- Epigonen der Freiheit - NickLeeson, 15.07.2000, 00:09
- Re: Epigonen der Freiheit - Taktiker, 15.07.2000, 00:49
- Re: Epigonen der Freiheit - half, 15.07.2000, 02:11
- Re: Wie ich schon bemerkte, das Ende der Demokratie - black elk, 15.07.2000, 13:33
Epigonen der Freiheit
Hallo zusammen,
bei der Lektüre von dottore's mitreißender Brandrede gegen den staatlichen Moloch und für die (nicht nur wirtschaftliche) Freiheit habe ich an einen Auszug aus der Biographie von Joschka Fischer (ehem. Frankfurter Buchhändler, jetzt deutscher Außenminister) denken müssen, der mir vor längerer Zeit in die Hände gefallen ist. Hier ist er:
Die ersten Lockerungsübungen der selbsternannten Kämpfer gegen den Kapitalismus mit Hang zur Weltrevolution waren die Betriebsprojektgruppen des Jahres 1969 in Frankfurt bzw. Rüsselsheim, die die Arbeiterschaft insbesondere bei Opel studieren sollten, um sie zur Weltrevolution zu bewegen. Zu dieser Betriebsprojektgruppe gehörten ca. 30 Leute, die meisten Gymnasiasten oder Studenten wie Daniel Cohn-Bendit (1968 aus Frankreich ausgewiesen), Tom Koenigs (der spätere grüne Stadtkämmerer in Frankfurt), Thomas Schmid, einer der wichtigen Ideologen in dieser Gruppe, später stellvertretender Chefredakteur der Hamburger Morgenpost, Margarethe Nimsch, später hessische Staatsministerin, und Joschka Fischer, Metzgersohn aus dem Schwäbischen Langenburg (Jahrgang 1948), kein Student da ohne jeden Schulabschluß (Abgang in der 10ten Klasse, danach"auf höheren Befehl" Bob Dylans als Minderjähriger Tramper bis nach Kuwait unterwegs, ausgeflippt wegen des Bob Dylan Songs"on the road"), usw.
Joschka Fischer kam übrigens 1968 mit seiner Jugendfreundin Edeltraut, frisch verheiratet durch den Schmied in Gretna Green, ins"revolutionäre Frankfurt". In Frankfurt kursierte sein Name schnell als Geheimtip in der linken Studentenszene, da man über diesen Typen, so hieß es, äußerst günstig an jedes Buch kam, das man brauchte. Und tatsächlich: Joschka Fischer finanzierte sich in dieser Zeit hauptsächlich vom gut geplanten Bücherklau aus öffentlichen Bibliotheken oder Buchhandlungen bis hin zum benachbarten Darmstadt oder Wiesbaden. Bei Opel gearbeitet hat er nie, im Gegensatz zu anderen aus der Betriebsprojekt-Gruppe.
Die Betriebsprojektgruppe wurde übrigens sehr bald in den Revolutionären Kampf RK umgetauft. Die Opel-Arbeiter (die Firma Hoechst hatte gerade einen Einstellungsstopp verhängt) waren allerdings schrecklich uneinsichtig hinsichtlich der Bemühungen, den Klassenkampf zu starten und den Kapitalismus endgültig zu zerschlagen.
Für Joschka Fischer bildete diese Betriebsprojektgruppe so etwas wie die Keimzelle seiner späteren Frankfurter Gang. Viele, die später zum verzweigten Geflecht dieser Gang gehörten, waren in dieser Betriebsprojektgruppe bereits dabei: Tom Koenigs, Thomas Schmid, Margarethe Nimsch, der Kabarettist Matthias Beltz, der Kneipier und Musikveranstalter Ralf Scheffler usw.
Ohne Daniel Cohn-Bendit wäre der RK allerdings auch nur einer der unzähligen linksradikalen Grüppchen geblieben, die Anfang der 70er genauso schnell verschwanden wie sie gegründet wurden. Doch mit"Danny" gehörte der Gruppe ein"Weltbekannter Revolutionsführer" an (als Anführer einer linksradikalen französischen Studentengruppe 1968 aus Frankreich ausgewiesen), dessen Glanz als simples Aushängeschild die RK überleben ließ.
Was sich in dieser Gruppe offenbarte war der ganze kleingeistige Mief von Leuten, die sich selbst für den Nabel der Welt halten - bis auf den heutigen Tag!
Da das theoretische Gebäude des Revolutionären Kampfes, RK, letztlich unverdaulicher Schwachsinn war, kam Danny auf die Idee der Spontaneität als Ideologieersatz:"unsere Ideologie war die absolute Spontaneität". Die"Spontis" waren geboren. Schon bald schreiben die RK-Mitglieder als Opel-Arbeiter keine Protokolle mehr zur soziologischen Analyse der kapitalistischen Verhältnisse sondern setzten zur revolutionären Sponti-Wühlarbeit an, dort, wo man glaubte, schnellere Erfolge erzielen zu können."Macht kaputt, was euch kaputt macht" lasen die verblüfften Opel-Arbeiter auf Flugblättern. Auch Vorschläge zur konkreten Sabotage in der Autoproduktion machten die RKler - allerdings ohne großen Erfolg.
