- Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - Dionysos, 10.06.2001, 13:42
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - yatri, 10.06.2001, 14:34
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - black elk, 10.06.2001, 15:21
- Re: Klage gegen den Euro - Dionysos, 10.06.2001, 17:40
- Gold + Euro - Der Euro als Bewährungsprobe einer neuen WEltfinanzordnung - black elk, 10.06.2001, 17:46
- Re: Gold + Euro - ein Buchtip - Diogenes, 10.06.2001, 21:42
- Re: Gold + Euro - ein Buchtip - black elk, 10.06.2001, 21:50
- Re: Gold + Euro - ein Buchtip - Diogenes, 10.06.2001, 21:42
- Gold + Euro - Der Euro als Bewährungsprobe einer neuen WEltfinanzordnung - black elk, 10.06.2001, 17:46
- Re: Klage gegen den Euro - Dionysos, 10.06.2001, 17:40
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - Stichprobengröße - nereus, 10.06.2001, 20:00
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - Stichprobengröße - Jochen, 10.06.2001, 21:35
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - Stichprobengröße - nereus, 10.06.2001, 22:31
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - Stichprobengröße - Jochen, 11.06.2001, 18:12
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - Stichprobengröße - nereus, 10.06.2001, 22:31
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - Stichprobengröße - Jochen, 10.06.2001, 21:35
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - black elk, 10.06.2001, 15:21
- Re: Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro - yatri, 10.06.2001, 14:34
Rheingold-Institut Köln Studie zur Einführung des Euro
http://www.rheingold-online.de/db/download/pb_dn1_176200167175930.pdf
Bis ins Mark erschüttert:
Die psychologischen Folgen der Währungsumstellung.
Wenige Monate vor der Währungsumstellung
bestimmt ein diffuses Unbehagen die Gefühlslage
im Land. Die Tatsache der Euro-Einführung wird
von den Deutschen verdrängt und die
Informations-Kampagnen zur neuen Währung
werden kaum wahrgenommen. Eine
tiefenpsychologische Studie in West- und
Ostdeutschland ergab, dass mit der
Währungsumstellung ein anderes, tief in der
Geschichte verwurzeltes psychologisches
Problem virulent wird: In der
Nachkriegsgeschichte wurde die D-Mark zu einem
Ersatz-Symbol für nationale Einheitsstiftung und
geschichtliche Identität. Weitere, historisch
unbelastete Symbole existieren im Vergleich zu
anderen europäischen Ländern kaum. Die Mark ist
deshalb weit mehr als nur ein Zahlungsmittel: Sie
ist eine psychologisch wichtiges
Verbindungsmittel zwischen den Deutschen.
Durch ihr Verschwinden wird die Frage der
nationalen Zughörigkeit, was deutsch ist und was
nicht, mit weitreichenden gesellschaftlichen
Folgen zusätzlich belebt.
Besonders die Menschen in Ostdeutschland
empfinden diese krisenhafte Entwicklung als sehr
schmerzhaft. Der Euro als ‘heimatlose‘ Währung in
einer als ‘identitätslos‘ empfundenen EU wird
diese Bedeutung nicht ersetzen können.
Als Folge dieser Krise ist eine tiefgreifende
Verunsicherung und die verstärkte Zuwendung zu
anderen Symbolen nationaler und regionaler
Identität sowie eine vertiefende Beschäftigung mit
der eigenen Geschichte absehbar. Insbesondere in
den neuen Bundesländern kann diese Entwicklung
auch zu einem weiteren Anwachsen
rechtsradikaler Tendenzen führen.
„Der Euro gehört der EU. Das ist nicht mehr das
Heimatgeld. Das haben außer uns noch elf andere
Länder - das ist heimatloses Geld!“ (Zitat
Westdeutschland)
1. Die Einführung des Euro ist nicht das
eigentliche Problem der Währungsumstellung.
