- P R I V A T K O N K U R S-Zu arm für die Pleite Die Zeit - McMike, 02.07.2001, 19:44
- Re: Link (owT) - McMike, 02.07.2001, 19:45
- Re: P R I V A T K O N K U R S - Baldur der Ketzer, 02.07.2001, 20:02
- Re: P R I V A T K O N K U R S - Dieter, 02.07.2001, 20:33
- Re: P R I V A T K O N K U R S - Baldur der Ketzer, 02.07.2001, 21:24
- Re: P R I V A T K O N K U R S - Dieter, 02.07.2001, 20:33
- Re: P R I V A T K O N K U R S-Zu arm für die Pleite Die Zeit - Turon, 02.07.2001, 20:05
- Re: P R I V A T K O N K U R S-Zu arm für die Pleite Die Zeit - McMike, 02.07.2001, 21:35
- Re: P R I V A T K O N K U R S-Zu arm für die Pleite Die Zeit - Baldur der Ketzer, 02.07.2001, 22:19
- Du das meine ich doch gar nicht - Turon, 03.07.2001, 01:11
- Re: P R I V A T K O N K U R S-Zu arm für die Pleite Die Zeit - McMike, 02.07.2001, 21:35
P R I V A T K O N K U R S-Zu arm für die Pleite Die Zeit
Drei Millionen private Haushalte in Deutschland sind hoffnungslos überschuldet. Das noch junge Insolvenzrecht verspricht Hilfe: Private Schuldner können demnach genauso Pleite machen wie Unternehmen. Nach einem strengen Sanierungsplan sind sie sieben Jahren später ihre finanziellen Probleme los - sofern die Gläubiger dem Plan zustimmen. Lehnen Letztere den Plan ab, muss ein Gericht entscheiden. Für den Schuldner bedeutet das bis zu 3000 Mark Verfahrenskosten. Zu viel für jemanden, der ohnehin pleite ist.
Schuldnerberater bemängeln deshalb das neue Insolvenzrecht."Unsere Erfahrungen sind miserabel", sagt Bernd Sorge von Caritas in Frankfurt. Im vergangenen Jahr gab es bundesweit lediglich 9500 Anträge auf Verbraucherinsolvenz. Eine Gesetzesänderung soll es Mittellosen nun erleichtern, ihr Recht auf Entschuldung einzuklagen. Die Gerichtskosten sollen vom Staat vorgestreckt werden, der Pleitier kann sie am Ende der Sanierungsphase zurückzahlen. In diesen Tagen soll das Gesetz den Bundestag passieren. Obwohl es für die Haushalte der Länder Mehrkosten von mindestens 75 Millionen bedeutet, wird vom Bundesrat kein Widerstand gegen die Reform erwartet. Bereits im Herbst könnte das Gesetz in Kraft treten. Rund 38 000 Insolvenzverfahren, so schätzt die Bundesregierung, werden dadurch pro Jahr zusätzlich möglich.
Die Reform des Verbraucherkonkurses ist notwendig. Denn nur auf den ersten Blick sieht die deutsche Vermögensbilanz eindrucksvoll aus: Bundesbürgern gehören Immobilien und Gold, Schmuck und Finanzanlagen im Wert von 18 Billionen Mark, was dem deutschen Bruttosozialprodukt von mehr als vier Jahren entspricht. Mehr als sieben Billionen Mark liegen auf Sparbüchern, sind in Schatzbriefen oder anderen Wertpapieren investiert. Jeder fünfte besitzt Aktien oder Fondsanteile.
Was diese Zahlen verschweigen: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Zwar werden die Armen nicht ärmer, die Reichen aber immer reicher. Unter anderem liegt das an den insgesamt wachsenden Renditen aus altem Vermögen, die für das Gesamteinkommen von Singles und Familien zunehmend wichtig werden. Altaktionäre kassierten pro Jahr durchschnittliche Renditen von 39 Prozent (1999) oder 47 Prozent (1997) und damit trotz des späteren Einbruchs an den Börsen in der Regel mehr als jene Kleinsparer, die sich mit zwei Prozent Sparbuchzinsen oder einer renditeschwachen Lebensversicherung zufrieden gaben. Insgesamt verfügt das obere Zehntel über die Hälfte des Grundvermögens und die Hälfte des Geldvermögens, ermittelten die Wirtschaftsforscher von Prognos.
Dagegen ist mindestens jeder zehnte deutsche Haushalt nach gängiger wissenschaftlicher Definition arm, bezieht also nicht mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens. Ebenso unausgewogen sieht es bei den Vermögen aus, stellte der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung fest:"Das oberste Zehntel besaß im Durchschnitt rund 1,1 Millionen DM. Für die untere Hälfte ergab sich dagegen ein durchschnittliches Vermögen von 22 000 DM. In den neuen Ländern war die Ungleichheit der Vermögensverteilung noch größer."
"Es gibt eine gewisse Stagnation der Armut auf hohem Niveau", analysiert der Hamburger Sozialforscher Wolfgang Schütte. Zwischen 25 und 35 Prozent der Haushalte"leben unter der ständigen Drohung einer ungesicherten Versorgung", berichtet die IG Metall. Und in diesem Monat meldet die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung: Die Zahl der überschuldeten Haushalte steige immer weiter an und habe inzwischen die Rekordhöhe von 2,8 Millionen erreicht.
