- @ dottore - Turon, 18.06.2001, 20:00
- Re: @ dottore - Sehr nachdenkenswertes Posting!!! (owT) - Campo, 18.06.2001, 22:17
- und Teil II - Turon, 19.06.2001, 04:28
@ dottore
Du schreibst relativ kurz und knapp,
auf die Antwort auf mein Posting, zum Thema Politik:
"...der wirklich bedeutende, weil wahre Satz:
"Liebe Leute: Deutschland stirbt wirtschaftlich nicht etwa wegen der SPD
oder der Politikern, sondern wegen der Politikart. Nachgiebigkeit und Feigheit
und kaum vorhandene Reformbereitschaft der letzten 20 Jahre."...."
[b]Was ich in diesem Posting insgesamt beschrieben habe, will ich nur
anmerken, sind zum Teil emotional dargestellte Fakten.
Die Politik wird nicht müde uns zu erzählen, wir müssen sparen.
Also wir und der Stadt.
Bedauerlicherweise stimmt das jetzt, hätte aber nicht sein müssen.
Was Deutschland braucht ist nicht schlaue Sprüche, wie:
Die Konsumnachfrage ist nicht mehr von den arbeitenden Menschen
abhängig. Das stimmt sogar, hat aber katastrophale Folgen.
Aus etwa diesem Satz muß die Einstellung der schwarzer Regierung in etwa
ersichtlich sein. Es ist gar nicht so schlimm, könnte man meinen, wenn
man so etwas hört, daß der Verbraucher weniger konsumiert - er hat sogar
zuviel Geld und kann jetzt zur Kasse gebeten werden.
Auch mit dem letzten Satz bin ich in etwa noch einverstanden, aber nicht mehr
so ganz.
Ich habe dort explizit zwei wesentliche Punkte aufgeführt.
Für Geringverdiener habe ich den Beispiel Zeitarbeit genommen.
Für Einsparungen: Gesundheitswesen.
Alleine das zulassen eines Zustands, wie in der Zeitarbeit
hat schon wirtschaftspolitisch eben für diesen Sektor
nahezu katastrophale Folgen, zu dem die Regierung aus CDU/CSU/FDP
eindeutig das Ja Wort gab. (Gut SPD war da nicht viel besser,
aber ich schätze mittlerweile geht es auch nicht anders).
Daß muß sich nämlich richtig auf der Zunge zergehen lassen.
Schlosser, Schuster und Tischler haben noch bis zu 1985 solide
Löhne gehabt, jenseits der Schallmauer von 28 DM plus
Auslagen - im Schnitt hatten sie ein Bruttoverdienst
von schätzungsweise etwas über 50.000 DM im Jahr.
Aktuell sieht es so aus: wenn Du bei Arbeitsamt vorstellig
wirst, gibt es kaum Auswahl an freien Stellen.
Vom Lohn ganz zu schweigen und in erster Linie findest
Du eine Beschäftigung bei der Zeitarbeitfirmen.
(nicht nur im Schlosserbereich).
Der wesentliche Unterschied ist, daß mittlerweile
deutlichst weniger bezahlt wird.
Um zu sehen welche auswirkungen das hat, müßten wir
etwas tiefer in die Mentalität der Menschen vordiringen,
wie sie sich nun mal bei Einsatzwechseltätigkeit verhalten.
Als erstes: sie geben für Unterhaltung viel mehr aus.
Bier, Essen etc. Die meisten kriegen es gar nicht in den Griff,
Ihre Kosten zu kontrollieren.
Wenn man dieser riesiger Gruppe dann auch noch Löhne
kürzt heißt es: sie werden deutlichst weniger am Ende
verbrauchen können.
Und das ist erst der Anfang. Wenn schon ein Schlosser für 16 Mark
arbeitet, wird ein ungelernter gar nicht erst für so viel
angestellt. Da heißt es tatsächlich 10 und 12 DM. Oder zum Teil
noch weniger.
Die Mentalität sich die nötigen Arbeitskräfte auszuleihen
wächst weiterhin.
Mittlerweile: was 1994 für die Volkswagen ein Unding war,
ist jetzt ganz Normal.
Volkswagen gründete 1997 das Unternehmen Gründung und
Innovationszentrum AG. Kurz: GIZ AG. Wie sie zu diesem
Namen gekommen sind, ist äußerst interessant.
