- Inflation und Deflation - was die Geschichte lehrt (Teil I): - dottore, 27.06.2001, 19:16
- Danke dottore - Hervorragender Beitrag!!! -owT- - Sascha, 27.06.2001, 19:27
- Re: Inflation und Deflation - / Also Defla? Jedenfalls meine Überzeugung owT - JüKü, 27.06.2001, 19:29
- Natürlich hochinteressant, aber auch zum Schieflachen (der letzte Absatz) THX! (owT) - Der Unsichtbare, 27.06.2001, 20:22
- Re: Bild ab ca. 1200 - klar und deutlich ein bubble aus dem Bilderbuch. Frage: - DIRK, 27.06.2001, 20:41
- Re: Bild ab ca. 1200 - klar und deutlich ein bubble aus dem Bilderbuch. Frage: - dottore, 27.06.2001, 21:56
- Ich warte gespannt, dabei war Geschichte neben Latein und Griechisch immer mein - DIRK, 27.06.2001, 23:48
- Re: Bild ab ca. 1200 - klar und deutlich ein bubble aus dem Bilderbuch. Frage: - dottore, 27.06.2001, 21:56
- Spitze, Dottore, bin nicht mehr so sicher mit der Inflation.:-)oT. - BossCube, 27.06.2001, 22:23
- Re: Preiswellen! Vorhang auf auch für die grosse 4... grossartig, Dottore! oT - Ecki1, 28.06.2001, 00:20
- Re: Inflation und Deflation - was die Geschichte lehrt (Teil I): - Tassie Devil, 28.06.2001, 12:12
Inflation und Deflation - was die Geschichte lehrt (Teil I):
Hi Pro- und Contra-Freaks,
zuerst darf ich bitten, das folgende Bild auf sich wirken zu lassen:
[img][/img]
Es zeigt die großen Preiswellen der englischen Geschichte (die sich im wesentlichen mit den Wellen in anderen europäischen Staaten decken, das 20. Jh. mit Hyperinfla-Ländern natürlich ausgenommen; zum 20. Jh. in einem späteren Posting mehr).
Auf den ersten Blick sehen wir vier große Preisschübe, die von sog."equilibria" abgelöst werden (equilibrium = lat. Gleichgewicht). Mit diesem Modell wird praktisch bis heute gearbeitet und die Meinung, dass es auch nach Inflationen doch so etwas wie ein"neues Gleichgewicht" geben könne, ist heute einer der Grundlehrsätze der mainstream-Ã-konomie und der darauf aufbauenden Politik wie wie alle wissen.
Allerdings sehen wir auch, dass nicht nur die Great-Wave-Phasen der Inflation, sondern auch die Equilibriums-Phasen z.T. deutliche deflationäre Einschübe, vor allem Abschlüsse hatten. Ob und inwieweit sie durch die vorangegangenen Inflationen verursacht wurden, soll hier noch nicht interessieren.
Zunächst einmal sollten wir die Frage klären, in was wir Inflation und Deflation überhaupt messen.
Inflation und Deflation werden bis zum 20. Jh. unbezweifelbar in Edelmetall gemessen, konkret bis ins 18. Jh. hinein in Silber, danach (Ära des Goldstandards) in Gold.
Diese Messung geschieht in Gewichtseinheiten. Damit sind wir schon auf einer ersten, relativ sicheren Plattform angekommen: Die großen Preisschübe wurden in der Geschichte zunächst durch ein relatives Mehr an Metall gegenüber anderen Waren bzw. ein relatives Weniger der Waren gegenüber Metall versursacht. Bei Deflationen gilt ein vice versa.
Ein Mehr an Metall relativ zu den Waren ist völlig klar die Ursache für die"Preisrevolution" des 16. Jh., die schon in der zeitgenössischen Literatur ausführlichst besprochen wurde (Jean Bodin, Schule von Salamanca usw.).
Ein Mehr an Waren relativ zum Metall war eindeutig die Ursache für den Deflationsschub nach der Mitte des 14. Jh. (die Große Pest mit dem großen Sterben). Darauf wird auch noch ausführlicher zurück zu kommen sein.
Warum es zum großen Preisschwung zwischen ca. 1200 und 1350 gekommen ist, gilt noch nicht als befriedigend gelöst, sofern man mit der Messung von Waren in Metall arbeitet (neue Bergwerke, Bevölkerungsvermehrung, politische Expansionen?), muss uns aber auch zunächst nicht allzu große Sorgen machen; es folgen auch dazu noch spätere Postings.
Die"Preisrevolution" des 18. Jh. (sie begann erst Ende des 18. Jh. und endete mit den Napoleonischen Kriegen) ist bereits <font color="FF0000">ein Novum</font>. Die Preise (in Metall gemessen) wurden damals auf breiter Front nicht durch ein Mehr an Metall gehoben, sondern ganz unstreitig durch ein Mehr an Kredit, mit dessen Hilfe die gigantischen Feldzüge finanziert wurden (wiewohl auch ein Mehr an Metall dazu gekommen ist, etwa durch die Beutezüge Napoleons in Italien).