"Überschuldet sein bedeutet mehrheitlich, für eine lange Zeit am Rande des Existenzminimums leben zu müssen", versucht das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche eine eher hilflose Zustandsbeschreibung,"das hat eine oft langanhaltende Destabilisierung der ökonomischen und sozialen Lage der betroffenen Menschen und ihrer Familie zur Folge." Betroffen sind etwa sechs Millionen Frauen, Männer und Kinder. In Hamburg, der nach EU-Angaben reichsten Stadt Europas, lebt seit Jahren jeder vierte ABC-Schütze von Sozialhilfe.
Geschichten und Gründe für eine Überschuldung gibt es viele. War in den neunziger Jahren Arbeitslosigkeit der häufigste neue Schuldengrund, trifft es heute vor allem alleinerziehende Mütter. Zu hohe Schulden erdrücken auch manche Witwe, denn der Tod des Partners stürzt sie häufig in den finanziellen Abgrund. Bei einem anderen schnappt die Schuldenfalle zu, weil er großzügige Kredite zu oft für einen fröhlichen Konsumrausch missbraucht hat. Mancher Junggeselle zahlt nun für seine Spielleidenschaft im Kasino oder an der Börse.
Eine Mitschuld trägt die Kreditwirtschaft: Mancher Bankangestellte verkauft seine Darlehen gnadenlos an längst finanziell marode Kunden. Getrieben wird er von bankinternen Verkaufsvorgaben und von Provisionsanreizen aller Art.
Heutzutage sind Geldsorgen allerdings nicht mehr allein ein Problem der kleinen Leute. Mehr als ein Jahrzehnt Massenarbeitslosigkeit und Pleiterekorde in der Wirtschaft haben ihre Spuren bei Selbstständigen, Unternehmern und im wohlhabenden Mittelstand hinterlassen - und tun es weiterhin. Allein für den Traum von den eigenen vier Wänden stehen Bundesbürger bei Banken und Bausparkassen mit mehr als 1300 Milliarden Mark in der Kreide, dazu kommen unbezahlte Konsumkredite für weit über 400 Milliarden Mark.
Helfen in der Not wollen Schuldnerberater in Sozialverbänden, Kirchen und Amtsstuben. Sie suchen zunächst für ihre Klienten informelle und unbürokratische Lösungen, und dies häufig erfolgreich: Viele Firmen und Finanzämter sind durchaus kulant und akzeptieren Raten oder eine abgespeckte Einmalzahlung des Schuldners. In drei von vier Fällen konnten Schuldnerberater helfen, ermittelte das Institut für Soziologie in Karlsruhe. Meistens ließen sich die Verbindlichkeiten zwar nur um kleine Teilbeträge runterhandeln, aber immerhin in jedem fünften Schuldenfall konnten die Gläubiger überzeugt werden, auf 40 Prozent und mehr ihrer Forderungen zu verzichten."Die Ergebnisse sind ermutigend", sagt der Karlsruher Soziologe Gunter E. Zimmermann,"denn sie zeigen, dass Schuldnerberatung für die Menschen unmittelbar nützlich ist."
Der private Konkurs wurde 1999 nach US-amerikanischem Vorbild möglich. Überschuldete Bankkunden, arbeitslose Häuslebauer und leichtfertige Konsumenten können seither einigermaßen geordnet in die private Pleite marschieren. Kein leichter Gang, denn geschenkt wird niemandem etwas.
Eine Entschuldung läuft stets nach folgendem Schema ab: Zusammen mit einer Schuldnerberatungsstelle werden sämtliche offenen Rechnungen und Finanzmittel aufgelistet. Ein Vergleich mit allen Gläubigern wird angestrebt, um dann einen rechtsverbindlichen Sanierungsplan aufzustellen - mit oder ohne Gericht. Dann beginnen für den Schuldner die sieben harten Jahre, in denen er den pfändbaren Teil seines Einkommens an seine Gläubiger abgibt. Was danach noch nicht bezahlt ist, wird ihm erlassen - er kann sich finanziell eine neue Existenz aufbauen.
Doch auch nach der geplanten Gesetzesänderung hat der Verbraucherkonkurs noch etliche Schwachstellen. Die Verfahren ziehen sich oft in die Länge. Wartezeiten bis zu einem Jahr sind in den 1150 deutschen Schuldnerberatungsstellen weit verbreitet. So konnte bislang erst jedes siebte Schuldenopfer beraten werden, schätzt das Diakonische Werk. Es fehlt das Geld für zusätzliche Sozialexperten.
Schuldnerberater fordern deshalb, die Laufzeit des Verfahrens deutlich zu straffen. Insgesamt kann eine Entschuldung derzeit mehr als ein Jahrzehnt dauern. Ferner sollten die Pfändungsgrenzen erhöht werden, um den Betroffenen während der Sanierungsphase ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Denn schließlich bietet ein Privatkonkurs den Armen nur dann eine faire Chance, wenn sie ihn sich leisten können.
gruss mcmike
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