Denn hinter GIZ steckt nichts Anderes, als ein Unternehmen
der etliche Studenten, paar Arbeitslose etc, einstellt, die
dann einfach in Volkswagen eingestzt werden. Der Kostentrick
ist einfach: man entläßt diese Leute nach einer gewisser Zeit,
und sie verdienen auch nicht so viel wie die VW Leute.
Gründe für die Entlassung? einfach: wenn man krank wird.
1994 war jedenfalls ein Einsatz von Leiharbeitern nicht denkbar.
Die Löhne bei den übrigen Zeitarbeitsfirmen sind deutlich tiefer.
Persona Service als Beispiel zahlt in etwa 12 DM, Randstadt
9,50. Die noch 1992 bezahlten Auslagen wurden auf ein Minimum
reduziert.
So und jetzt wollen wir mal noch mal so einen Warenkorb
erstellen, was man uns ja so blauäugig immer wieder
aufgestellt hat.
Während 1988 der Konsum ja noch gar nicht so übel war,
und die Menschen so etwas wie einen Lohn hatten, sieht die
Sache, nach den Beschlüssen der Politik ganz Anders.
Wir haben in etwa 7 Millionen Menschen im Vergelich zu damals
die zum Teil erhebliche Loheinbußen durch Arbeitsplatzverlust
etc hinnehmen müssen.
Wenn man als früher 2200 DM nach Hause trug - 1988 und
heute mit etwas Glück mit 2000 DM (speziell bei dieser Gruppe
von Menschen) sind inflationsbereinigt Lohneinbußen von
real mehr als 30% auszumachen. In aller Regel hat man aber
keine 2000 DM monatlich, als Nettolohn.
Leute die für soviel arbeiten gibt es mittlerweile
an jeder Ecke. Die Zunahme bei den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger,
und auch stiller Reserve, macht den Rest.
Ich will das gar nicht genaustens berechnen, hat auch wenig Sinn.
Ich gehe jedoch davon aus, daß die Periode 1982-1998 in etwa
bei mindestens 35% der Bevölkerung rapide Veschlechterung mit sich brachte.
Und als Fazit: Für 35% der Bevölkerung mehr sind hochwertige Waren
(die Deutschland ja übrigens produziert) nicht mehr tragbar.
Und das haben wir den Sparbemühungen der kohlscher Regierungszeit
zu verdanken. Denn anders gesagt: er hat mit seiner Politik
es ermöglicht, daß es nicht nur einem Großteil der
Bevölkerung schlechter geht, aber auch einem Großteil der
Firmen, die von der Binnenmarktnachfrage abhängig sind
(und prinzipiell sind es alle). Was bisher nicht zum Vorschein
kam: denn die duetschen Unternehmen lebten von reger Nachfrage
aus dem Ausland. Und wenn das Ausland Importe reduziert
wird es für Deutschland kurz und bündig heißen: Aus die Maus.
Derzeit wird die CDU ja nicht müde zu erzählen, die SPD regierten
Länder sind mit Abstand die wirtschaftlich schlechtesten.
NUR: WER HAT ES PRIMIÄR BEWIRKT? Alles gute kam eigentlich direkt
aus Bonn.
Zum Thema Gesunheitswesen schreibe ich etwas später. Meine Frau
drängt mich gerade dazu ins Kino zu gehen.:)
Mal kurz - weil es auch wichtig ist: ich berücksichtige andere
Umstände, gar nicht erst um diesen Thema detailliert darzustellen,
wobei ich nicht vergessen habe, daß:
- wir Grenzöffnung hatten;
- Globalisierung und Firmenabwanderung nicht berücksichtigt ist;
- daß die Wiedervereinigung erhebliche Kosten verursacht hat;
Dennoch lege ich der Kohlscher Regierungszeit die nicht nur
willkürliche, aber auch grobfahlässige Behandlung der innenpolitischen,
wirtschaftlichen Themen definitiv zu Last. Denn hier - wo es
wirklich notwendig war Geld zu pumpen, exakt hier hat er die
Sparschraube angezogen. Als logische Folge davon: brechen uns Exporte
weg, ist der Binnenmarkt gar nicht dazu in der Lage die Lücke
aufzufangen. Weil durch Absatzverluste im Exportbereich, werden wir
auch Arbeitsplatzverluste hinnehmen müssen.
16 lange Jahre hat Niemand sich ernsthaft mit diesem Problem
auseinandergesetzt.
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