Eindeutig ist die Deflation, die unmittelbar nach Ende der Napoleonischen Kriege einsetzt (bitte immer wieder nach oben auf die Darstellung schauen), eine kreditinduzierte Deflation: Es wurden keine neuen Kriegsschulden mehr gemacht und die alten erst einmal abgearbeitet.
In der Mitte des 19. Jh. entdecken wir einen kleinen Preisschub, der wieder an die gute alte Zeit der Preisrevolution des 16. Jh. anknüpft. Damals änderte sich das Waren/Metall-Verhältnis durch die berühmten Goldfunde ("gold rush" in Kalifornien usw.), aber auch der kleine Zwischenanstieg endete mit einem neuen deflationären Schub (in Deutschland damals besonders spürbar als"Depression der Bismarckzeit", verbunden mit dem Aufstieg der Sozialdemokratie plus Schutzzollbemühungen usw.; unter dem Abschwung, der u.a. auch weiterhin die Abarbeitung vorhandener Kredite darstellte, litt auch der allseits bekannte Kaufmann Silvio Gesell, der nur der leider irrigen Meinung war, seine missliche Lage hätte etwas mit"dem Geld" zu tun, wo es in Wahrheit die bereits existenten und - wie immer in Deflationen - stark drückenden Schulden waren).
Am Ende des 19. Jh. entdecken wir zum letzten Mal eine Waren/Metall-Inflation (ganz wenig nur), hervorgerufen durch den letzten großen"gold rush" (Alaska usw.).
Dann kommt im 20. Jh. ein erster scharfer Zacken nach oben - eindeutig das Resultat des 1. WK und seiner Finanzierung durch Staatskredite und nicht etwa neuer Metallfunde.
<font color="FF0000">Danach kommt die - in historischen Dimensionen - geradezu irrwitzige Preisexplosion, in derer möglichen Endphase wir jetzt stehen. Diese Preisexplosion hat definitiv nichts mehr mit zusätzlichen Metallfunden zu tun, die das Metall/Waren-Verhältnis revolutioniert hätten.</font>
Es handelt sich ab jetzt ausschließlich um eine Kreditgeldinflation.
Was lehrt uns das alles?
1. Der"Annual Price Index", der 1451/75 = 100 gesetzt wurde, ist in sich inkonsistent. Entweder man misst die Warenpreise (wie in bereits früher gezeigten Darstellungen aus der Zeit des Hochmittelalters) durchgehend in Metall (und dort in Gewichtseinheiten). Man misst sie also absolut.
Oder man vergleicht jährliche Preisindices und zwar nach dem Face Value der realisierten Preise, was man aber nicht absolut tun kann, sondern immer nur relativ. Also: Die Preise nach x Jahren werden mit den Preisen von vor x Jahren verglichen. Dies mag bei der Ermittlung eines"Preisgefühls" helfen, ist aber als Mittel zur Ermittlung der Ursachen der veränderten Preise (Inflation oder Deflation) ganz wertlos.
Die Ursachen können, wie gezeigt, nicht nur Mehrungen von Metall sein (evtl. auch dessen Minderungen, z.B. durch Metallhortungen bzw. Umarbeitung von Metall zu Schmuck usw.), sondern eben auch Veränderungen der Kreditsummen.
<font color="FF0000">Einer zu einem bestimmten Preis umgesetzten, also am Markt realisierten Ware kann ich niemals ansehen, ob sie gegen ein Metallstück getauscht oder mit Hilfe eines Kredits gekauft wurde. Beide Male aber wurde ein Umsatz realisiert.</font>
2. Die Folgen eines Umsatzes mit Hilfe eines Kredits sind nun leider eine gänzlich andere als die des Umsatzes mit Hilfe des Tausches einer Ware (physisch) in eine Metallmenge (physisch).
Beim Kredit ist die Bezahlung immer offen. Dies leuchtet bei einem vollzogenen Kaufkontrakt und damit"Umsatz" zwischen zwei Parteien unmittelbar ein. Es macht aber Probleme, dies in einem System (wie heute!) zu verstehen, in welchem ein erster Kredit durch die Tatsache, dass er über die ZB zu"gesetzlichem Zahlungsmittel" verwandelt werden kann bzw. worden ist, zwar via Zession zu anderen"Umsätzen" führen kann, er aber letztlich immer offen bleibt.
<font color="FF0000">Merke: Man kann einen Kredit nicht zwei Mal tilgen: Ein Mal mit der im Kredit vereinbarten Leistung und ein zweites Mal mit der über den Kredittitel ausgestellten ZB-Note!</font>
Noch schwieriger ist es, zu verstehen, dass Kredite ihrerseits (bis zum Ablauf ihrer Fristigkeit) jederzeit neue Kredite generieren können, indem sie beliehen werden ("Kredit-auf-Kredit", was der Kern z.B. des"modernen" Bankensystems ist).