„Kommt der Euro denn jetzt wirklich?“
(Zitat Westdeutschland)
Wenige Monate vor der Währungsumstellung zeigte
sich während der psychologischen Untersuchungen,
dass die mit der Währungsumstellung verbundenen
sachlichen Probleme den Deutschen wenig
Kopfzerbrechen bereiten. Ob verdeckte
Preiserhöhungen, Stabilität des Euro, Computer-Probleme
oder persönliche
Gewöhnungsschwierigkeiten im Umgang mit der
neuen Währung - diese Herausforderungen
erscheinen den Menschen als vorübergehend und
praktisch lösbar. Deutlich wurde aber auch, dass von
der Idee einer europäischen Einheitswährung kaum
emotionale Bindungskraft ausgeht. Die persönliche
Zugehörigkeit zur EU ist als Faktor der eigenen
Identitätsbildung nicht existent.
Bei fast allen Probanden zeigte sich, dass trotz der
direkt bevorstehenden Veränderungen die
Währungsumstellung noch immer verdrängt oder
verleugnet wird:„Ich glaube nicht daran, dass der Euro
kommt!“ (Zitat Westdeutschland)
2. Das eigentliche Problem ist der Tod der D-Mark.
Er erzeugt eine unterschwellige
Begräbnisstimmung.
„Das ist, als würde man den Engländern den Tee und
die Queen nehmen. Was bliebe ihnen dann noch? Nur
der Regen. Und was bleibt uns, wenn die Mark weg
ist?“ (Zitat Westdeutschland)
Verdrängung und Verleugnung sind Ausdruck einer
Verlustangst: Deutlich mehr als die neue Währung
macht den Befragten das Verschwinden der D-Mark
zu schaffen. Regelmäßig stellte sich während der
Untersuchung Begräbnisstimmung ein, als ob den
Probanden mit der alten Währung eine geliebte
Person abhanden kommt. Bei Interviews in
Ostdeutschland reichten die Reaktionen von
Schweigen bis zu Wutausbrüchen und Weinkrämpfen:
„Ein Leben lang habe ich mich nach der D-Mark
gesehnt. Dann hatte ich sie für 10 Jahre und jetzt ist
alles wieder vorbei.“
Schnell wurde deutlich, dass sich die Probanden im
Zusammenhang mit der Währungsumstellung
seltsamerweise vor allem mit scheinbar abseitigen
Themengebieten wie ‘Deutsche Geschichte‘,
‘Nationalstolz‘, ‘Entfremdung‘, ‘Einwanderung‘,
‘Leitkultur‘ und ‘Verlust von Identität und Heimat‘
auseinandersetzen. Einige der Befragten waren auch
von einer Sammelleidenschaft gepackt, Geldscheine
und Münzen werden wie Andenken an einen
Verstorbenen gehortet: „Ich mache ein Album für
meinen Enkel. Damit er weiß, wo seine Wurzeln sind.“
(Zitat Westdeutschland)
3. Die D-Mark ist der zentrale Splitter einer
‘Deutschen Identität‘.
„Erst wird die D-Mark abgeschafft, dann die deutsche
Sprache, und bald gibt es die Deutschen nicht mehr!“
(Zitat Westdeutschland)
Dieses Verhalten zeigt die besondere psychologische
Bedeutung der D-Mark für die Deutschen: Vor dem
Hintergrund der Erfahrungen mit ihrer eigenen
Geschichte haben sie Schwierigkeiten, ihre Sehnsucht
nach einem klaren nationalen Selbstbild, nach
Abgrenzung, nach einem verbindenden ‘Wir-Gefühl‘
und der nationalen Gemeinschaft überhaupt
zuzulassen.
In dieser Situation hat die D-Mark die Rolle des
zentralen ‘Identitäts-Splitters‘ als psychologische
Verbindung zwischen den Deutschen in vierfacher
Hinsicht übernommen:
Die D-Mark ist historisch unbelastet.
