- Wirtschafts"wissenschaft" Etikettenschwindel - Hirscherl, 14.06.2001, 15:43
- Re: Wirtschafts"wissenschaft" Etikettenschwindel - Cujo, 14.06.2001, 15:50
- Re: Richtig! Vielleicht schaffen wir es aber hier? Endlich Mal Grund reinbringen (owT) - dottore, 14.06.2001, 16:29
- Re: Wirtschafts"wissenschaft" Etikettenschwindel - Amanito, 14.06.2001, 16:37
- Wer schwindelt hier? - franco, 14.06.2001, 22:40
- Re: Wer schwindelt hier? Antwort: Mainstream Ã-konomik! - Liated mi Lefuet, 14.06.2001, 23:56
- Re: Wer schwindelt hier? Antwort: Mainstream Ã-konomik! - JüKü, 15.06.2001, 00:18
- Re: Wer schwindelt hier? Antwort: Mainstream Ã-konomik! - Liated mi Lefuet, 14.06.2001, 23:56
Wer schwindelt hier?
>Als Naturwissenschaftler bin ich immer ziemlich verwundert (um es mal positiv zu formulieren) wenn ich sogenannten Wirtschaftswissenschaftlern zuhöre bzw. deren Beiträge oder Theorien lese.
>Das Wissen um den Inhalt der Theorien kritisieren zu können fehlt mir natürlich - aber das besorgt ja die Fach-Konkurrenz. Was ich jedoch bemerke ist folgendes: es geht nicht um Theorien, sondern um (oft politische) Ideologien.
Wenn Sie die Inhalte nicht verstehen, dann können Sie auch nicht entscheiden, ob es sich um Theorien oder Ideologien handelt.
In keiner vernünftigen Wissenschaft kann es sein, daß über grundlegende Begriffe dieser Wissenschaft keine Übereinstimmung herrscht. Klar, an der vordersten Front der Forschung mag man sich streiten - nach 10 oder auch 20 Jahren ist die Sache (experimentell) geklärt.
>In den sog. Wirtschaftswissenschaften ist man sich noch nicht einmal darüber einig, was die Begriffe Geld, Kredit, Wert,.. eigentlich bezeichnen.
Dies ist ein falscher Eindruck. Es gibt einen ökonomischen Mainstream, indem die Begriffe Geld, Kredit, Wert etc. hinreichend klar sind.
Die entscheidende Frage ist vor allem, was zählen Sie zur Wirtschaftswissenschaft?
Ich bin sicher, dass Sie die gleichen Aussagen, die Sie hier für die Wirtschaftswissenschaften glauben machen zu können, auch machen müssten, wenn Sie jeden Wunderheiler zu den Naturwissenschaftlern zählen würden. Dazu ein Fall-Beispiel: Sind die Vertreter einer wörtlichen Bibel-Interpretation der Weltentstehung in Ihrer Sicht auch Naturwisssenschaftler? Wenn nein, warum nicht? Warum zählen Sie dagegen jeden Quacksalber, der mit Begriffen wie Geld, Schuld, Kredit, Zession usw. um sich wirft, zu den Wirtschaftswissenschaften?
Dann kocht sich jeder sein eigenes ideologisches Süppchen daraus und stellt eine Theorie auf, die nicht einmal dem elementarsten Anspruch an jede Theorie genügt: Falsifizierbarkeit (von der Vorhersagekraft, Einfachheit, Präzision ganz zu schweigen).
Ausserdem scheinen Sie von der Methodologie der Naturwissenschaften ein naives Bild zu haben. Jede Wissenschaft hat Begriffe, die sich einer Falsifizierbarkeit entziehen.
Ihre Argumentation ist ausserdem zirkulär. Die Falsifizierbarkeit ist von Popper als Kriterium der Wissenschaftlichkeit eingeführt worden.
Wenn Sie alles, was diesem Kriterium nicht gerecht wird, aus der Naturwissenschaft ausschliessen, dann ist es kein Wunder, dass alles was dann noch übrig bleibt, Ihre Naturwissenschaft, diesem Kriterium gerecht wird.
Wenn Sie zu den Wirtschaftswissenschaften auch nur das zählen würden, was dem Popperschen Kriterium genügt, dann würden Wirtschaftswisssenschaften ihren Test der Falsisifizierbarkeit genau so bestehen wie die Physik.
Anders formuliert: Sie messen mit zweierlei Mass. Zu den Naturwissenschaften zählen Sie nur Dinge, die dem Popperschen Kriterium genügen. Bei der Abgrenzung der Wirtschaftswissenschaften verfahren Sie aber ganz anders. Wird Ihnen da nicht"schwindlig"?
Ich bin mit einem promovierten und international ausgewiesenen Physiker befreundet, der mir von morgens bis abends erklärt, dass die herrschende Physik eine Fehlentwicklung sei und dass die etablierten Physiker wesentliche Elemente ihres Faches nicht verstanden hätten.
Sie scheinen dagegen in einer harmonischen Welt zu leben und allem aus dem Weg zu gehen, was dieser Harmonie widerspricht.
>Wie stünde es um die Welt, wenn sich die Chemiker nicht über den Begriff"Molekül" und die Physiker nicht über"Kraft" einigen könnten?
>Mir ist natürlich klar daß alle Sozialwisssenschaften es etwas schwerer als die Naturwissenschaften haben - einerseits können sie aus ethischen Gründen ihre Versuchsobjekte (Menschen) nicht beliebigen Experimenten aussetzen wie ein Physiker es mit Atomen tun kann und andererseits stehen ihre Objekte in sehr komplexen Beziehungen untereinander und haben einen freien Willen.
>Zugestanden, andere Sozialwissenschaften haben es jedoch auch geschafft sich auf eine empirische Basis zu stellen - meist mit Hilfe statistischer Auswertungen von Beobachtungen und Tests. Von der Pädagogik kann sich so mancher Naturwissenschaftler noch etwas über sauberen Experimentaufbau abschauen, und die Psychologie hat sich von der Ideologie und reinem hypothetisieren (Freud) zur Naturwissenschaft entwickelt - wie die Chemie schon früher aus der Alchemie entwachsen ist.
Wie können Sie sich ein Urteil über die empirische Basis der Wirtschaftswissenschften erlauben, nachdem, was Sie eingangs über Ihre Kenntnisse gesagt haben? Ist das ein Beispiel für Ihr Ideologie-freies, empirisch abgesichertes Vorgehen als Naturwissenschaftler?
>Gibt es irgendeinen besonderen Grund, warum es auf den Universitäten nur mehr zwei Fächer gibt, die unwissenschaftlich sind: Wirtschaftswissenschaften und Theologie?
Nein, es gibt keinen Grund, ausser dem Ihrer persönlichen Willkür. Vor allem scheint mir die Zahl zwei als eine unnötige Einschränkung. Nach dem, was mir mein besagter Physiker-Freund von morgens bis abends einflösst, gehören zumindest die Physik und die Mathematik auch in diesen Kreis.
Das, was Sie hier von sich gegeben haben, macht es mir schwerer, meinem Freund zu widersprechen.
>Grüße,
>Tom H.
MfG
franco
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