- @Franco zu: Etikettenschwindel - Hirscherl, 15.06.2001, 09:45
@Franco zu: Etikettenschwindel
Guten Morgen!
Noch ein Nachtrag zum Etikettenschwindel. Die postive Resonanz hat mich überrascht, auf die Kritik von Franco will ich eingehen:
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>"Wenn Sie die Inhalte nicht verstehen, dann können Sie auch nicht entscheiden, ob es sich um Theorien oder Ideologien handelt." <
Aber natürlich, nichts leichter als das: an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Wenn es zutreffende Theorien gäbe, wären die Erklärungen sinnvoll und die Vorhersagen ja korrekt - sind sie aber nie, siehe Japan usw. (falls überhaupt welche gemacht werden). Sollten Aussagesätze aber so formuliert sein, daß sie nicht widerlegbar sind, und darüberhinaus im wesentlichen die gesellschaftspolitischen Ansichten des Urhebers widerspiegeln -> Ideologie.
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>"Es gibt einen ökonomischen Mainstream, indem die Begriffe Geld, Kredit, Wert etc. hinreichend klar sind. Die entscheidende Frage ist vor allem, was zählen Sie zur Wirtschaftswissenschaft? Ich bin sicher, dass Sie die gleichen Aussagen, die Sie hier für die Wirtschaftswissenschaften glauben
machen zu können, auch machen müssten, wenn Sie jeden Wunderheiler zu den Naturwissenschaftlern zählen würden. Dazu ein Fall-Beispiel: Sind die Vertreter einer wörtlichen Bibel-Interpretation der Weltentstehung in Ihrer Sicht auch Naturwisssenschaftler? Wenn nein, warum nicht? Warum zählen Sie dagegen jeden Quacksalber, der mit Begriffen wie Geld, Schuld, Kredit, Zession usw. um sich wirft, zu den Wirtschaftswissenschaften?" <
Das Problem ist eben, daß bei genauer Betrachtung die Menge der Wirtschaftswissenschaflter (an den Universitäten) eine leere Menge ist. Was ist für mich nun Wissenschaft? Vier minimale methodologische Grundbestandteile der Wissenschaft sind nach gesundem Menschenverstand und Übereinkunft der scientific community:
a. Wissenschaft sucht nach möglichst allgemeinen und gehaltvollen Sätzen, Theorien und Gesetzen.
b. Wissenschaft sucht nach aktualen Basissätzen (Beobachtungssätzen), die empirische Daten bzw. Beobachtungen widergeben und durch Experiment direkt bewahrheitet werden.
c. Wissenschaft versucht, mit Sätzen aus a. die bereits bekannten empirischen Tatsachen zu erklären, sowie neue in der Zukunft liegende Basissätze vorherzusagen.
d. Wissenschaft versucht, ihre allgemeinen Gesetze und Theorien empirisch zu überprüfen, indem die vorhergesagten Basissätze mit aktualen Basissätzen verglichen werden. Das Gesetz bzw. die Theoire wird bewährt oder falsifiziert.
Aus diesen Kriterien wird klar, daß wörtliche Bibelinterpreten keine Wissenschaftler sind (versagen in Punkt b., c., d.). Die Wirtschaftswissenschaften versagen in Punkt c. (Vorhersage) und d. (Überprüfung).
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>"Ausserdem scheinen Sie von der Methodologie der Naturwissenschaften ein naives Bild zu haben. Jede Wissenschaft hat Begriffe, die sich einer Falsifizierbarkeit entziehen." <
Das ist nun aber wirklich falsch. Begriffe lassen sich überhaupt nicht falsifizieren, in keiner Wissenschaft. Gesetzeshypothesen sind bestätigbar bzw. schwächbar, wenn sie empirischen Gehalt - also empirische Konsequenzen haben. Weil Sie es gerne genau nehmen: Theorien sind streng genommen weder verifizierbar noch falsifizierbar - Stichwort Holismus der Theorienüberprüfung.
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>"Anders formuliert: Sie messen mit zweierlei Mass. Zu den Naturwissenschaften zählen Sie nur Dinge, die dem Popperschen Kriterium genügen. Bei der Abgrenzung der Wirtschaftswissenschaften verfahren Sie aber ganz anders. Wird Ihnen da nicht"schwindlig"?" <
JEDE Wissenschaft muß meiner Meinung nach dem Popperschen Kriterium genügen (Sehr vereinfacht gesagt: ihre Behauptungen müssen prinzipiell widerlegbar sein). Die Wirtschaftswissenschaften muß ich anders definieren, weil sie ihm eben nicht genügen, aber von Gesellschaft und Politik trotzdem als Wissenschaft anerkannt werden. Ich bin damit ja nicht glücklich!
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>"Ich bin mit einem promovierten und international ausgewiesenen Physiker befreundet, der mir von morgens bis abends erklärt, dass die herrschende Physik eine Fehlentwicklung sei und dass die etablierten Physiker wesentliche Elemente ihres Faches nicht verstanden hätten."
Ich könnte es mir jetzt leicht machen und ihr Argument gegen sie verwenden: daß es eine Mainstream-Physik gäbe, in der alles hinreichend klar sei. Das will ich aber nicht, weil es ein ausgesprochen schlechtes Argument ist. Ohne weiteres Wissen, worin die Fehlentwicklung besteht und welche wesentlichen Elemente ihres Faches die Physiker nicht verstanden haben sollen kann ich darauf wirklich nicht antworten. Das passt aber nicht mehr ins Forum, falls Sie an seiner solchen Diskussion Interesse haben dann bitte an hirschthomas@hotmail.com
mfg,
Tom H.
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