Als eines der wenigen deutschen Symbole hat die
D-Mark ihre Wurzeln in der Nachkriegszeit und ist
daher ‘unbefleckt‘. Auf sie kann man als Deutscher
ohne faden Beigeschmack ‘stolz‘ sein. Sie steht für
das Wirtschaftswunder, die wirtschaftliche Stärke und
Stabilität des Landes und die hohe internationale
Reputation des neuen, des ‘guten‘ Deutschland.
Die D-Mark erzeugt ein nationales ‘Wir-Gefühl‘.
Die D-Mark verbindet alle Deutschen wie ein
unsichtbares Band. Sie zirkuliert und fließt zwischen
den Menschen und wird dadurch zu einem der
wenigen psychologischen Verbindungsmittel zwischen
den Deutschen.
Die D-Mark verbindet Generationen.
Die D-Mark erzeugt Kontinuität und eine gemeinsame,
positive Geschichtlichkeit. Sie vereinigt psychologisch
die heutige Generation mit denen der Eltern und
Großeltern als Teil der persönlichen Biographie.
Die D-Mark eint Ost und West.
Die D-Mark ist das Verbindungsmittel, der Kitt
zwischen Ost und West. Als Objekt großer Begierde
war sie in der DDR psychologisch sogar bedeutsamer
als in der damaligen BRD: Sie war das zentrale
Symbol für die Sehnsucht der DDR-Bürger, ‘vollgültige
Deutsche‘ zu sein. Diese Sehnsucht konnte jedoch mit
der deutschen Wiedervereinigung nicht vollständig
erfüllt werden. Heute ist die D-Mark als gemeinsame
Währung der zentrale Einheitsstifter in Deutschland:
„Die D-Mark überbringt die deutschen Eigenschaften.
Die DDR ist Ostdeutschland geworden.“ (Zitat
Ostdeutschland)
4. Durch das Verschwinden der D-Mark wird die
Sehnsucht der Deutschen nach ‘Wir-Gefühl‘,
Selbstbild und Abgrenzung wieder frei.
Projektleiter Simone Severin und Michael Schütz zum
psychologischen Hintergrund dieser Entwicklung: „Das
in allen europäischen Ländern selbstverständliche
Bedürfnis nach einem ‘nationalen Wir-Gefühl‘ ist durch
die deutschen Geschichte diskreditiert. Im Gegensatz
zu allen anderen Bürgern Europas befinden sich die
Deutschen in der prekären Lage, diese vorhandene
Sehnsucht nicht zulassen oder sogar offen
aussprechen zu können: Aus der Erfahrung zweier
selbst verursachter Weltkriege resultiert die kollektive
Angst, dass die Ausbildung eines deutschen
Nationalgefühls immer und zwangsläufig in der
völligen Katastrophe mündet. Diese Furcht führt zu
einem neurotischen Vermeidungsverhalten. Die
grundlegende Sehnsucht nach Selbstbild, Abgrenzung
und Wir-Gefühl darf nur bis zu einer bestimmten
Grenze zugelassen werden. Schon mit dem Gebrauch
des Wortes ‘national‘ ist diese erreicht. Man gerät
sofort in die Not, sein Verhalten erklären und sich
entschuldigen zu müssen.
Die Vergangenheitsbewältigung erscheint dadurch in
einem ganz anderen Licht: Sie dient nicht nur der
Aufarbeitung der eigenen Geschichte, sondern vor
allem auch der ‘Grenzsicherung‘. In Schule und
Medien wird den Deutschen immer wieder vor Augen
geführt, wohin es führt, wenn sie es wagen sollten,
diese Grenze zu überschreiten und sich gar als ‘stolze
Nation‘ zu fühlen.
Durch dieses Verhalten verhindern die Deutschen die
korrigierende Erfahrung, dass die Erfüllung der
Sehnsucht nach Selbstbild, Abgrenzung und ‘Wir-Gefühl‘
nicht zwangsläufig zur Katastrophe führt.
Hierdurch wird der neurotische Zustand nachhaltig
zementiert.
Doch die vorhandene Sehnsucht der Menschen bleibt
und sucht sich ersatzweise Erfüllung in ‘Identitäts-Splittern‘
wie der Identifizierung mit
Fußballmannschaften, mit Tennisspielern wie Boris
Becker oder Rennfahrern wie Michael Schumacher.
