- Was zum Schmunzeln über Geld - Jochen, 19.06.2001, 20:54
Was zum Schmunzeln über Geld
Von Max Goldt:
"Der schwarze Wanderbuhpokal
Dumm an Tausendmarkscheinen ist, daß sie oben
aus dem Portemonnaie herauslugen. Sie erzeugen
auf diese Art Sozialneid. Besser ein dicker Batzen
Hunderter. Immerhin sind die Tausender aus ir-
gendwelchen bislang kaum erforschten Gründen
beliebter als Fünfmarkscheine. Als das letztemal
neue Banknoten ausgegeben wurden, haben sich
viele Leute gewundert, daß da wieder Fünfmark-
scheine bei waren.
Schließlich hatten schon die Münzen den Ruf eines Arme-Leute-Geldes; in der
Unterwelt gab es sogar einen Schimpfnamen für sie:
Man nannte sie Heiermann. Ein unendlich grober
Ausdruck für eine Prostituierte am Ende ihrer Lauf-
bahn war ein Heiermannschlitz. Der Heiermann-
schein wird von manchen West-Berlinern nach
einem als uninteressant geltenden Außenbezirk
auch als Spandau-Dollar bezeichnet. Vielleicht war
das Nichtabschaffen der Fünfmarkscheine ein psy-
chologischer Akt in der Absicht, von der Teuerung
abzulenken. Als in England im Verlauf der achtzi-
ger Jahre die Einpfundnoten durch klumpige kleine
Münzen ersetzt wurden, gab es scharfe Kritik. Nun
würde auch der Letzte wissen, daß die Größe Britanniens dahin, daß das Pfund nichts mehr wert sei.
Im ärmeren und noch stolzeren Schottland gibt es
aus diesem Grund bis auf den heutigen Tag Em-
pfundnoten. Ob das die Schotten glücklich macht,
weiß ich nicht.
Die Deutschen empfinden zum Großteil kein Glück
beim Empfang eines Fünfmarkscheines. Sie wollen
das Ding so schnell wie möglich wieder loswerden,
schleichen zum Supermarkt, kaufen schnell etwas
Streichkäse, bloß raus aus dem Portemonnaie mit
dem albernen Spielzeuggeld. Es ist ihnen peinlich,
mit einem Fünfmarkschein zu zahlen, es scheint
ihnen wie eine zickige Vorführung in einer schwu-
len Provinzdisko oder als ob sie mit einem lila Hut
auf dem Kopf in einem Fahrstuhl voller Staatsan-
wälte ein Gedicht über Teddybären aufsagen müß-
ten. »Na ja, ist ja ein gültiges Zahlungsmittel«, meint
die Kassiererin, und man beeilt sich zu sagen: »Es
tut mir leid, aber mir hat den auch irgend jemand
gegeben.« Die Verkäuferin weiß anschließend nicht,
in welches Fach ihrer Kasse sie den Schein tun soll
und dreht ihn demzufolge sofort dem nächsten Kun-
den an. Der Fünfmarkschein ist der schwarze Wan-
derbuhpokal unter den Geldscheinen, und unter
einem schwarzen Wanderbuhpokal sollte man eine
Mischung aus einem Buhmann, einem Wanderpokal
und einem Schwarzen Peter verstehen.
Nur eine Minderheit empfindet Freude beim An-
blick eines Fünfmarkscheines. Diese Menschen
schnuppern an ihm wie an einem unerwarteten
Liebesbrief, betrachten interessiert das Antlitz der
niedlichen Dichterin, welches auf ihm abgebildet
ist. Besonders verzückte Naturen heben die Scheine
auf und sammeln sie gar in einem kleinen mit Mu-
scheln besetzten Kasten, auf dem zu lesen ist »Er-
innerung an Spiekeroog«.
Diese Leute handeln richtig. Wann bekommt man
schon mal einen Fünfmarkschein? Ich schätze 5,7 mal
im Jahr. Er ist ein seltenes Kinderlachen im düsteren
Theater der Finanzen. An diesem Geld hängt keine
Schuld. Fünfmarkscheine dürften kaum je das Ob-
jekt von Geldwäschem sein, und im internationalen
Frauenhandel spielen sie absolut keine Rolle. Fünf-
markscheine sind das perfekte Zahlungsmittel für
Babynahrung und Bommeln an der Nachttisch-
lampe. Daß auf der gewaltfreien Insel Spiekeroog
alle Leute alles mit Fünfmarkscheinen bezahlen, daß
sie dort gar kein anderes Geld haben, ist nicht wahr,
doch es ist eine hübsche Vorstellung, die allerdings
keinen Trost bietet für die Hinterbliebenen des ar-
men Ristorante-Chefs, der sein Schutzgeld in hun-
dert Fünfmarkscheinen zu zahlen versuchte."
Gruß
Jochen
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