- @dottore: Mittelalter - Fontvieille, 20.06.2001, 19:28
- Re: Mittelalter - Die große Schaukel - André, 20.06.2001, 20:00
- Re: Die ganze Geschichte - eine große Schaukel. Ja, und Buch-Tipp: - dottore, 20.06.2001, 20:59
- nana, kein einziges Buch von Dir??? owT - YIHI, 20.06.2001, 21:59
- Re: Die ganze Geschichte - eine große Schaukel. Ja, und Buch-Tipp: - dottore, 20.06.2001, 20:59
- Re: @dottore: Mittelalter - JüKü, 20.06.2001, 20:29
- Re: @dottore: Mittelalter - YIHI, 20.06.2001, 20:32
- @Yihi:"Idealismus ist die Verleumdung unseres Seins" Wo kommt denn das her?? - Josef, 20.06.2001, 20:37
- Re: @Yihi:"Idealismus ist die Verleumdung unseres Seins" Wo kommt denn das her?? - YIHI, 20.06.2001, 21:58
- Re: @dottore: Mittelalter - Fontvieille, 20.06.2001, 23:02
- @Yihi:"Idealismus ist die Verleumdung unseres Seins" Wo kommt denn das her?? - Josef, 20.06.2001, 20:37
- Re: @dottore: Mittelalter,hier re jükü"Geist statt Materie" Buchtip - drooy, 20.06.2001, 22:36
- Re: @dottore: Mittelalter - Fontvieille, 20.06.2001, 23:35
- Re: @dottore: Mittelalter - YIHI, 20.06.2001, 20:32
- Re: @dottore: Mittelalter - dottore, 20.06.2001, 21:16
- Re: @dottore: Mittelalter - Fontvieille, 20.06.2001, 23:25
- Re: @dottore: Mittelalter - dottore, 21.06.2001, 11:51
- Re: @dottore: Mittelalter - Fontvieille, 20.06.2001, 23:25
- Re: Mittelalter - Die große Schaukel - André, 20.06.2001, 20:00
Re: @dottore: Mittelalter
>>Lieber Fontvieille,
>>Das ist hartes Brot. <
>Nein, lieber dottore, das ist es nicht. Sie haben so viele Jahrzehnte sich mit den Details der historia humanitas beschäftigt, daß Sie die wesentlichen Dinge im Kopf haben. Hier geht es ums"Eindampfen" und aufs Wesentliche reduzieren - und auch das hat Sie das Schicksal lang genug üben lassen. Wenn Sie die Bausteine ihrer bisherigen Erfahrung zusammenfügen, müssten Sie diesen Dingen recht schnell und einfach nahe kommen.
Also was soll konkret diskutiert werden?
1. Ende der Antike im Westen (Demandt schreibt, dass bisher ca. 270 Gründe für den Untergang Roms genannt wurde).
2. Fortsetzung der Antike im Osten (warum konnte sich Byzanz so lange halten und warum ging es dann doch unter).
3. Völkerwanderung (höchst dürftige Quellenlage).
4. Langobarden, Hunnen (rätselhafter Doppelauftritt), Normannen (dito).
5. Beginn, Aufstieg und Ausbreitung des Christentums. Woher kam die"Christianisierung"?
6."Karolingerzeit" - m.M. nach komplett fiktiv. Zu welchem Zweck aber wurde sie"erfunden"?
7. Kirche contra Kaiser (vor und nach dem Wormser Edikt)
8. Kreuzzüge - ein religiöses oder monetäres Phänomen?
9. Ursachen und Durchführung des Sakralbaus (dazu auch die"Brakteaten"-Debatte)
10."Herbst des Mittelalters" (Huizinga)
11. Ursprünge und Anfänge der Renaissance (die Florentiner Bibliotheken von Niccoli und der Medici; Literatur - Dante, Petrarca - und Einfluss der"Religion" auf den Alltag)
12. Gab es überhaupt ein Lehenswesen? (die Contra-Thesen von Susan Reynolds)
13. Die Lage der Landwirtschaft und bäuerlichen Bevölkerung. Welche Rolle spelte die Einführung der Dreifelder-Wirtschaft?
14. Warum wurden in den bekannten Wellen Städte gegründet?
15."Land und Herrschaft" (die genialen Thesen Brunners)
16. Was wurde aus der Antike tradiert (Rechtsystem bis Literatur)
17. Die Entstehung des modernen Staates (v. Creveld)
18. Das Phänomen der Klöster, der"toten Hand", die Eigentumsentstehung (aus Voreigentum) und Umverteilung.
Notfalls mehr. Aber alles übergreifend geht nicht. Sonst muss auf die bekannten MA-Forscher verwiesen werden, die sich (Pirenne, Borst, Fuhrmann, die Schule der"Annales", Kantorowicz, Toynbee, Runciman, u.v.a.m.)
Ich bitte zu beachten, dass das Phänomen"Mittelalter" erst eine ziemlich späte historische Konstruktion gewesen ist.
>>Wenn es denn dann noch so etwas wie eine"academitas" auf Staates Kosten geben wird.<
>Selbstverständlich: niemals hat sich der Mensch mit Wasser und Brot alleine begnügt, außerdem benötigt er geistige Landkarten (habe ich von Ihnen selber hier irgendwo gelesen).