Im Herbst 1970, in etwa zur selben zeit als die RK-Arbeit bei Opel aufgenommen wurde, wurden im Frankfurter Westend drei Häuser besetzt. Die RK-Gruppe war nicht dabei, auch wenn Joschka Fischer zur Verschönung seines Lebenslaufes die Geschichte in diesem Sinne gerne umschreiben möchte. Erst nach der Niederlage bei Opel, wo die Arbeiter einfach nicht zur Weltrevolution zu bewegen waren, kam die Idee hoch, daß die mehr und mehr Aufsehen erregenden Häuserbesetzungen (da war der Neid auf den Ã-ffentlichkeitserfolg anderer der Vater des Gedankens) doch das richtige Agitationsfeld auch für die RKler wären.
Aber bei den ersten Straßenkämpfen mit der Polizei rund um die besetzten Häuser prügelten sich eher jugendliche Ausreißer oder entlaufene Fürsorgezöglinge mit der Polizei, so ein gewisser Hans-Joachim Klein, der später unter dem Kommando des Terroristen Carlos arabische Ã-lminister entführte. Die studentischen Rkler hingegen verdrückten sich lieber individuell.
Das drohte dem Image in der linken Frankfurter Revolutionszene zu schaden. Deshalb stellten die RKler Häuserkampftruppen auf. Überdies standen die RKler auch in unmittelbarer Konkurrenz zur RAF. Daher auch folgende Parole von Cohn-Bendit, Fischer und Co.:"Sind wir bereit die Häuser zu verteidigen gegen Bullen und Justiz? Sind wir bereit, neue zu nehmen?" Die Antwort auf diese rhetorische Frage waren die Häuserkampftruppen, die sog."Massenmilitanz" statt der Bomben und Kalaschnikows der eher konspirativ vorgehenden RAF.
Bewundertes Vorbild von Cohn-Bendit, Fischer und Co. war statt der RAF die italienische"Lotta Continua" ("Der Kampf geht weiter"), da diese auch Erfolg bei Massendemonstrationen hatten. Die"Häuserkampftruppen" und die"Massenmilitanz" waren Kopien dieses Vorbildes, genau so wie das Kämpfen mit Knüppeln, Steinen und Molotowcocktails!
Joschka Fischer hatte übrigens nie den Hang verspürt in den Werkhallen von Opel zu arbeiten, um revolutionärer Studien willen. Sein Hauptinteresse galt viel eher dem Vorhaben, unter Anleitung von"Lotta Continua"-Genossen, die sich nach Deutschland abgesetzt hatten, weil sie in Italien gesucht wurden, das rauhe Handwerk eines Straßenkämpfers zu erlernen.
Dies war der zweite Schritt im Werdegang des Revolutionsführers Joschka Fischer - nach der autodidaktischen Ausbildung zum Redner durch Besuch von Seminaren des Adorno-Doktoranden Hans-Jürgen Krahl, eines begnadeten Redners, aber auch Säufers, was Krahl frühzeitig den Leberzirrhose-Tod brachte.
Der schon damals geltungssüchtige Fischer hatte sich Krahl als Idol ausgeguckt und imitierte sogar heimlich des Meisters Gesten zu Hause (in einer WG) vor dem Spiegel. Der mahnend ausgestreckte Zeigefinger zum Beispiel, den Fischer bis heute in seinem Gesten-Repertoire hat, der soll von Krahl stammen.
Nun also die Ausbildung zum Straßenkämpfer, die Joschka Fischer schnell überaus erfolgreich absolvierte, so daß er bald zum Comandante einer größeren Anzahl von Genossinnen und Genossen wurde, die ebenfalls lernen wollten, wie man Bullen erfolgreich verprügelt. Der Name dieser munteren Abteilung des RK: die"Putzgruppe".
Die Gruppe trainierte hart. Sonntags fuhren sie im geschlossenen Konvoi in den Taunus, wo Joschka mit bis zu 40 Leuten Steineschmeißen in Formation übte (eine Reihe tief, die nächste hoch), einen Keil bilden, Gefangenenbefreiung in Dreiergruppen usw. Das Training war so realistisch, daß es nicht ohne Verletzungen ging, und bald die RK-Damen lieber zu Hause blieben, was Fischer nur Recht war, weil er in seiner"proletarischen Union für Terror und Zerstörung" nur ausgesucht harte Männer um sich sehen wollte. Für sich selbst reklamierte Fischer immer die Rolle des Häuptlings.
Und, auch das absolut pathognomonisch für Fischer:
den einzelnen Mitgliedern der verschiedenen Gangs und Clans, die Fischer im Laufe seines Lebens um sich scharte, gewährte er nur so lange seine Gunst, wie sie ihm und seinen Zielen von Nutzen waren.
Und sich ihm unterordneten."Der kann nur Boß sein" sagte sein späterer Subalterner Hubert Kleinert. Fischer nutzte seine rhetorischen Mittel auch dazu, mit"Killerinstinkt" Genossen vor versammelter Sponti-Ã-ffentlichkeit niederzumachen. Auch mit seinen prügelnden Fäusten machte er vor den eigenen Leuten nicht halt. Oder wie Fischer das nannte"seine Lust am Schlagen", für ihn immer auch"ein tendenziell sadistisches Vergnügen" - ein öffentliches Bekenntnis mit gespielter Reue (in der Zeitschrift"Autonomie") als dieses Spiel der Reue ihm gerade nützlich erschien.
Ausschnitt aus:
Christian Schmidt:"Wir sind die Wahnsinnigen - Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang", Econ&List Verlag
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