- Amerikas Investmentbanken sind ins Zwielicht geraten...aus FAZ - McMike, 26.05.2001, 12:57
Amerikas Investmentbanken sind ins Zwielicht geraten...aus FAZ
Verdacht auf illegale Kopplungsgeschäfte bei Aktienneuemissionen / Welle von Sammelklagen
dri. NEW YORK, 25. Mai. Die Flut von Neuemissionen, die sich während des Höhenflugs der Technologiebörse Nasdaq über den amerikanischen Aktienmarkt ergoß, wird für die führenden Investmentbanken der Wall Street möglicherweise ein teures Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft, die Wertpapieraufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) und die regulatorische Einheit der Händlervereinigung National Association of Securities Dealers (NASD) ermitteln seit Monaten in jeweils getrennten Untersuchungen, ob die Zuteilung von Aktien aus Neuemissionen an andere Finanztransaktionen gekoppelt wurde.
Solche Kopplungsgeschäfte ("tie-in agreements") wären nach den Wertpapiergesetzen illegal und würden die Wall-Street-Häuser einer Welle von Schadenersatzklagen aussetzen. Obwohl die Ermittlungen noch voll im Gange sind, haben schon mehrere Anwaltsfirmen, allen voran die New Yorker Kanzlei Milberg Weiss Bershad Hynes & Lerach LLP, im Namen von Kleinanlegern Dutzende von Sammelklagen gegen Technologieunternehmen wie Ariba, Doubleclick, Red Hat und VA Linux und deren Emissionsbanken angestrengt.
Die Rolle der Investmentbanken im Neuemissionsgeschäft war schon immer delikater Natur, weil sie gleichzeitig zwei Herren dienen müssen, nämlich den Emittenten, also den Unternehmen, und den Zeichnern der neuen Aktien, den Anlegern. Die Emittenten sind in der Regel daran interessiert, einen möglichst hohen Preis für die Aktien zu erlösen. Die Erstzeichner der Aktien wiederum wollen Papiere mit Kurspotential kaufen, was gegen ein Ausreizen des Verkaufspreises spricht. Um beiden Seiten gerecht zu werden, wurde der Ausgabepreis über Jahrzehnte hinweg in der Regel um 10 bis 20 Prozent unter dem vermuteten Kurs am ersten Handelstag festgelegt. Und bei der Zuteilung der Aktien wurden in der Regel große Fondsgesellschaften bevorzugt, die auch sonst für gute Umsätze sorgen, also Wertpapieraufträge bei den Investmentbanken plazieren. Daß die Erstzeichner die neuen Aktien erst einmal für einige Monate hielten, galt als Selbstverständlichkeit.
All diese Spielregeln wurden mit dem Technologieboom an der Wachstumsbörse Nasdaq außer Kraft gesetzt. Im Jahr 1999 bescherten Börsenneulinge am ersten Handelstag einen durchschnittlichen Zeichnungsgewinn von 71 Prozent, was sich mit einem Durchschnitt von nur 11 Prozent im Zeitraum von 1980 bis 1998 vergleicht. Der Anreiz für Investoren, sich in den Kreis der privilegierten Zeichner einzukaufen, war somit enorm. Vor allem spekulative Hedge Fonds versuchten, sich einen Platz im Kreis der bevorzugten Investoren zu sichern, indem sie sich indirekt auf eine Teilung ihrer Zeichnungsgewinne mit den Emissionshäusern einließen. Für solche Rückpässe ("kickbacks") gibt es mehrere Varianten. Die gängigste soll der Kauf von zusätzlichen Wertpapieren zu überhöhten Kommissionen sein, wobei es sich nicht einmal um die Aktien der Neuemission handeln muß.
Normalerweise entrichten institutionelle Anleger beim Aktienkauf für jedes Papier eine Kommission von 3 bis 5 Cent. Hedge Fonds haben aber angeblich Kommissionen von bis zu einem Dollar je Aktie gezahlt. Daneben sollen sich Investoren verpflichtet haben, bei einer bevorzugten Zuteilung weitere Aktien nach Aufnahme des Handels zu ordern. Auch dies beschert den Investmentbanken zusätzliche Kommissionen, hat aber zugleich den positiven Begleiteffekt, die Kursentwicklung der neuen Aktie anzuheizen. Und je hitziger sich der Handel entwickelt, desto lukrativer fällt das Kommissionsgeschäft der Investmentbanken aus. Angesichts des Ansturms der privaten Anleger auf die neuen Technologiewerte wurde sogar augenzwinkernd hingenommen, daß sich die bevorzugten Erstzeichner schon nach wenigen Tagen von ihren Aktien trennten.
