- Rational Exuberance, Teil II: LTCM, Glassman/Hassert, Dow 36.000 und Greenspan - dottore, 02.06.2001, 17:03
Rational Exuberance, Teil II: LTCM, Glassman/Hassert, Dow 36.000 und Greenspan
Hi,
das neue Buch des Goldman-Sachs-Manns Smith ist wie schon gesagt, sehr empfehlendwert auch für jene, die seine Schlußfolgerung (es wird immer"rationaler" und die Efficient market-Leute werden sich durchsetzen) nicht teilen.
Ich teile sie nicht. Das belegt auch sehr schön der von Smith aufbereitete Fall der LTCM-Chose.
Bei LTCM ging's bekanntlich darum, dass Nobelpreisleute (Merton, Scholes, 1997) just den Fakt ausnutzen wollten, dass es (noch) keine"efficient markets" worldwide gab: Es bestanden also Arbitrage-Möglichkeiten, auf deutsch: zwischen den klugen und den dummen Marktteilnehmern.
Scholes fertigte einen Versicherungsfritzen, der nicht an LTCM glauben wollte, ab mit den Worten:
"As long as there continue to be people like you, we'll make money!"
1995 und 96 machte LTCM mehr als 40 % aufs eingesetzte Kapital (fully paid und zwar 7 Mrd. $).
Dann kam die Frage: Kann man mit so viel Geld immer neue Chancen (also Dumme) finden? Antwort: Nein. Also wurde ausgezahlt, Kapital sank auf 4,9 Mrd $. Ende 97 waren es nur noch 2,7 Mrd. (obwohl alle Schlange standen, vor allem Banken wie die UBS, um einzuzahlen).
<font color="FF0000">Um aus dem Kapital die entsprechenden Returns zu erwirtschaften, begannen die Jungs zu leveragen. LTCM hatte schließlich das ca. 28fache ihres Kapitals an"securities". Die"off balance sheet"-Derivate betrugen schließlich mehr als 1 Billion (unsere Billion) $."To make superior returns, it is necessary to take more risk."</font>
Durch die Russen-Pleite ging dann die Nummer komplett in die Hose. Erst wollten alle, die neidisch auf die LTCM gewesen waren, die Jungs im Regen stehen lassen, aber dann merkten sie, dass sie selbst auf der anderen Seite standen und ebenso falliert wären wie die LTCM.
Also wurde LTCM gerettet.
(Das Problem, das Smith nicht bewältigt, liegt eben darin, dass er nicht realisiert, dass es im Markt nicht nur simultan unterschiedliche Returns gibt, sondern auch sukzessiv. Man schielt auf frühere"Erfolge" und will alles daran setzen, sie beizubehalten bzw. zu steigern, zumal dies die anderen Marktteilnehmer erwarten, usw.)
Nun zu Glassman-Hassert ("Dow 36.000"). Sie argumentieren, dass die"equity-risk-premium" historisch bei 7 % gelegen habe. Mit steigenden Kursen war die Prämie auf 3 % gefallen. Das haben sie dann extrapoliert und sind so auf Dow 36.000 gekommen. Dass die Prämie auf null fallen können (Voraussetzung für Dow 36.000), wird mit"fundamental changes" (welche wird nicht klar) begründet.
Zu den"Changes" gehört angeblich auch die Tatsache, dass es einer"weisen" Politik zu verdanken sei, dass die"Fluctuations in Real Gross Domestic Product" immer geringer geworden sind, wg."greater sophistication on the part of economic policy makers" und wg."built-in-safety-nets".
Und: <font color="FF0000">"While new, unexpected macroeconomic disasters may loom undetected just beyond the horizon, the likelihood that the old-fashioned 'busts' typical of the nineteenth and early twentieth centuries will recur has been sgnificantly reduced."</font>
Daraus leitet Smith einen"Paradigma-Wechsel" ab, was dazu führt "that stocks are not actually as risky as they have appeared to be... in the past."
Und: "There is no real evidence of any speculative bubbles affecting the large-capitalization stocks that dominate the markets."
Dass dies natürlich grober Unfug ist, haben die Märkte gerade hinlänglich bewiesen (vide aktuell das KPN-Desaster! KPN, ein absolutes Euro-Stoxx-Schwergewicht, hat gestern bis zu 20 % verloren, Kurs um die 9 Euro, Juni 2000 noch 55 Euro; und massenhaft andere, die wir alle schon bestens kennen).
<font color="FF0000">Was Smith verzapft, ist nachweislich leider pure bullshit!</font>
Aber noch etwas anderes ist interessant in seinem Buch: Er weist nach, das Greenspan schon seit 1957 über den Aktienmarkt nachhirnt (aus einem FORTUNE-Artikel). Greenspan hat damals schon vor "over exuberance" (sic!) gewarnt. Das war lange bevor er sich von Shiller die "irrational exuberance" hat aufschwatzen lassen. Und heute scheint er - so jedenfalls die Smith'sche Meinung, endlich in die richtige Richtung zu bewegen - eben"toward rational exuberance"-Thesen.
Zusammenfassend verweise ich nochmal auf Teil I der Besprechung: Wenn es tatsächlich toward rationality gehen sollte, landen wir zum Schluss bei der benchmark und wenn die equity-risk-premium tatsächlich bei null landen sollte (und selbst wenn der Dow dann tatsächlich 36.000 erreichen sollte), kann er sich danach nur noch so entwickeln wie die benchmark (nach der sich alles andere auch entwickelt). Und dann ist es sowieso wurscht, ob ich in Aktien oder in die benchmark selbst gehe, konkret: letztlich US-Treasuries kaufe.
<font color="FF0000">Damit wäre bei Dow 36.000 komplett Schluss. Alle Aktien könnten dann gleich in Bonds oder (private) Bills getauscht werden und da es keinerlei Irrationality mehr geben kann, kann es auch keinen Spread mehr zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Bonds mehr geben. Die Treasuries könnten sich auch nicht anderes entwickeln als die Private Bonds, da ihre Bedienung (via Steuereinnahmen) sich genau so entwickeln würden wie die Profits bzw. Incomes, die sich ihrerseits ebenfalls nur so entwickeln könnten wie die"Wachstumsrate" des BIP.
Damit wäre auch zugleich das Ende des auf Risiko basierenden Kapitalismus gekommen (Pleiten würden eben durch"safety nets" aufgefangen, was letztlich ebenfalls eine Wandlung der mauen Forderungen in Treasuries bedeuten würde.
Alle Börsen könnten geschlossen werden.
Warum dann aber die Wirtschaft noch wachsen sollte (bisher wächst sie letztlich durch den bekannten"Erfüllungsdruck", der auf offenen Rechnungen bzw. Schulden lastet, kleinere"jumps" durch Zufallsentdeckungen mal außen vor), kann dann nicht mehr beantwortet werden. Und wie der Staat die Zinsen auf die Treasuries bedienen soll, bleibt mysteriös.
Damit endet die Sache also in sich selbst.</font>
Schönen Gruß
d.
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