Die Akademie bzw. Universitäten gabs in vier Schüben: Platon, Bologna, 15./16. Jh., 19. Jh. (Humboldt). Und immer kamen Phasen großen Niedergangs. Das hat nichts mit Brot und Wasser allein zu tun, sondern damit, was die Institutionen wollten. Mal salopp: Platon = reines, schweifendes Denken, dazu aber auch Versuche, das reale Leben zu beeinflussen; Bologna = Durchsetzung eines Rechts, das als weltlich bzw. kanonisch jeweils den betreffenden Bereichen zu Diensten sein sollte. Reformation: cuius regio eius religio (neben anderem); 19. Jh. zur Staatsapotheose.
>>(ohne jetzt eine MA-Debatte as such zu beginnen...)<
>Da werden wir aber nicht drumherum kommen - oder sollen wir hier im Forum und jeder für sich alleine tagtäglich in den Zeitungen die Kleinst-Etappen des Zerfalls unserer augenblicklichen Geld-Wirtschafts-Staats-Welt-Ordnung lesen und diskutieren, ohne uns mit den größeren Zusammenhängen und dem davor und danach zu beschäftigen? Also: nicht drücken!
Zerfall? Dann müssten wir wohl eher in der Antike beginnen. Warum gingen die Demokratien in Italien und Griechenland unter, usw. Oder ausgesuchte Beispiel des MA (Florenz, Genua, andere Stadtrepubliken, das Elend Burgunds als"Zwischenreich", Hanse, Venedig, also Expansion un Kontraktion - riesige Felder wären zu bestreichen).
Ich habe keine"Theorie" der Geschichte als solche. Ich kann nur versuchen, größere Trends ökonomisch zu interpretieren, aber mit dem einfachen"Aufstieg und Fall" geht's nicht. Gibbon hat bzgl. Byzanz mehr als ein Dutzend Bände abgeliefert.
>>aber 1:1 bleibt immer nur das (dummerweise) gleiche: Die Tatsache, dass es Kredite und ergo Schulden gegeben hat - egal in welchem Wams sie jemand unterzeichnete und wann und wo es war.
>Ausnahmsweise meinte ich diesmal was anderes: die physischen Lebensumstände
Die lassen sich für konkrete (späte!) Perioden in etwa belegen (die Forschung von Abel z.B. für die Landwirtschaft; frühe Kaufmannsstatistiken, z.B. Zolllisten; die ersten Preisreihen, von Fischer sehr gut aufbereitet; es gibt ein gutes Buch über das"Leben um 1000" unterlegt mit Urkunden aus Frankreich (Einzugsbereich von Cluny), die Grundbesitzlisten von Fulda (Codex Eberhardi), vermutlich 12. Jh., vieles für die frühe Zeit ist pure guessing. Die Edition der"Germania Sacra" kommt nicht so richtig voran. Venedig, das ich selbst für die frühe Zeit untersucht hatte (Staatsarchiv ingesamt ca. 70 laufende km Akten!) war nicht erhellend.
Die Statistik ist ein Kind des Merkantilismus / Kameralismus und ist vor dem 17. Jh. fast nicht zu gebrauchen.
>und das entsprechend beschränkte Welt- und Selbstbild der Menschen damals.
Definitionsfrage. Was heißt"beschränkt"? Wie soll das gemessen werden. Das Weltbild - siehe Kopernikus. Das Selbstbild - es gibt nur wenige"Biographien", meist posthum (Ludwig d. Hl.). So richtig in sich hinein hat der Mensch wohl erst ab dem 19. Jh. gehorcht.
>Das wird natürlich (hoffentlich und zum Glück) nicht wieder 1:1 zurückkommen. Das Leben besteht nicht nur aus Schuld und Tilgung ;-)
Nein. Aber welches Leben sollte dann konkret herausgegriffen werden. Man weiß zu wenig, die Geschichte der frühen Malerei (der Buchillumination erst Recht) ist ziemlich vage, vgl. Stundenbuch des Duc de Berry.
>>Perfekt! Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Wir werden erheblich mehr aus dem MA lernen (in puncto: Wie geht's denn nun weiter?) als aus den sattsam abgerasten Weiden der Antike.<
>Genau deshalb, weil unsere Zeit mit der Renaissance = Wiedergeburt der Antike begann, aber wem erzähle ich das. Wir sind wohl in der Endphase einer der Antike wesensverwandten Epoche und nähern uns einer dem"Mittelalter" näherstehenden Epoche (direkte Wiederholungen wird es, hoffe ich, nicht geben). Nochmal: An der MA-Debatte"as such" werden wir nicht drumherum kommen.
Das ist dann keine MA-Debatte, sondern eine"Endphasen"-Debatte. Allein für Rom (siehe noch mal Demandt) fast endlos. Danach ist aber ein LOCH. Die Quellenlage (Urkunden, Münzen, Architektur, usw.) ist konfus und karg. Selbst Gibbon kommt für Byzanz zwischen ca. 450 und 800 mit jammervollen ca. 40 Seiten aus. Daraus lässt sich wenig melken. Viel mehr als"Herrscher"-Folgen und die üblichen Kloppereien seh ich nicht. Es gibt eine gute Monographie von Hendy über Byzanz vor ca. 1000, aber sie schreibt mehr fort bzw. intrapoliert mit Hilfe von Daten ex post nach hinten.
Also was tun? Wir haben es mit (traditionell gerechnet) mehr als 1000 Jahren zu tun.
Gruß
d.
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