Dies alles hatte für die Investmentbanken die angenehme Folge, daß ihre Kommissionseinnahmen aus dem Handel der neuen Aktien zuweilen weit die Gebühren übertrafen, die sie gleichzeitig für ihre Dienste als Emissionshaus bei den Börsenneulingen einsammelten.
Die Zeche für diese Bonanza mußten letztlich die Anleger zahlen, die die Aktien zu den inflationierten Preisen nach Aufnahme des Handels kauften. Und dies waren in der Regel von der Internet-Hysterie erfaßte Kleinaktionäre. Sie müssen jetzt zum Teil Verluste von mehr als 95 Prozent verschmerzen. Auch Totalausfälle blieben nicht aus. So landete die von Merrill Lynch an die Börse gebrachte Pet.com, ein Online-Händler von Tierutensilien, nur 10 Monate später vor dem Konkursgericht. Und die Aktie des Softwarehauses VA Linux Systems, dessen Aktie am ersten Handelstag um 698 Prozent auf 239,25 Dollar hochschoß, was bis heute der Rekordgewinn für eine Börsenpremiere ist, notiert inzwischen bei 4 Dollar.
Fortsetzung auf Seite 24.
Die Party ist jetzt seit gut einem Jahr zu Ende. Ob die Partyveranstalter - die Investmentbanken - für die blauen Augen einiger Gäste haften müssen, wird aber allein davon abhängen, ob die Behörden den Wertpapierhäusern illegale Kopplungsgeschäfte nachweisen können. Es ist nicht ungesetzlich, wenn Investmentbanken Investoren bei der Aktienzuteilung bevorzugt behandeln und diese sich dann später aus Dankbarkeit mit zusätzlichen Wertpapieraufträgen revanchieren.
Gegen Wertpapiergesetze wird nur dann verstoßen, wenn der"Kickback" schon vor Aufnahme des Handels in der neuen Aktie vereinbart wird. Da solche Vereinbarungen aber kaum in schriftlicher Form getroffen worden sein dürften, werden sich die Behörden schwertun, den Investmentbanken illegales Verhalten nachzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft sucht ihre Kronzeugen offenbar bei den Anlegern. Eine Grand Jury hat schon Verwalter von Hedge Fonds vernommen, denen im Gegenzug teilweise Immunität zugesagt worden sein soll. Die SEC wiederum hat bei den führenden Investmentbanken für die Jahre 1999 und 2000 eine Dokumentation aller Wertpapieraufträge über mindestens 10 000 Aktien angefordert, bei denen die Kommission mehr als 10 Cent je Aktie betrug und damit überteuert war.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen scheint bisher die Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB) zu stehen, die dank ihres Silicon-Valley-Stars Frank Quattrone zeitweise das führende Emissionshaus für Neuemissionen aus dem Technologiesektor war. Bei CSFB selbst wurden im Zusammenhang mit den Ermittlungen schon Mitarbeiter vom Dienst suspendiert oder intern mit neuen Aufgaben betraut. Die regulatorische Einheit der Wertpapiervereinigung NASD hat schon mindestens sechs CSFB-Mitarbeitern signalisiert, daß sie möglicherweise einer Verletzung der NASD-Regeln bezichtigt werden.
Wenn Staatsanwaltschaft und SEC den Nachweis für illegale Kopplungsgeschäfte erbringen würden, müßte die Wall Street wohl mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe rechnen. Und selbst wenn es den Investmentbanken irgendwann gelingen sollte, die Vorwürfe aus der Welt zu räumen, kommen auf sie jetzt erst einmal erhebliche Anwaltskosten zu. Im Zusammenhang mit den Behördenermittlungen sind Dokumente enormen Umfanges zu sichten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.05.2001, Nr. 121 / Seite 23
Na sowas auch. Wer hätte so etwas vermutet!
gruss mcmike
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