Der wichtigste Identitäts-Splitter der Nachkriegszeit ist
jedoch die D-Mark: Mit ihrem Wegfall wird das Band
zwischen den Deutschen, zwischen den
Generationen, zwischen Ost und West durchtrennt
und die grundlegende Sehnsucht nach Selbstbild,
Abgrenzung und Wir-Gefühl wieder frei.“
5. Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
um die ‘nationale Frage‘ werden durch die
Währungsumstellung an Schärfe gewinnen.
Das Verschwinden der D-Mark wird die Deutschen
stärker in eine Krise stürzen als andere Bürger
Europas. Zwei gegenläufige Tendenzen sind
absehbar, die zu einer Verschärfung der
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen führen
werden. Diese werden paradoxerweise an Stellen des
Diskurses aufbrechen, die mit der
Währungsumstellung scheinbar nichts zu tun haben.
Die Suche nach neuen Identitäts-Splittern
Die Beschwörungen deutscher Gemeinsamkeiten
nehmen zu und das Bedürfnis nach einem nationalen
Selbstverständnis wird lauter. Die Deutschen haben
sich auf die Suche nach neuen Identitäts-Splittern
begeben. Noch ist nicht absehbar, wo sie diese finden
werden. Eine verstärkte Hinwendung zu regionalen
Bezügen mit deutlichen Abgrenzungen, ein stärkeres
Auseinanderdriften von Ost- und Westdeutschland
sowie ein Erstarken rechtsradikaler Tendenzen ist
wahrscheinlich.
Das Wachsen der kollektiven Angst
Als Gegenentwicklung wird die kollektive Angst der
Deutschen vor den Gefahren der ‘nationalen Frage‘
wachsen und damit die Bemühung um eine verstärkte
psychologische ‘Grenzsicherung‘. Als Folge dieser
Entwicklung wird die öffentliche Auseinandersetzung
um die Folgen des Nationalsozialismus zunehmen. Sie
dient jedoch nicht nur der ‘Grenzsicherung‘, sondern
auch unbewusst der Versicherung, dass die
Deutschen - und sei es in der Schuld - noch etwas
gemeinsam haben.
Hierdurch erhält die Suche nach neuen, positiven
Identitäts-Splittern zusätzlichen Auftrieb.
Die Ergebnisse der rheingold - Studie zeigen, dass
die aktuellen Aufklärungs- und Werbekampagnen zur
Einführung des Euro zwar einen Beitrag zur Lösung
der rationalen Fragen leisten, aber nicht am
eigentlichen Problem ansetzen. Daher werden sie
kaum wahrgenommen.
Fakten zur Studie
Für die Studie „Einführung des Euro und Verlust der
DM in Ost- und Westdeutschland“ wurden insgesamt
44 Personen in Köln (28) und Dresden (16) im Alter
zwischen 16 und 60 (Geschlecht paritätisch, sozialer
Status ausgewogen berücksichtigt) in psychologischen
Tiefeninterviews von jeweils zweistündiger Dauer von
Psychologen befragt. Für das Forschungsvorhaben
eigneten sich Tiefeninterviews besonders gut, da sie -jenseits
der bekannten rationalen Befürchtungen zur
Währungsumstellung - die tieferen und zum Teil
unbewussten Zusammenhänge und Ängste aufdecken
konnten. Eine Stichprobengröße von 44 Interviews ist
für ein tiefenpsychologisches Forschungsprojekt üblich
und völlig ausreichend. Ziel war nicht statistische
Repräsentativität, vielmehr sollte sichergestellt
werden, alle psychologisch relevanten Aspekte des
Untersuchungsthemas in der Stichprobe abzubilden.
Projektleitung:
Diplom-Psychologin Simone Severin
Diplom-Psychologe Michael Schütz
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Strätling
<ul> ~ http://www.rheingold-online.de/db/download/pb_dn1_176200167175930.pdf</ul>
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