank habe bisher im Ausland zu
wenig für die neue Währung geworben, kritisieren Experten."Bürger,
Unternehmen und Banken in Osteuropa wissen dreimal weniger über den Euro als
wir hier zu Lande. Da lauern noch einige Gefahren", warnt Moritz Schularick,
Osteuropa-Experte bei Deutsche Bank Research. Die Folge des
Informationsdefizits und der daraus erwachsenden Verunsicherung könnte sein,
dass viele Osteuropäer gar nicht erst auf den Euro warten, sondern gleich in die
US-Währung flüchten.
Den Euro-Ländern darf das eigentlich nicht gleichgültig sein. Ã-konomen wie der
Chef des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, rechnen vor, dass eine
stille Abkehr vom D-Mark-Bargeld mit dafür verantwortlich ist, dass der Euro
gegenüber dem Dollar entgegen allen Prognosen unter Druck geraten ist. Hinzu
kommt, dass die Nutzung einer Währung für deren Emittenten ein lukratives
Geschäft ist. Je verbreiteter eine Währung ist, desto höher fällt der
Notenbankgewinn aus, den der Finanzminister verbuchen kann. Gewinnen die
USA mit ihrem Greenback demnächst einen noch größeren Marktanteil im
weltweiten Zahlungsverkehr, kostet das die Europäer bares Geld (siehe Kasten).
Bundesbank wirbt für Vertrauen
Angesichts der verbreiteten Unsicherheit sah Bundesbankpräsident Ernst
Welteke sich Ende März bei einem offiziellen Besuch in Moskau veranlasst, für
Vertrauen in den Euro zu werben. Die neuen Euro-Banknoten würden rechtzeitig
auch in den Filialen der staatlichen russischen Sparkasse verfügbar sein,
versicherte Welteke."Die logistische Vorbereitung des Umtausches läuft auf
Hochtouren", so der Notenbanker. Die Bundesbank garantiere den
D-Mark-Umtausch in unbegrenzter Höhe und nehme dafür keine Gebühren.
Zudem sei der Umtausch in die Gemeinschaftswährung unbefristet möglich.
Welteke kündigte eine Informationskampagne außerhalb der Euro-Zone an. Im
Herbst sollen Informationsbroschüren über den Euro auch in russischer Sprache
erscheinen. Die Russen sollen dann endlich über Umtauschmodalitäten und das
Aussehen der neuen Währung informiert werden.
Die Botschaft des Bundesbankpräsidenten dürfte vor allem auch an diejenigen
Osteuropäer gerichtet gewesen sein, die ihre D-Mark-Bestände bei den
Behörden nicht angegeben haben und nun beim Umtausch in Euro unbequeme
Fragen fürchten, wie sie an das Geld gekommen seien. So schimpft der
russische Journalist Michail:"Ich habe für meine Ersparnisse natürlich keine
Belege." Wie ihm geht es den meisten seiner Landsleute. Kaum ein Russe hat in
den vergangenen Jahren sein tatsächliches Einkommen deklariert und
versteuert. Da wird es für viele schwer, die Herkunft ihrer Ersparnisse zu
belegen.
Die Euro-Umstellung ist auch mit großem logistischen Aufwand verbunden, da
die Banken in Osteuropa mit ausreichenden Bargeldmengen versorgt werden
müssen. Über die Einzelheiten der Operation spricht allerdings keine der
beteiligten Banken besonders gern.
Die Euro-Banknoten müssen sich die osteuropäischen Geldinstitute bei
westlichen Geschäftsbanken beschaffen. Dafür verlangen die westlichen
Institute eine geringe Provision, die bei einem Promille liegen dürfte. Weit höhere
Gebühren werden voraussichtlich die osteuropäischen Banken von ihren Kunden
verlangen, die ihre D-Mark in die neuen Euro-Scheine umtauschen wollen.
Vielerorts wird befürchtet, dass Kreditinstitute und Kartelle von Geldwechslern
die Unwissenheit ihrer Kunden ausnutzen und mit dem Bargeldumtausch gute
Geschäfte machen.
Schlechte Erfahrungen haben die Osteuropäer bereits bei früheren
Umtauschaktionen gemacht. So verlangten die Wechselstuben Mitte der 90er
Jahre Wucher-Provisionen für den Umtausch der alten 100-Dollar-Noten gegen
die neuen Scheine.
Umtausch auf dem Balkan
Die geringsten Probleme dürfte der Geldumtausch in den Ländern bereiten, die
sich offiziell an die D-Mark gebunden haben. So sind die Währungen von
Bosnien, Estland und Bulgarien über ein so genanntes Currency Board bisher
vollständig durch D-Mark gedeckt. In Montenegro und im Kosovo ist die D-Mark
sogar ganz offizielles Zahlungsmittel.
Die Zentralbank der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro will dafür sorgen,
dass Anfang Januar ausreichende Mengen der neuen Europawährung zur
Verfügung stehen. Deren Generaldirektor Milojice Dakic erklärt:"Geld wird es
direkt bei der Zentralbank geben. Die Bürger können mit Bargeld kommen und mit
Bargeld wieder gehen."
Probleme werde es bei der Währungsumstellung nicht geben, gibt er sich
überzeugt. Die Konten werden automatisch auf die neue Währung umgestellt.
Der Staat habe nicht vor, sich durch die Währungsumstellung auf Kosten der
Bürger zu bereichern, versichert Dakic. Es werde nur eine geringe Gebühr
erhoben, um die Kosten zu decken.
Schwieriger wird der Geldumtausch in Serbien oder Bosnien. Dort fühlt der Staat
sich nicht verpflichtet, Euro vorrätig zu halten. In Serbien kursieren nach
inoffiziellen Schätzungen etwa 2 Mrd. DM, in Bosnien 900 Mio. DM. Nicht alle
Umtauschaktionen werden kontrolliert ablaufen. Dies gilt vor allem für Gelder, die
illegal verdient wurden.
Wer sein Geld mit dunklen Geschäften verdient habe, habe wenig Interesse
daran, D-Mark bei einer Bank einzutauschen, sagt Moritz Schularick. Da die
Transaktionen dort registriert werden, entscheidet sich diese Gruppe für den
Schwarzmarkt. Dort sind Dollarnoten laut Schularick leichter zu haben. Der
Deutsche-Bank-Experte ist überzeugt,"dass da schon seit einiger Zeit
Umtauschprozesse laufen, von denen wir nichts wissen". Im Ausland hat also
eine Art Abstimmung gegen den Euro begonnen.
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