Egal also, wie oft ich einen neuen Kredit (und damit Kaufkraft, die zu Umsätzen führt!) in die Welt setze, er bleibt immer offen, bis er von einem Gläubiger durch die Akzeptanz einer von ihm als endgültig empfundenen Leistung wieder aus der Welt geschafft ("getilgt") wird.
Je höher das System aufgeschaukelt wird, umso mehr schwindet die Möglichkeit, es jemals wieder mit Hilfe von durch die Gläubiger (egal welcher Kredite, und egal, wo in der unendlichen Kreditkette sie sitzen) als endgültig akzeptierter Leistung wieder verschwinden zu lassen.
Die Kredite müssen dabei nicht nur prolongiert werden (oder umgebucht werden, von jeweils schwächeren auf stärkere Schuldner), sondern es müssen schließlich auch noch die Zinsen herbei geschafft werden, was in der Schlußphase überhaupt nur noch durch die Kreditierung auch der fälligen Zinsen geschieht ("Hochbuchen").
Damit (bitte noch ein Mal nach oben scrollen) haben wir es bei der letzten"Preisrevolution" mit etwas äußerst Interessantem zu tun:
<font color="FF0000">Es ist eine fast ausschließlich durch Schaffung von Krediten plus Kreditgeld plus Krediten auf Krediten plus Um- und Hochbuchen verursachte Veränderung des Preisniveaus.</font>
Nota bene des relativen Preisniveaus, da es nicht mehr absolut (z.B. in einer bestimmten Ware wie früher Edelmetall), sondern nur noch durch Veränderungen in sich selbst gemessen wird. (Preisniveaubetrachtungen mit Hilfe von Edelmetall bis heute sind zwar interessant, führen aber nicht weiter, da mit Metall nicht mehr gesetzlich, sondern nur noch fakultativ, also durch private Vereinbarungen getilgt werden kann).
3. Der Preisexzess, sichtbar am rechten Rand der Darstellung, ist also durch einen Kredit- und/oder Kreditgeld-Exzess hervorgerufen worden. Und die Tatsache, dass die Preise - in historischem Maßstab - explodiert sind (wenn auch zum Schluss nur noch relativ zu sich selbst in vorangegangenen Zeiträumen), zeigt nichts anderes als:
<font color="FF0000">Es sind so viele Kredite offen wie noch nie! </font>
(Sonst wären sie durch am Markt als endgültig akzeptierte Leistungen, die ihrerseits ein zusätzliches Leistungsangebot und damit eine Leistungserstellung zur Voraussetzung gehabt hätten, was - da ein Mehrangebot an Waren darstellend - deflationär gewirkt hätte, bereits wieder aus der Welt geschafft worden).
Da der Preisexzess nicht anders erklärt werden kann als durch einen Kreditexzess, muss es zur Katastrophe kommen, sobald der beschriebene Prozess stagniert oder gar abbricht. Ich erinnere noch ein Mal an die Greenspan-Rede vom 20. Juni!
Die Summen an Kreditgeld spielen dabei überhaupt keine Rolle - die berühmte"Geldmenge" also -, da Kreditgeld nur eine andere Form von bei seiner"Schaffung" bereits existierenden Kredittiteln ist.
Was vor uns liegt, ist also entweder eine beschleunigte Fortsetzung des hinlänglich beschriebenen Prozesses - oder eine durch kollabierende Kreditketten hervorgerufene <font color="FF0000">deflationäre Implosion,</font> gegen die die bereits beobachteten Implosionen etwa an den"Neuen Märkten" nur ein lindes Säuseln war.
Etwaige Hoffnungen darauf, dass die Notenbanken"helfend" einspringen könnten, sind angesichts der auf dem Tablett liegenden Kredite schon allein wegen der schieren Summen der Kredite ganz und gar vergeblich. Allein um die zur Zinsbedienung der alten Kredite erforderlichen Neukredite darzustellen, müssten die Staaten, die zunächst um Hilfe angegangen würden ihre Verschuldungen in kürzester Zeit etwa verdoppeln (ginge theoretisch durch Ausgabe von sog."Hilfs-Scrips","Kassenscheinen" o.ä. mit anschließender Einreichung bei den Zentralbanken):
Wir reden weltweit von knapp zweistelligen Billionenbeträgen pro Jahr! Und wir schauen staunend, wie es einem einzigen, beinahe belanglosen, unsauberen Kreditinstitut wie der Berliner Bankgesellschaft im Alleingang und über Nacht gelungen ist, das Land Berlin an den Rand des Staatsbankrotts zu treiben.
Aber dies ist nur die Ankündigung des hors d'ouevres und vom eigentlichen Hauptgang sind wir noch weit entfernt. Massemäßig, zeitmäßig vielleicht nicht.
Und plötzlich geht die Tür zum Speisesaal auf, in dem wir uns fröhlich und ahnungslos beim Champagner zuprosten und und alles wird auf einmal serviert. Mit der Rechnung, krönend, obendrauf...
Gruß
d.
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